Hochmut macht Übermut (1)

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Erschreckt durch diese Worte und bewahrt sie durch eure Furcht.


Wenn Hoffnung zerreißt,

Pläne versiegen,

Wut wallt

Und Blut fließt.


Dann giert der Feind nach Rache,

Hungert der Feind nach Liebe

Und dürstet der Feind nach Nähe.


Dann reitet er aus,

Um sie zu finden,

Einzusperren

Und zu besitzen.


Und das alles, wenn die Göttin flieht.

                 Nevas Erwachen

                                                       Spätsommer, 3.123 nach dem Erwachen der Götter

Ein Klopfen ertönte, leise, aber bei der Stille im Raum nicht zu überhören.

„Tritt ein!" Firells Stimme hallte durch den Raum. Langsam wurde die dunkle Tür aufgeschoben. Eine wunderschöne Frau mit lackschwarzen Haaren trat ein, einen beigen Brief in der Hand haltend. Firell richtete sich behutsam auf seinem Thron auf. Sein vornehmer Sitz war pechschwarz, trug jedoch den Schimmer von Silber in sich. Feine Ranken aus Silber welkten sich um die Füße und schlossen sich zu einem Meer aus schwarzen Skeletten, die sich aus dem gepolsterten Sitz erhoben. Sein Thron war sein größter Stolz, denn keiner aus dem Reich der Elben besaß etwas annähernd graziles wie das, auf dem er tagtäglich Platz nahm. Firells Augen folgten der Frau. Sie war leicht bekleidet, ein silbernes Kleid aus leichtem Stoff schwing sachte um ihre Beine und schmiegte sich aufs minimalste reduziert um ihren Oberkörper. Nur zwei kleine Rüschen aus Stoff rankten sich zur Befestigung um ihre Arme. Ihre Hackenschuhe pochten auf den Boden, doch Firells Augen waren weiter oben hängen geblieben. Ihre Haare waren in einem filigranen Dutt zusammengefasst. Einzelne gelockte Strähnen fielen ihr über die Augen und auf die Schultern.

Ein Lächeln schlich sich auf Firells Gesicht, als die Dame stehen blieb und sich elegant vor ihm verbeugte. Sie diente ihm bereits seit Jahren und hatte schon viele Bündnisse für Firell geschmiedet, indem sie seine Bündnispartner mit ihrer Schönheit betörte. Und doch hatte er nie die Lust verspürt sich ihrer Schönheit anzunehmen. Es hieß, sie sei noch Jungfrau. Es hieß, sie sei noch ein Kind. Es hieß, dass noch kein Mann sich ihr wahrhaftig genähert hatte. Diese Frau war ebenso von Geheimnissen umrankt wie er. Geheimnisse aus Prägnanz, Bestechung und Präzision. Und doch ließ sie sich nie anmerken, was für eine anziehende Kraft sie auf Männer hatte.

„Herr, ein Brief von König Caphan. Es scheint, als sei es ein wichtiges Unterfangen, denn einer der schnellsten Reiter des Landes brachte ihn zu uns und ein rotes Siegel prangt auf der Rückseite. Daher nahm ich mir heraus sie in ihrer Pause zu stören. Ich bitte dennoch um Entschuldigung." Sie senkte ihren Kopf und wartete auf das Signal Firells, dass sie ihm den Brief reichen durfte. Dieser jedoch ließ sich alle Zeit der Welt, um seinen Arm zu heben und mit den Fingern zu schnipsen, um sie von ihrer Schmach zu erlösen. Es war ihm selbst vollkommen gleichgültig, ob sie seine Ruhe gestört hatte, es war ihm ohne Umschweife zu leise in seinem Thronsaal, doch die Regeln erforderten diese Art von Ablauf, auch wenn er sich in seiner Langeweile nichts sehnlicher gewünscht hatte als einen Gast, der seiner Einsamkeit ein Ende machte.

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