14 ~ Näher

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Ich keuchte. Sie kamen näher. Immer näher. Einer war widerlicher als der andere. Ich wollte nur noch weg. Ich wollte rennen, so schnell ich konnte.

»Weg hier, weg hier, weg hier!«, dröhnte es in meinem Kopf. Aber meine Beine versagten den Dienst. Es ging nicht. Ich kam keinen Zentimeter voran. Ich war zur Salzsäule erstarrt.

Mein Herz hämmerte wie ein Presslufthammer in meiner Brust und Schweiß rann mir den Körper hinunter, gleichzeitig jagten eiskalte Schauer über meinen Rücken. Mit einem breiten, ekelhaften Grinsen streckte der schmierige Pferdeschwanz-Typ seinen tätowierten Arm nach mir aus. Die beiden anderen scheußlichen Kerle bauten sich neben ihm auf, starrten mich an und grinsten ebenfalls übers ganze Gesicht.

»Und jetzt, Süße, werden wir ein bisschen Spaß miteinander haben.«

Ich schrie. Ich brüllte aus Leibeskräften.

»Lil, was ist passiert?!«, hörte ich ein gedämpftes Rufen, als wären meine Ohren mit Wattebäuschen verstopft. Plötzlich war alles um mich herum taghell erleuchtet. Ich schreckte hoch und blinzelte mehrmals. Mit angstgeweiteten Augen blickte ich mich um und rang um Atem. David stürzte auf mich zu, ließ sich neben mir aufs Bett fallen und zog mich in seine Arme.

»Hey, ganz ruhig. Es ist alles okay. Alles okay, hörst du?« 

Ich zitterte wie Espenlaub, aber seine Nähe und seine warmen Arme, die mich hielten, beruhigten mich nach einer Weile. Als er merkte, dass das Beben meines Körpers nachließ, rückte er ein wenig von mir ab und löste seine Arme von mir. Ich erschauderte, denn ich vermisste sofort das Gefühl der Geborgenheit, das mich gerade noch eingehüllt hatte. Mir wurde augenblicklich kalt. Er hob mit seiner Hand mein Kinn ein wenig an und sah mir lange in die Augen.

»Ein Albtraum?«, fragte er. Seine tiefe Stimme klang weich und mitfühlend. Ich wollte nichts mehr, als mich ihm wieder an den Hals zu werfen, mich an ihn zu kuscheln und von ihm gehalten zu werden. Mit zusammengebissenen Zähnen widerstand ich krampfhaft diesem Drang.

»Ja, ich glaube schon«, hauchte ich schließlich mit schwacher Stimme. »Aber es hat sich so verdammt echt angefühlt.« Ich zitterte immer noch leicht. Meine Augen brannten und füllten sich mit Tränen.

Oh nein. Nicht schon wieder! David musste mich für die weltgrößte Heulsuse halten.

»Kommt mir bekannt vor«, murmelte er, bevor er mich aus schmalen Augen ansah. »Geht's wieder?« Ich nickte, noch immer verzweifelt darum bemüht, meine Tränen wegzublinzeln. »Okay. Soll ich wieder gehen?«

Das war eine wirklich gute Frage. Ich wusste todsicher, dass ich jetzt nicht allein bleiben wollte. Mein Herz schlug immer noch viel zu schnell und ich hatte das untrügliche Gefühl, dass der Albtraum zurückkommen würde, sobald ich allein in diesem fremden Bett wieder einschlief. Genauso sicher wusste ich aber, dass ich nicht mit David in einem Bett liegen sollte. Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass er nur eine schwarze Boxershorts trug. Und sonst nichts.

Ich zog scharf die Luft ein, weil mein Blick an seinem nackten, muskulösen Oberkörper hängen blieb. Gleich darauf entwischte mir auch noch ein leises Seufzen. Mist, wie peinlich! Warum musste auch alles an ihm so wahnsinnig heiß sein? Ganz automatisch wanderten meine Gedanken in eine ... vollkommen unangebrachte Richtung. Wahrscheinlich starrte ich ihn bereits viel zu lange an, denn seine Augen begannen zu funkeln und ein Grinsen huschte über seine Lippen. 

Oh mein Gott, ich durfte ihm wirklich keinerlei sexuelles Interesse signalisieren! Auch wenn das bei dem Anblick direkt vor meiner Nase fast ein Ding der Unmöglichkeit war.

Mein Blick glitt beschämt nach unten, dabei bemerkte ich einen großen Bluterguss, der sich auf der linken Seite seines Oberkörpers in Rippenhöhe gebildet hatte und bis dahin von seinem Arm verdeckt worden war. Der kam sicher von den Tritten, die ihm die ekelhaften Typen verpasst hatten, als er sich für mich geprügelt hatte. Ich konnte meine Augen davon erst wieder losreißen, als ich seine Stimme hörte und mich dazu zwang, in sein Gesicht zu schauen.

Entscheide dich, Schneewittchen! ✓Where stories live. Discover now