Entgegen meiner Hoffnung, lagen Jonathan und ich nun beide im Bett, um uns von unserer Erkältung zu erholen. Wir hatten fast eine dreiviertel Stunde draußen verbracht, ohne dass wir es bemerkt hatten und waren nach unserem Kuss, komplett durchnässt und mit Eiskristallen überseht, ins Wohnzimmer zurückgekehrt, wo Jonathans Mutter uns erstmal unter die Dusche zum Aufwärmen und anschließend ins Bett geschickte hat.
Dort aneinander gekuschelt hatten wir noch so lange geredet, bis uns die Augen zu gefallen sind. Das böse Erwachen kam dann am nächsten Tag. Wir beide hatten leichtes Fieber und waren total verschnupft, als wir am Nachmittag aufwachten und erhielten von Kathi erstmal eine Suppe und einen Tee, um aus auszukurieren.
Das war nun schon seit drei Tagen so und so langsam hatte ich das Gefühl der Besserung. Ich hatte die Kraft mich zu duschen, mich anzuziehen und zum Mittagessen in der Küche zu sein. Jonathan hingegen lag immer noch flach im Bett und schlief den gesamten Nachmittag, weshalb ich nicht genau wusste, was ich machen sollte.
Die Nachrichten von Silvester hatte ich alle schon gelesen und beantwortet, was leider nicht lange gebraucht hat, da sie nur aus unserer Freundesgruppe stammten. Danach hörte ich eine Weile Musik, doch auch das wurde nach einer Zeit langweilig. Meine Playlist war nun schon zum zweiten Mal am Ende angelangt und es wurde auf Autoplay umgeschaltet.
Erst brauchte ich ein wenig, um den Song zu erkennen, doch dann schossen mir die Erinnerungen in den Kopf. Das ist der Lieblingssong von mir und Matteo gewesen. Egal wann er kam, wir haben ihn immer laut aufgedreht und dazu schief gesungen oder dämlich getanzt, bis wir nicht mehr konnten.
Das letzte Mal ist schon eine Weile her. Ich seufzte. Was alles im letzten Jahr passiert ist, war bis jetzt nur kaum für mich zu begreifen. Ich probierte zwar, so gut wie es geht, alles mit meiner Therapeutin aufzuarbeiten, doch wirklich geschafft habe ich es noch nicht.
Sollte ich ihm vielleicht schreiben, dass ich ihn treffen möchte? Die Zeit dazu hätte ich gerade, doch ich war mir nicht sicher, ob ich schon bereit war, mit einem Teil meiner Vergangenheit zu konfrontiert zu werden.
Andererseits würde ich es vermutlich wann anders nie machen. Also ging ich schnell auf WhatsApp, um ihm eine Nachricht zu schreiben, denn fürs Anrufen fühlte ich einfach nicht bereit. Ich war mir nicht sicher, was mich daran hinderte, aber es war eine unüberwindbare Blockade, die ich nicht umgehen konnte.
Langsam fing ich an zu schreiben und bastelte eine Weile an der Nachricht rum, bis ich halbwegs mit ihr zufrieden war. Dann zwang ich mich sie abzuschicken, woraufhin sich ein zufriedenes Gefühl in der Magengegend breit machte.
Doch erst, als auch der zweite Haken erschien, konnte ich ausatmen. Jetzt musste ich nur noch auf seine Antwort warten.
*
Diese kam einen Tag später. Jonathan und ich waren gerade in der Küche und halfen Kathi das Mittagessen vorzubereiten, als ich spürte, wie mein Handy vibriert. Kurz entschuldigte ich mich bei den beiden und ging in den Flur, um mir die Nachricht anzuschauen.
'Hast du nächstes Wochenende schon etwas vor?' Die Nachricht war kürzer, als ich sie erwartet hätte, jedoch war ich froh überhaupt eine Antwort zu bekommen. Kurz dachte ich nach. Am Freitagnachmittag landen wir in Berlin, ich könnte also einen Zug am Samstag nach Köln nehmen und wäre, je nachdem wie lange wir reden, spätestens am Sonntag wieder zurück.
Theoretisch wäre das also möglich. 'Ja, ist Samstag ok?' antwortete ich und steckte mein Handy wieder in die Hosentasche, bevor ich mich auf den Weg zurück in die Küche machte.
Dort empfang mich das herzliche Lachen von Jonathan, welches mir mittlerweile so vertraut war, dass es mir fast Angst machte. Jedoch zauberte es sofort ein Lächeln auf mein Gesicht, denn es machte mich einfach glücklich ihn glücklich zu sehen.
Als ich mich neben sie stellte, konnte ich nun auch den Grund für sein Lachen sehen. Kathis Gesicht war komplett überströmt mit Tränen, da sie gerade eine Zwiebel geschnitten hatte und lachte dabei über sich selbst, was so seltsam aussah, dass auch ich in ihr Lachen mit einstieg.
Lächelnd bemerkte mich nun Jonathan und legt einen Arm um mich herum, um mich näher an sich ran zuziehen. Sofort kuschelte ich mich an ihn heran und legte meinen Kopf auf seiner Schulter ab, während ich Kathi dabei beobachtete, wie sie die Zwiebeln nun in einem Topf zu schmoren begann.
Die letzten Tage haben mir gutgetan, denn zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wirklich willkommen. So weit weg von allen Problemen die im wahrsten Sinne des Wortes, fast auf der anderen Seite der Welt waren, drehten sich die Gedanken in meinem Kopf nicht mehr ganz so schnell wie noch am Anfang der Ferien.
Fast alle meine Ängste und Zweifel meldeten sich nicht mehr so laut, wie zuvor, sondern hielten sich eher im Hintergrund und somit gut kontrollierbar für mich. Doch eine Sache blieb. Die Angst vor der Zukunft, denn ich wusste immer noch nicht, ob meine Eltern mir mein Leben weiterhin finanzieren werden.
Mit meinem aktuellen Kontostand könnte ich wohl ein oder zwei Monate meine Ausgaben inklusive der Internatskosten decken, doch was danach kam wusste ich nicht. Ich war immer noch nicht sechzehn und somit noch eingeschränkter als eingeschränkt Verkaufs tüchtig
Ich wäre komplett auf mich alleine gestellt ohne Geld oder eine Unterkunft und selbst wenn ich einen Job finden könnte, wäre es schon gut, wenn ich überhaupt eine Wohnung und genug zu essen finanzieren kann. Das Internat wäre damit gestrichen, womit wir zu meinem viel größeren Problem kommen.
Wenn ich nicht aufs Internat gehe, dann wird vor Gericht beschlossen, was nun mit mir passiert. Auf mich könnten mehrere Jahre Jugendknast oder ähnliches warten und ich weiß nicht, ob ich das packen könnte. Allein der Gedanke an eine solche Situation, ließ mich übel werden.
Wie sollte ich dann nur jemals wieder mit Jonathan in Kontakt treten, wenn er das denn überhaupt wollte. Vermutlich nicht, denn dann war ich nicht nur ein Verbrecher, sondern habe auch noch eine Zeit im Gefängnis verbracht. Darüber kann er gar nicht hinwegsehen, oder?
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Hey,
Ich habe heute meine zweite Impfung erhalten... Bin also gerade ein wenig matschig, deshalb halte ich mich kurz :)
Vielen Dank für 3k Aufrufe auf diese Geschichte, ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie happy mich das macht ;) <3
Bis nächste Woche,
eure Lesekatze
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Auch wenn der Weg nicht immer leicht ist
Teen FictionNachdem der 15 jährige Lucas eine Straftat begangen hat, ändert sich sein Leben komplett. Er muss auf ein Ballettinternat in Berlin, um sich dort ein anderes soziales Umfeld aufzubauen. Weg von seinen Freunden und alles was er kennt. Besonders froh...