Kapitel 27 - Die Vision der Zukunft

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Es wollte mir zwar keiner glauben, aber heimlich liebte ich Hochzeiten so sehr wie eine gelungene Nierentransplantation.
Die Blumen, die Musik, alles war sauber und ordentlich und wunderschön. Die Farben waren aufeinander abgestimmt, das Essen war von den besten Köchen in Konoha zubereitet und mein Kleid war einfach nur fantastisch. Erst hatte ich bedenken gehabt, dass die pinke Farbe sich mit meinen rosa Haaren beißen könnte, doch angezogen hatte es mich fast aus den Socken gehauen.
Hinata hatte während des traditionellen Zeremonie-Teils so wunderschön ausgesehen wie eine echte Königin in ihrem weiß-violetten Kleid und den hochgesteckten Haaren.
Hanabi, ihre jüngere Schwester, war Trauzeugin gewesen und hatte ihr bei so vielen Vorbereitungen geholfen, wie sie nur konnte. Den Rest hatten wir vier Brautjungfern übernommen.
Es war mit Abstand der schönste Tag des Jahres, die Sonne hatte hoch am Himmel gestanden, es hatte sich nur hier und da eine Wolke blicken lassen, und das Frühlingswetter hatte von den Temperaturen her zum Glück auch mitgespielt.
Selbst Sasuke war nicht zu übersehen. Als Narutos Trauzeuge war auch er ein viel beschäftigter Mann, was mir sehr gut passte, da ich ihm so ziemlich gut aus den Weg gehen konnte.
Die eigentliche Feier hielten Hinata und Naruto schließlich in einem wunderschönen Saal ab, den wir Tage zuvor mit Kirschblüten und Rosen geschmückt hatten. Wir hatten uns wirklich selbstübertroffen.
Hinata hatte sich inzwischen ein etwas schlichteres Kleid angezogen, um besser tanzen zu können und sie und Naruto konnten sich den ganzen Abend nicht mehr aus den Augen lassen. Sie genossen die Zweisamkeit ihres ersten Tanzes, bevor Hinatas Vater übernahm und Naruto ihre Mutter aufforderte. Auch Ino und Sai gesellten sich schnell zu ihnen, dicht gefolgt von Tenten und Neji. Temari blieb bei mir sitzen, wir unterhielten uns stundenlang über ihre Weltreise und was sie alles gesehen und erlebt hatte. Ich bewunderte sie wirklich für ihren Mut, sich ihren größten Lebenswunsch zu erfüllen und zu reisen. Mit einem Lächeln hörte ich mir Geschichten von allen Kontinenten an und behielt noch ein kleines Detail für mich.
Neji und Sasuke hatten sogar für Unterhaltung in Form eines Quizzes gesorgt. An diesem einen Abend hatte ich mehr über Hinata und Narutos Leben gelernt als in den letzten fast zehn Jahren.
Wir lachten den ganzen Abend lang, sangen, tanzten zu fünft bis Temari die Füße zu weh taten und hatten einen Spaß wie lange nicht mehr.
Ich wechselte nicht ein einziges Wort mit Sasuke, doch je später es wurde und je mehr Gäste den Heimweg antraten, desto schwieriger wurde es, sich aus dem Weg zu gehen.
Um vier Uhr morgens hatten wir dann das gröbste Chaos beseitigt und auch die letzten Familienmitglieder gingen nach Hause, Hanabi bleib noch bis zuletzt.
Schließlich sah Hinata in die kleine Runde, die noch anwesend war und kämpfte schon wieder gegen die Tränen. "Ich will nicht das der Tag endet. Bin ich verrückt? Bin ich verrückt oder wollt ihr es auch nicht?"
Wir lachten und stimmten zu. Ich hatte gar nicht gemerkt, wieviel Alkohol überhaupt geflossen war bis auch Ino sich zu Wort meldete. Es war nicht so, dass wir alle über die Maßen betrunken waren, ich trank sowieso nicht und Temari erst recht nicht, doch Ino wurde nur noch quirliger. "Wir sollten uns alle um einen Tisch versammeln und Mittag essen. So wie in der Schule damals."
"Ino, es ist vier Uhr morgens. Wir haben hier kein Mittagessen.", versuchte ich zu erklären, was mir erst einen empörten Blick ihrerseits einhandelte, doch dann dämmerte es ihr langsam sichtlich, dass ich recht hatte.
Naruto winkte ab und war schon halb am Ausgang. "Ist doch völlig egal was wir essen, ich sage wir suchen uns ein Restaurant das noch auf hat und sehen uns den Sonnenaufgang an."
Das letzte mal, dass wir das getan hatten war tatsächlich auf dem Internat gewesen. Damals, nach der Abschlussfeier hatten wir auch die ganze Nacht gefeiert und uns später auf den Sportplatz ins Gras gelegt. Bei der Erinnerung wurde mir warm ums Herz und auch die anderen sahen so aus, als hätten sie schöne Erinnerung an diesen Tag.
"Naruto Uzumaki, du bist wahrlich ein echtes Genie.", sagte Shikamaru und klopfte Naruto auf die Schulter.

Wir fanden uns schließlich in einem kleinen Imbiss wieder und bestellten Pizza, Pasta und was auch immer die anderen noch so auf der Karte fanden.
Nachdem wir im kleinen Konoha Park um die Ecke gegessen hatten, beschlossen wir einen Spaziergang zum Internat zu machen. Es war nicht so weit entfernt, dass man es nicht nach einem schönen Fußmarsch erreichen konnte, doch es wurde schnell klar, dass wir lieber aufgeben sollten. Mit High Heels, Satin-Kleidern und der furchtbaren Frühlingskälte waren wir wirklich nicht gut beraten allzu lange Wanderungen zu machen.
Wir beschlossen, noch so lange weiterzulaufen wie unsere Füße uns tragen konnten und uns dann irgendwo ins Gras zu setzen bis wir fast einschliefen.
Ich mochte die Atmosphäre, die sich zwischen uns bildete. Es war ausgelassen und Naruto lachte so laut, dass die Vögel hochschreckten.
Ich hatte lange nichts mehr gesagt, sondern einfach nur meinen Freunden beim glücklich sein zugeschaut, als mich plötzlich ein Ellenbogen in die Seite stieß. Ich sah fragend hoch zu Neji, der mich mit einem Lächeln ansah, dass ich noch nicht ganz deuten konnte.
"So still heute Nacht, Haruno?", fragte er und sah wieder geradeaus.
Ich folgte seinem Blick und sah wie Hinata und Temari gerade Inos Frisur fixierten, während sie sich nicht mehr einkriegten vor lachen. "Ich genieße nur, dass wir alle zusammen sind."
"Kann ich verstehen.", sagte er und schnaubte bei dem Anblick, der sich uns bot. "Wusstest du, dass du Sasuke schon den ganzen Tag aus dem Weg gehst?"
Wenn ich nicht schon in der Bewegung gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich vor Verblüffung stehen geblieben. Dieser... wie hatte er mich nur so eiskalt erwischen können?
Neji senkte den Blick wieder zu mir runter, doch ich vorzog keine Miene. Eher sollte mich der Teufel hohlen, als dass ich ihm die Genugtuung der kleinsten Reaktion gab.
"Ich wusste nicht mal wirklich, dass er noch hier ist." Aus meiner Stimme war nicht zu hören, dass ich mir dem sogar sehr bewusst war. Sasuke trug einen schwarzen drei Teiler Anzug, die Haare aus dem Gesicht gekämmt, doch nicht so streng, dass es verkrampft aussah. Er wusste, wie er sich anzuziehen hatte. Und ich hatte ihn schon den ganzen Tag beobachtet, wenn er gerade beschäftigt war. Mir ging einfach der Kuss nicht mehr aus dem Kopf. Jedes Mal wenn ich lächeln sah, musste ich daran denken wie seine Lippen auf meinen gelegen hatten. Es war grausam und schlimm und am liebsten hätte ich mich selbst angeschrien. So durfte ich nicht denken, dafür hatte ich weder die Zeit noch die Kraft.
"Dann frage ich mich, welche andere Person mit rosa Haaren ihn schon seit heute Mittag anschmachtet." Nejis Stimme triefte vor Sarkasmus.
Schmachten? Also ich tue ja vieles, aber ich würde niemals schmachten, dachte ich und sah starr weiter geradeaus. "Ich schmachte nicht.", war meine monotone Antwort. Sollte er doch daraus lesen was er wollte.
Für eine Weile schwieg Neji und ich hatte schon Hoffnung, dass dieses Thema ihm zu langweilig geworden war, doch da hatte ich mich geschnitten.
"Er schon."
Diesmal blieb ich wirklich stehen. Warum erzählte er mir das alles? Warum redete er schon seit geschlagenen fünf Minuten um den heißen Brei, wenn er doch so genau wusste, was er sagen wollte?
"Okay, du hast es geschafft.", sagte ich schließlich und sah genervt zu ihm hoch. Ich hasste es, dass er doch eine Reaktion aus mir heraus gekitzelt hatte. "Was genau willst du mir sagen, Neji?"
Ein teuflisches kleines Grinsen tauchte auf seinem Gesicht auf und ich war froh, dass Tenten es anscheinend auch gesehen hatte und näher an uns herantrat. Ich ahnte schon, worauf das alles hier hinauslaufen könnte. "Weißt du noch unsere Wette?"
"Hey, heute ist Hinatas Hochzeitstag", meldet sich Tenten mit strengem Blick, "sei nicht zu gemein."
"Hatte ich nicht vor, versprochen." Neji zwinkerte ihr zu und wand sich dann wieder an mich. "Das einzige, was ich von dir verlange ist, dass du deinen Kopf ausschaltest. Sei glücklich. Hör auf darüber nachzudenken. Den ganzen Tag schon kann ich die Rädchen in deinem Kopf rattern hören, weil du einfach nicht aufhören kannst dir alles kaputtzudenken."
Mir stand der Mund offen. Ich wusste ja, dass Neji sehr direkt sein konnte, doch dass ich meine Gedanken so offensichtlich nicht unter Kontrolle hatte, verschlug mir wirklich die Sprache. Bevor ich noch etwas drauf antworten konnte, hatten Tenten und Neji sich schon wieder in Bewegung gesetzt und schlossen langsam zu den anderen auf, die irgendwann bemerkt hatten, dass wir stehengeblieben waren.
"Komm, Sakura!", rief Ino und wank mich zu sich.
Es war kein allzu großer Abstand zwischen uns doch ich lief lang genug, um mir Nejis Rat durch den Kopf gehen zu lassen, mich zu ermahnen nicht zu viel zu denken und einen Entschluss zu fassen.
Kurz bevor ich meine Freunde erreichte, blieb ich vor ihnen stehen und holte tief Luft. Sie merkten wohl, dass ich etwas verkünden wollte, denn sie drehten sich alle zu mir und warteten ab.
Ich fasste mir ein Herz. "Man hat mich gefragt, ob ich in Afrika ein Team von Sanitätern und Ärzten leiten will. Es wäre erstmal nur für ein paar Wochen, aber ich hab vor", mein Blick wanderte zu Neji, "zuzusagen."
Ino hatte von dem Angebot gewusst, weil sie ein ähnliches bekommen hatte, doch die anderen waren so perplex, dass sie erstmal nichts sagten.
Ich schluckte. Ich wusste nicht, ob sie sauer oder einfach nur überrascht oder vielleicht sogar froh für mich waren, doch dann fing Shikamaru aus dem nichts an lauthals zu lachen. "Oh, man, Sakura. Du bist die undurchschaubarste Person, die mir jemals untergekommen ist."
Ich schnaubte vorsichtig, nicht sicher ob das etwas gutes war, doch dann packte er meine Schultern und sagte: "Wehe du gehst nicht!"

Es war fast sechs als wir uns langsam auflösten. Shikamaru musste Temari fast zum Taxi tragen und Ino lief Barfuß, da irgendwann einer ihrer Absätze abgebrochen war. Ich wollte gar nicht wissen was die berufstätigen Autofahrer dachten, die an uns vorbeifuhren. Wir sahen wahrscheinlich wirklich wieder wie Highschool Schüler aus, die zu lang die unergründlichen Schönheiten des Lebens gefeiert hatten.
Mein Herz schmerzte ein wenig als ich den anderen hinterher winkte, um auf mein eigenes Taxi zu warten. Ich genoss die Stille, die sich um mich breitmacht, doch ich würde auch Narutos Überschwänglichkeit und Tentens Begeisterung vermissen, wenn ich erstmal in Afrika war.
"Afrika, was?", erklang es neben mir. Wenn ich die Stimme nicht gekannt hätte, wäre ich sicher vor Schreck zusammengezuckt.
"Ja, das Angebot kam erst vor ein paar Tagen.", antwortete ich. Ich räusperte mich und suchte meine nächsten Worte weise aus. "Es ist ein großartige Gelegenheit mal hier rauszukommen."
Sasuke nickte neben mir und schob seine Hände in die Hosentaschen. "Stimmt, ist vielleicht ganz gut mal etwas Abstand zu Konoha zu bekommen."
Ich nickte ebenfalls und sah auf meine Schuhe. Es gab auf der Welt nichts schwierigeres als mit Sasuke Uchiha Smalltalk zu führen. Ich überlegte und überlegte, was ich noch sagen könnte, doch da kamen mir wieder Nejis Worte in den Sinn. Es könnte so einfach sein, er hatte recht.
Ich drehte mich vollständig zu Sasuke und sah mit entschlossenem Blick zu ihm hoch. "Weißt du was? Komm doch mit."
Jetzt war es an ihm mich sprachlos und überwältigt anzusehen. "Was, nach Afrika? Jetzt sofort?", fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern, etwas Spontanität hatte ihn doch nie abgeschreckt. "In einer Woche geht mein Flieger. Ich könnte dich dort zum Sanitäter ausbilden, oder du hilfst bei den Bauprojekten." Je länger ich darüber nachdachte, desto besser klang die Idee. Mir vielen Tausend Dinge ein, die ich ihm beibringen und zeigen wollte. Ich sah ihn auf einem in meiner Zukunft. Er war dort, neben mir, an meiner Seite. Er war einfach da und wir waren glücklich und frei. Und ganz plötzlich wollte ich diese Zukunft so sehr, dass ich ihn mit allen Mitteln überreden würde, wenn es sein müsste.
"Meinst du nicht, das ist etwas kurz-" Ich ließ Sasuke gar nicht erst aussprechen, sondern tat das, was ich schon die ganze Zeit hatte tun wollen.
Ich küsste ihn tief und innig und raubte ihm den Atem. Seine Hände glitten sofort aus den Hosentaschen zu meiner Hüfte und er zogen mich eng an sich. Mir wurde so heiß, dass ich den kühlen Luftzug um uns sogar genießen konnte und meine Hände krallten sich immer tiefer in seinen Kragen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit legten er seine Stirn an meine und wir schnappten beide sehnsüchtig nach Luft.
Ich neigte meinen Kopf etwas nach hinten, um ihm in die Augen sehen zu können und lächelte. "Komm mit mir. Keine Gangs mehr, keine zwielichtigen Partner, und hoffentlich keine Schussverletzung. Die sind noch da draußen und wie können wir jemals richtig frei sein, wenn uns jemand mit der Pistole im Nacken sitzt?"
Sasuke schloss die Augen und schnaubte. Er versuchte es zu unterdrücken, doch ich erkannte das Grinsen auf seinen Lippen. Mein Lächeln wurde breiter, weil ich genau wusste, was das hieß.
"Grinst du etwa gerade, Sasuke Uchiha?", fragte ich spielerisch. Soviel zum Thema: Ich grinse nie.
"Ich hab mich nur gerade gefragt, ob es auch Geräteräume in Afrika gibt." Seine Stimme war weich und dunkel vor Sehsucht.
"Ich rede davon, Leben zu retten und du willst mich nur in die nächste dunkle Ecke ziehen? Warum kommt mir das so bekannt vor?", flüsterte ich gegen seine Lippen und küsste ihn erneut und erneut und erneut.
Sasuke löste sich irgendwann von mir, um mich von oben bis unten zu mustern. Ich kannte den Ausdruck in seinen Augen. Den gleichen hatte ich vorhin auch gehabt.
"Ich wollte schon immer mal nach Afrika.", sagte er schließlich mit der Vision unserer gemeinsamen Zukunft im Kopf.

Swot! II - Die Ruhe vor dem Sturm Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt