Schlechtes Reden bringt niemals gute Taten (2)

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Sie zuckte innerlich zusammen, als ein Schwall von Erinnerungen über ihr zusammenbrach in Zusammenhang mit dem, was sie seitdem erlebt hatte. In den wenigen Wochen ihrer Flucht hatte sie mehr Grausamkeiten gesehen, als sie es sich je erträumt hatte, obwohl ihr innigster Wunsch eben dies umfasste. Sie hatte tief in sich schon immer vor dem natürlichen Tod gewehrt, der auch irgendwann sie einholen würde, was wohl auch der Grund für ihren unerbittlichen Kampf gegen die Lebenden sein dürfte.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte die klebenden Gedanken aus ihrem Kopf zu entfernen. Sie war egoistisch, dass hatten Elben an sich, doch es ging in diesem Augenblick nicht um ihr Wohlbefinden. Sie hasste Barbaren und auch diesen, doch bereits ihre Kraft verbot ihr etwas sterben zu lassen. Es lag in ihrer Natur etwas vor dem Tod zu bewahren, auch wenn sie auf Pflanzen beschränkt war. Bereits der Name Lebenselbin sollte ihr das klar machen.

Eine abrupte Handbewegung seinerseits riss sie aus ihrem inneren Monolog. Die verbleibende Wärme seines Körpers wich aus ihrer Nähe. Seine Gestalt bewegte sich in Richtung des Kopfes, um dem Gequit die Trense abzuziehen. Sie richtete sich auf und lief zu dem Hinterteil ihres Tieres, die Taschen auf seinem Rücken auspackend, auf der Suche nach dem getrockneten Fleisch, das noch von Birgit und Herbert übrig war. Ein wohliger Geruch stieg ihr entgegen, als sie den Beutel fand und öffnete. Das Fleisch hatte ihr gute Dienste erwiesen. Ihr Körper hatte fast die Anfangsform zurückerlangt und mit den wenigen Beeren, die sie in Büschen noch gefunden hatte, ließen sich passable Speisen anrichten.

Sie schritt auf Tabon zu und hielt ihm den Jutesack hin. Seine Gesichtszüge verkrampften sich angewidert und er drehte sich abwehrend um. Sie griff nach dem Fetzen Stoff an seiner Schulter, ihn festhaltend, um ihm den Beutel unter die Nase zu halten. Mit unbewegtem Gesicht zwang sie ihn den Geruch in sich aufzunehmen. Seine Züge entspannten sich leicht, bevor ihm erneut in den Kopf trat, woran er roch und das Säckchen von sich schleuderte.

„Du wirst das jetzt essen!" Melia hob es vom Boden auf und streckte es ihm erneut entgegen. Ihre sich kurz erholte Geduld schien erneut kurz vor dem Platzen. Dieser Mann war in solchen Maßen egoistisch, dass ihr kein Wort über die Lippen kommen mochte, das seinen erbärmlichen Zustand umschrieb. Wenn er nicht bald etwas von seinem Eigensinn ablegte, würde er sich selbst ins Verderben reiten. Sie starrte ihn ungerührt an.

Tabon jedoch drehte sich um und fing ruhig an seine Felle für die Nacht auszurollen.

„Ich komme auch gut alleine klar!" Seine Stimme zitterte leicht, es würde nicht mehr lange dauern, bis er kraftlos zusammensacken würde. Er aß zu wenig und tat zu viel.

„Kommst du nicht, wie man eindeutig sehen kann. Ich bin nicht deine Mutter, ich werde dir nicht ins Verderben hinterherlaufen. Entweder du lässt mich helfen oder ich gehe und du wirst hier einen einsamen Tod sterben, vielleicht fressen dich zuvor noch die Wölfe auf, gegen die du dich nicht einmal mehr verteidigen kannst. Dieses Fleisch hier." Sie hielt den Sack in die Höhe. „Ist deine einzige Chance, also iss." Sie schrie ihn an, jedoch mit fester gesenkter Stimme. Angespannt beobachtete sie seinen Körper, doch sein Blick schweifte nur uninteressiert an ihr vorbei, als hätte er ihre Worte nicht zur Kenntnis genommen.

„Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Ich brauche dieses Essen nicht." Er stöhnte leicht bei jedem Wort. Melia schüttelte den Kopf. Er war ein Barbar, was erwartete sie von ihm? Er war starrköpfig und setzte ihre Flucht aufs Spiel, weil er es nicht über sich bringen konnte, alles für sein Überleben zu opfern, so wie sie es tat.

„Hör mir zu. Ich werde mich dieser hoch arroganten Schnepfe nicht vor die Füße werfen, nur weil ein gewisser Barbar, der mit mir flieht, es nicht schafft sich selbst zu ernähren." Einen sanften Ton in ihre Stimme legend, versuchte sie ihn mild zu stimmen. Ihre Heilkundelehrerin hatte damals stets gesagt, dass es zwei Möglichkeiten des Überzeugens gab, die weiche und die harte. Leider tendierte Melia durch ihren Charakter schnell zur harten, demnach zum Schreien, zu drastischen Maßnahmen, wie ihm das Hemd aufzuschneiden und ähnliches. Ihr blieb in dieser Situation nur die weiche Möglichkeit, weshalb sie sich wie eine der Kindesgelehrten benahm, mit sanfter Stimme, runden flehenden Augen, dem leichten Gemüt eines kleinen Mädchens und redete ihm gut zu. Nur Geduld, dafür musste sich sich anstrengen.

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