34 ~ Entscheide dich, Schneewittchen!

1.5K 180 532
                                    

Warum musste David ständig mit Gegenfragen antworten? Das war eine raffinierte Taktik, aber diesmal würde ich da nicht mitmachen. Ich wünschte mir, dass er mir klar und deutlich sagte, was er wollte, anstatt immer nur nebulöse Andeutungen zu machen, deshalb zuckte ich lediglich mit den Schultern. Er presste die Lippen zusammen und schluckte sichtbar. 

»Würdest du vielleicht ein paar Schritte mit mir durch den Garten gehen?«, sprach er mit rauer Stimme.

Da ich kein Wort herausbrachte, nickte ich nur. Er stand von seinem Stuhl auf und ging langsam um den Tisch herum auf mich zu. Meine Augen folgten ihm wie in Trance und kurz bevor er mich erreichte, stand ich auf und kam ihm entgegen. Als er endlich ganz nah bei mir war, schlug mir wieder der Duft seines Aftershaves entgegen und ich schloss verzückt die Augen. Dabei fiel mir etwas auf.

Nicht der kleinste Hauch von Zigarettenrauch.

»Du riechst so gut«, flüsterte ich überwältigt und erschrak kurz darauf, als ich merkte, dass ich das gerade laut gedacht hatte. Schon wieder. Völlig verlegen und mit dem Wissen, dass mir die Hitze siedend heiß in die Wangen schoss, öffnete ich gerade noch rechtzeitig die Augen, um Davids kleines Lächeln als Antwort auf meine Bemerkung nicht zu verpassen, bevor es auch schon wieder verschwand. Wenigstens war gleichzeitig die Anspannung aus seinem Gesicht gewichen. 

Er kam mir noch näher und mit der Berührung unserer Hände zuckten kleine, prickelnde Blitze durch meinen ganzen Körper. Meine Knie wurden weich wie Wackelpudding. Hand in Hand gingen wir ein paar Schritte, bis David im Schatten unseres alten Apfelbaumes, der gerade so hübsch blühte, stehen blieb und sich zu mir umdrehte. Er atmete hörbar aus.

»Okay, Lil. Ich weiß, dass du eigentlich auf Tim stehst. Das hast du mir ja oft genug gesagt. Und leider weiß ich auch ganz genau, dass Tim viel besser für dich wäre. Aber ich krieg es einfach nicht hin, mich von dir fernzuhalten. Das mit der Freundschaft wird niemals funktionieren, weil dein Körper auf mich reagiert und meiner auf dich. Ehrlich gesagt glaube ich gar nicht, dass es nur das ist. Weißt du, wenn wir zusammen sind, was wir da fühlen... Bitte denk nicht, dass es immer so ist. So ist es nämlich nicht, das ist etwas Besonderes. Also dachte ich ...« Er unterbrach sich und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, bevor er den Kopf schüttelte und mit heiserer Stimme sagte: »¡Maldita sea! No soy bueno en esto.«

Seine Lippen blieben geöffnet, als wolle er noch etwas sagen, aber er tat es nicht. Stattdessen drehte er den Kopf und starrte auf einen imaginären Punkt irgendwo in der Ferne. Vorsichtig legte ich meine Hand an seine Wange, woraufhin er sich mir wieder zuwandte. Ich sah direkt in seine klaren, grauen Augen.

»Weißt du, ich hatte in meinem Leben schon mal so eine Dreiecksgeschichte. Das kann ich echt nicht nochmal gebrauchen. Du musst dich entscheiden, Schneewittchen. Denn so kann es wirklich nicht weitergehen«, sagte er leise. Dabei wirkte er plötzlich unsicher, fast so, als wolle er die Antwort lieber doch nicht hören.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Er hatte mit allem, was er mir gerade anvertraut hatte, absolut recht, und deshalb würde ich jetzt auch mal etwas riskieren. Ich kratzte meinen ganzen Mut zusammen. 

»Weißt du, Tim ist mir vollkommen egal, weil ...«

Hilfe, das war wirklich schwer!

»Weil was, Lil?« Er beugte sich ein Stück zu mir hinunter, und ich beobachtete fasziniert, wie seine Augen wieder zu funkeln begannen, während sie sich forschend in meine bohrten.

Das war der Moment, in dem ich meine letzten Ängste und Zweifel beiseite legte. Ich würde ehrlich zu ihm sein, denn nichts anderes hatte er verdient. Egal, was er dann daraus machen würde.

Entscheide dich, Schneewittchen! ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt