12 ~ Freunde?

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»Hey Lil«, hörte ich eine leise Stimme dicht an meinem Ohr. Ein unverkennbarer Duft hüllte mich ein. Ein Duft, der mich benebelte. Ich schnupperte. Lecker ... Was für ein Duft war das noch?

David.

Etwas benommen blinzelte ich mich wach und sah direkt in graublaue Sturmaugen. Meine Brauen zogen sich zusammen, während ich fieberhaft nachdachte. Was machte David hier? Wo war ich überhaupt? Ich brauchte ein paar Sekunden, um mich zurechtzufinden, bevor mir alles wieder einfiel.

»Oh, sorry. Ich muss wohl eingeschlafen sein«, murmelte ich und richtete mich im Sessel etwas auf.

Neben dem David-Duft war da noch etwas anderes. Ein weiterer köstlicher Geruch lag in der Luft und stieg mir in die Nase. Sofort meldete sich gut hörbar mein leerer Magen, denn ich hatte seit dem Mittagessen nichts mehr gegessen. Peinlich berührt hauchte ich ein weiteres »Sorry«, aber er schmunzelte nur.

»Nein, mir tut es leid, dass ich dich geweckt habe, aber ich dachte mir schon, dass du Hunger haben musst. Du hast ja ganz schön geschuftet heute, und so einiges erlebt.« Er richtete sich wieder auf, blieb aber immer noch genau vor dem Sessel stehen. Erstaunt bemerkte ich, dass er den Tisch gedeckt hatte. Aus seinem Lautsprecher erklang leise irgendein langsamer Song. 

»Ich dachte, mit Pizza kann man nicht viel falsch machen. Ich habe eine vegetarische, eine mit Schinken und eine mit so ziemlich allem. Keine Ahnung, was du magst, also hab ich einfach eine Auswahl mitgebracht. Eine Flasche Wein hätte ich auch, falls du überhaupt Alkohol trinkst. Ansonsten gibt es Wasser oder Saft. Leider hab ich keine Weingläser.« Mit einem Stirnrunzeln unterbrach er seinen Redeschwall. »Okay, ich glaube, so viel am Stück habe ich schon lange nicht mehr geredet. Sorry, wenn ich dich so zutexte.«

»Kein Problem. Das ist mir viel lieber als eisiges Schweigen.«

Er grinste schief und streckte mir seine Hand entgegen. Ich ergriff sie, er zog mich hoch und ich stand direkt vor ihm. Schon wieder. Für eine Sekunde zogen mich seine Augen in ihren Bann, doch bevor sie ihre übliche Magie bei mir bewirken konnten und mein Körper die Chance hatte, auf seine gewohnte Art und Weise zu reagieren, gelang es mir zum Glück, mich loszureißen und zum Tisch zu gehen. David folgte mir und schob meinen Stuhl zurück, damit ich mich setzen konnte.

Wow, er konnte sogar höflich sein. Es gab immer wieder etwas Unerwartetes an ihm zu entdecken.

»Das alles war bestimmt ganz schön teuer, das wäre echt nicht nötig gewesen. Wir hätten auch ein paar Nudeln machen können«, bemerkte ich kopfschüttelnd.

Die Wohnung und ihre Umgebung sahen einfach nicht danach aus, als würden hier Leute mit ausreichend Geld leben. Ich wollte auf keinen Fall, dass David meinetwegen so viele Ausgaben hatte. Andererseits war ich zugegebenermaßen ganz froh, nach diesem langen Tag nicht mehr kochen zu müssen.

»Klar war das nötig. Hey, mach dir keine Gedanken, ich kann mir das schon leisten.« 

Er hatte mir wohl wieder mal angesehen, worüber ich gerade nachgedacht hatte. Hellseherische Fähigkeiten. Oder ich war einfach unglaublich leicht zu durchschauen.

»Danke. Ich hab echt ziemlichen Hunger.« Lächelnd schnappte ich mir ein Stück Schinkenpizza.

David setzte sich mir gegenüber auf einen Stuhl und nahm sich ebenfalls ein Stück, dann griff er nach der Weinflasche und hob fragend die Augenbrauen. Ich nickte. Hin und wieder trank ich ganz gerne ein Schlückchen Alkohol. Bisher hatte ich auch immer gewusst, wann ich aufhören musste. Richtig betrunken war ich noch nie gewesen.

»Wieso eigentlich diese ganzen spanischen Spitznamen?«, fragte ich zwischen zwei Bissen von meiner Pizza. Darüber hatte ich mir am Nachmittag immer wieder Gedanken gemacht.

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