Kapitel 54

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Meine Gedanken sogen mich mal wieder immer tiefer herab und ließen mich zusammengesunken auf dem Krankenhausbett zurück. Mein Körper wurde taub und ich verlor das Gefühl über mich selbst.

Das war in den letzten paar Tagen des Öfteren passiert und kam mit der Zeit immer häufiger vor. Wann immer ich in meine Gedanken abdriftete, war mein Körper nur noch eine Hülle. Ein leerer Körper, der wie eine Puppe regungslos dalag und auf kaum etwas reagierte.

Erst wenn jemand den Raum betritt, bekam ich die Möglichkeit mich aus meinen Gedanken zu befreien, was heute zu meinem Glück, der Krankenpfleger war, welcher mir das Mittagessen brachte, das kurz nach der Untersuchung stattfand.

Kurz bevor er aus der Tür ging, drehte er sich nochmal um: „Wenn du möchtest, dann kannst du heute Nachmittag bei einem neuen Psychologen anfangen." Überrascht sah ich ihn an. Das war deutlich schneller gegangen, als ich erwartet hatte.

„Klingt gut, wann wäre denn der Termin?", fragte ich und probierte dabei nicht zu erfreut zu wirken. „Heute um 15 Uhr", meinte er, woraufhin ich nickend mein Einverständnis gab.

Dann holte ich mein Handy hervor und öffnete den Chat mit Jonathan, um ihm zu schreiben, dass ich bis 16 Uhr noch eine Sitzung hatte, damit er nicht zu lange vor der Tür warten musste.

*

Ungeduldig blickte ich auf meine Uhr, welche nun zwei Minuten vor 15 Uhr anzeigte. Irgendwie vergeht die Zeit immer deutlich langsamer, wenn man auf etwas wartete.

Wenn ich nicht jede Sekunde mit meinen Augen verfolgt hätte, dann würde ich vermutlich denken, dass schon mindestens zehn Minuten vergangen sind und der neue Psychologe sich total verspätet hat, aber das war noch lange nicht der Fall.

Trotzdem trieb mich das Ticken des Zeigers in den Wahnsinn und ließ meine Ungeduld wachsen. Ich wollte endlich wissen, wer gleich kommen würde. Werde ich diese Person mögen, oder war meine Bemühung vergebens?

Ich hoffte natürlich auf ersteres, jedoch konnte ich es nicht wissen. Wie denn auch, wenn die Zeit im Schneckentempo verläuft? Frustriert seufzte ich und probierte mir in Gedanken schonmal ein paar Gesprächspunkte für die Stunde bereitzulegen.

Das klappte auch ganz gut und lenkte mich ein wenig ab, sodass ich erschrocken aufschreckte, als ich ein Klopfen an der Tür vernahm. „Herein", neugierig wandte ich meinen Blick zum Eingang und sah gespannt zu, wie sich die Tür öffnete.

Durch sie trat ein junger Mann, der mich vorsichtig, aber freundlich anlächelte und mit bestimmten Schritten das Zimmer durchquerte, um sich auf den Stuhl in der Nähe meines Bettes zu setzten.

„Hallo. Lucas, richtig? Ich bin Dr. Matthias Jacobs. Du kannst mich aber Matthi nennen", eröffnete er das Gespräch und sah mir offen entgegen.

„Okay, hallo", antwortete ich und schaute neugierig in seine Richtung. Wie das Gespräch wohl ablaufen wird? Hoffentlich deutlich besser als mit Dr. Schneider, vom dem ich bis heute nicht mehr als seinen Vornamen weiß. Vielleicht ist das bei Matthi ja anders.

„Wieso lernen wir uns nicht erstmal ein wenig kennen? Vielleicht fällt es dir dann leichter, über die etwas schwereren Themen zu sprechen", schlug er vor, woraufhin ich nur nickte. Schaden konnte es ja nicht.

„Okay, dann fang ich doch einfach mal an. Also ich bin Matthi, 29 Jahre alt, lebe mit meiner Freundin und meinem Hund zusammen und bin Psychologe", erzählte er lächelnd und sah mich danach aufmunternd an. Dieser Pluspunkt geht also schonmal an Matthi.

„Ich äh...", ich stoppte kurz und legte mir meine Worte zurecht, bevor ich fortfuhr. „Ich bin Lucas, 15 Jahre alt und bin seit den Sommerferien auf einem Internat hier in Berlin", unsicher sah ich ihn an und analysierte jede Bewegung, um zu erahnen, was er von mir denken könnte.

Meine Akte wird er ja totsicher gelesen haben, weshalb er das alles sicherlich weiß, doch sein Blick enthielt immer noch dieselbe Neugierde und Offenheit, die sie auch am Anfang des Gespräches hatte.

„Okay, das war doch schonmal ein Anfang", er lächelte kurz, „möchtest du vielleicht noch ein wenig mehr erzählen? Vielleicht über deine Freunde, oder wollen wir es erstmal hierbei belassen?", fragte er.

Ich überlegte kurz. Wieso eigentlich nicht? Er wirkte bis jetzt ganz sympathisch und wenn ich mir für Jonathan wirklich Hilfe beschaffen möchte, dann sollte er so viel wie möglich über mein Umfeld wissen, damit er sich ein gutes Bild machen kann.

„Naja da ist mein Freund Jonathan und die Clique, in der wir sind. Isa, Amelie, Mia, Colin, Jonas und Elias. Wir haben uns alle auf dem Internat kennengelernt und verbringen seitdem fast jede Mittagspause zusammen", beantwortete ich nun seine Frage.

Kurz schien er zu überlegen, dann legte sich wieder ein Lächeln auf sein Gesicht, wie schon die meiste Zeit des Gesprächs. „Ist Jonathan dein fester Freund?", fragte er. Es war ihm anzusehen, dass es das war, was ihn zum Nachdenken gebracht hatte.

„Ja", antwortete ich nur kurz, während sich ein kleines Lächeln, bei dem Gedanken an ihn, auf meinem Gesicht bildete. „Die nächste Frage musst du nicht beantworten, aber sie würde mich interessieren. Weiß er von dem hier, also deiner Vergangenheit und die Gründe für alles?"

Seine Frage brachte mich kurz aus dem Konzept, doch fing ich mich relativ schnell wieder. Diesmal wollte ich es besser machen. „Ja, er weiß von allem, was passiert ist bescheid", erwiderte ich, während mein Lächeln nun vollständig wieder verschwunden ist.

„Das ist doch gut, oder?", fragte er mit ein wenig Rückhaltung in seiner Stimme. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich wünschte er müsste mit so etwas nicht immer belastet werden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich ihm nicht guttue und er besser ohne mich dran wäre."

Auch wenn es mir unglaublich schwerfiel, probierte ich mich ein wenig mehr zu öffnen als bei Dr. Schneider. Vielleicht finde ich mehr Unterstützung in Matthi. „Ich glaube nicht, dass er das so sieht. Habt ihr denn mal über deine Gedanken gesprochen?"

Nun waren wir bei einem Thema, was ich des Öfteren versuchte zu vermeiden. Mir war klar, dass ich meine Gefühle mit Jonathan besprechen sollte, doch hier lag mein Problem. Ich wollte ihn nicht damit belasten.

Ich schüttelte meinen Kopf. „Wieso nicht?" Er schaute mich analysierend an, so als wolle er genau herausfinden, was der Grund ist. „Weil ich ihn nicht noch mehr belasten möchte", nuschelte ich mehr, als ich das ich es laut aussprach.

Es klang so erbärmlich es jemandem zu gestehen, denn mir war klar, dass wenn jemand anderes mir diese Situation geschildert hätte, ich ihm gesagt hätte, dass man über seine Gefühle sprechen sollte.

Doch wenn man selbst in dieser Situation ist, sieht das Ganze schon deutlich komplizierter aus, als es eigentlich ist. Denn egal wie erbärmlich es ausgesprochen klingt, der Konflikt in mir ist damit noch lange nicht gelöst.

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Heyy,

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und findet Matthi genauso sympathisch wie Lucas ;)

Bei mir hat es gestern Abend, passend zum zweiten Advent, geschneit. Ich bin dezent ausgerastet, als ich aus dem Fenster gesehen habe XD. Aber der Schnee ist jetzt schon fast wieder weg, da es einfach ein wenig zu warm ist :/. Hoffentlich kommt dann wann anders nochmal so viel Schnee wie gestern :).

Bis nächste Woche,

eure Lesekatze

PS.: Wir haben gerade 300 Votes erreicht!! Hier also ein dickes Danke an alle, die fleißig voten, ich freu mich immer riesig :)

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt