40. Ein letzter Abschied

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Auch nachdem die vier Lichter es aus dem Labyrinth geschafft hatten, verließ ich das Labor nicht. Ich machte eine minimalistische Toilettenpause und war dann sofort wieder auf meinem Platz, als Gally Anna gerade an sich drückte. Ohne, dass sie von mir wussten, durchlebte ich all diese schlaflosen Stunden, die noch folgten, mit Anna und den Jungen.
Ich wusste, was heute passieren würde. Teresa würde mit der Box hochgeschickt, lange konnte es nicht mehr dauern. Als die Lichter sich gerade auf den Weg zur Versammlungshütte machten, in der Gally einen Rat einberufen hatte, betrat zu meiner Überraschung Paige den Raum. Verwirrt blickte ich sie an, war aber sofort auf den Beinen.
"Miss Paige! Was machen Sie denn hier?", fragte ich und versuchte meine Haare irgendwie so zu richten, dass es nicht so aussah, als habe ich die Nacht hier verbracht.
"Francesca, meine Liebe. Man sieht dir an, welch harte Zeiten wir gerade durchmachen. Ich habe es schon gehört, Thomas und das Mädchen haben die Nacht im Labyrinth überlebt. Das sind große, große Fortschritte. Lange wird es nicht mehr dauern, bis wir diese Experimente abschließen können. Dann wird die Spreu vom Weizen getrennt sein."
Wie sie das sagte, mit ihrer ruhigen, freundlichen Stimme, lief es mir kalt den Rücken herunter. Ich nickte nur, darauf wartend, was sie von mir wollte.
"Du weißt, welcher Tag heute ist. Deine Freundin Teresa hat die Gedächtniskammer bereits mehrfach hinter sich und wird in diesem Moment in die Box gebracht, bereit für ihre Fahrt nach oben. Allerdings gibt es noch etwas, was erledigt werden muss, etwas, was wir tun müssen, eine Nachricht, die wir ihr mit auf den Weg geben wollen. Ich hatte gedacht, dass es niemanden gibt, dem es mehr zustehen könnte, ihrer Freundin eine letzte Nachricht zu schreiben. Begleitest du mich, meine Liebe?"
Ich nickte verwirrt, warf noch einen Blick auf den Bildschirm, auf dem Gally gerade im Versammlungsraum zu allen Lichtern sprach und auf Thomas zeigte, und folgte der Frau in weiß dann aus Überwachungslabor 1.
Wir legten den gleichen Weg zurück, den ich damals mit Teresa gegangen war, vor über drei Jahren, als sie Anna eine Nachricht mit auf den Weg gegeben hatte. Heute war es soweit und sie selbst würde eine Nachricht zugesteckt bekommen, würde in nur wenigen Minuten auf der Lichtung aufwachen.
Wir erreichten den Raum mit der Box, in der dieses Mal nichts weiter lag, als der regungslose Körper meiner besten Freundin. Ihre Kleidung und Haare waren noch nass von der Gedächtniskammer und sie sah in dem viel zu großen Leinenhemd, das sie über einem bläulichen Shirt trug, von dem ich nur etwas vom Kragen sehen konnte, und der etwas zu großen dunklen Jeans sowie den ausgeblichenen Turnschuhen völlig anders aus, als normalerweise. Hier bei WICKED hatte sie immer schicke Kleidung getragen, die sie hatte älter aussehen lassen, als sie es wirklich war, die sie hatte strahlen lassen, aber jetzt wirkte sie blass und eingefallen, als habe sie in den letzten Tagen viel durchmachen müssen.
Ich schluckte den Kloß im Hals herunter, der sich bei ihrem Anblick dort gebildet hatte, und ließ mir von Paige einen Zettel sowie einen Stift reichen, bevor ich mich zu einem kleinen Tischchen wandte, um die verlangte Nachricht zu schreiben - und somit die erste, die von WICKED und nicht von jemandem kam, der den Lichtern helfen wollte.
Die Ärztin diktierte mir, was ich schreiben sollte.
Sie ist die Letzte, schrieb ich groß auf den Zettel. Für immer.
Ein kalter Schauer lief mir abermals den Rücken herunter, aber ich sagte nichts, tat wie mir geheißen. Nachdem ich fertig war, faltete ich den Zettel zwei Mal und ging dann neben dem bewusstlosen Mädchen in die Hocke und schob ihr den Zettel in die rechte Hand, auf deren Seite sie lag. Dann strich ich ihre einmal vorsichtig über den linken Oberarm.
"Mach's gut, Teresa", flüsterte ich und spürte, wie der Kloß in meinem Hals wieder größer wurde und mir die Tränen in die Augen stiegen. "Viel Glück."
Dann trat ich von der Box zurück, deren Wände im nächsten Moment, nachdem Paige das Okay gegeben hatte, hochfuhren und die sich dann wie ein Fahrstuhl nach oben zu bewegen begann, hinauf in den Schacht, der direkt zur Lichtung führte.
Die Frau neben mir legte mir eine Hand auf die Schulter, während wir dabei zusahen, wie Teresa in dem sperrlich beleuchteten Schacht verschwand. Und mit ihr meine letzte Freundin hier.

Ich war pünktlich zurück, um mitzubekommen, wie Newt die Nachricht vorlas, die ich soeben noch geschrieben hatte. Es war schier unglaublich, dass der Junge den Zettel in der Hand hielt, den ich vor wenigen Minuten in Teresas Hand gesteckt hatte.
Aus irgendeinem Grund, was auch immer sie ihr anderes gegeben hatten als den anderen vor ihr, wurde Teresa nur für einen kurzen Moment wach, in dem sie nicht mehr tat, als Thomas' Namen hervorzustoßen, was nicht nur die Lichter um den Jungen herum sehr überraschte, bevor es sie misstrauischer werden ließ denn, sogar Newt.
Wie konnte es sein, dass sie sich so schnell an einen Namen erinnerte? War der Grund die innige Bindung der beiden? Oder hatte man dafür gesorgt, dass sie Gedächtnisblockade bei ihr anders wirkte? Eins war in jedem Fall klar: Ich erhielt keinen Zugriff auf ihre Werte, auch nicht in den nächsten Tagen.
Erst einmal war sie aber sowieso bewusstlos, wurde in die Sanihütte gebracht und dort von Clint und Jeff untersucht. Gally und Newt entschieden gemeinsam mit den anderen Lichtern, dass Thomas vom kommenden Tag an ein Läufer sein würde, was auf mehr Zustimmung als Widerstand traf, auch wenn ersterer damit alles andere als glücklich war. Zumindest Anna und Minho schienen mehr als nur einverstanden damit zu sein und so brach der kleine Chuck in großes Gejubel aus, als es beschlossen war: Nachdem er die Nacht im Bau verbracht hatte, sollte mein Freund offiziell ein Läufer sein.
Natürlich musste er sich vorher noch einmal den Regeln der Lichter widersetzen, indem er gemeinsam mit Minho, Anna, Fry Pan, dem Koch, Zart, dem Hüter der Hackenhauer und Winston, dem Hüter der Schlitzer in das Labyrinth hinaus lief, um die Grieverleiche, die meine Wände gestern Nacht zerquetscht hatte, zu untersuchen. Und tatsächlich fanden sie etwas und kamen somit der Lösung des Labyrinth ein ganzes Stück näher. Das Herzstück der Maschine, die dem Monster den Zugang zu seinem Nest gewährt hatte.
Doch für diesen Tag genügte dies, auch für mich - zumindest dachte ich das. Völlig neben mir stehend schrieb ich meinen Bericht so kurz und knapp wie möglich, beobachtete nebenbei, wie Gally ein weiteres Mal ausrastete, als er erfuhr, dass sie im Labyrinth gewesen waren und aus der Versammlungshütte stürmte, gefolgt von Anna und Fry Pan. Ich hoffte, den Tag nun schnell herumzukriegen und pünktlich in mein Bett fallen zu können, denn ich konnte die Augen kaum noch offen halten, als ich überrascht zusah, wie Teresa plötzlich putzmunter von ihrer Liege sprang, Jeff zur Seite schubste und an dem perplexen Clint vorbei rannte, auf der Suche nach einem Ausweg und ganz offensichtlich in Panik. Als sie dann kurz vor dem Aussichtsturm auf Anna stieß und diese zu Boden stieß, war für mich an Schlaf nicht mehr zu denken. Sie waren aufeinander getroffen, Teresa war bei Bewusstsein, die letzte Instanz erwacht.
Jetzt ging es erst richtig los.

Behind The WICKED Truth | A Maze Runner NovellaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt