Kapitel 44: Chance verspielt

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   Die nächsten Wochen laufen gut – sehr gut sogar. Meinem Vater gehe ich zwar noch aus dem Weg, aber mein Verhältnis mit meiner Mutter hat sich stark verbessert. Mittlerweile erzähle ich ihr hin und wieder mal von Dingen aus meinem Leben – wie zum Beispiel von Chloe. Sie hat sich ehrlich für mich gefreut und mir gesagt, dass ich es nach all den Jahren mehr als nur verdient haben würde, glücklich zu werden.

Das hat mir ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert und seit dem reden wir noch viel öfter. Sie erzählt auch, dass es gut mit ihrem Therapeuten läuft – dass es immer weiter bergauf geht. Vor ein paar Tagen hat sie sogar mit mir zusammen gelacht, was mich von ganzem Herzen gefreut hat. Das ist es gewesen, was ich schon immer seit dem Unfall von vor drei Jahren gewollt habe. Ich wollte meine Familie wieder glücklich sehen und es scheint mir nach und nach tatsächlich vergönnt zu sein.

Noch dazu läuft meine Beziehung mit Chloe bombastisch. Wir hängen beinahe jeden Tag aufeinander und auch wenn wir öfters mal was mit der Gruppe – das schließt Angela, Noel, Viktoria, sie und mich ein – unternehmen, haben wir es uns nie nehmen lassen, hinterher die Nacht zu zweit alleine beieinander zu verbringen.

Ehrlich, es könnte weder mit Chloe noch mit Angela besser laufen, mit Viktoria scheine ich wieder an dem Punkt unserer alten Beziehung angeknüpft zu haben und mit Noel verstehe ich mich auch erstaunlich gut, weil wir uns in vielen Punkten oft einig sind.

Das einzige Problem, das uns noch im Weg steht, ist die Schule, in der ich nach wie vor diese Facette aufsetze. Ich kann sie noch nicht ablegen – dazu bin ich es zu sehr gewohnt, sie in dieser Umgebung unter vielen Fremden aufzubehalten. Das sorgt oftmals für Funkstille zwischen Chloe und mir innerhalb der Schule, doch meine Freundin hat Nachsicht mit mir. Sie weiß, dass ich meine Gründe dafür habe, und überlässt ganz allein mir die Entscheidung, was ich für alle offiziell machen möchte und inwiefern ich es wage, mich nach und nach vor allen zu öffnen – immer öfter ein Stück mehr meines wahren Ichs zu offenbaren. In diesen Prozess mischt sie sich nicht ein. Sie will mir die Freiheit geben, mich frei zu entscheiden, ohne dass ich das Gefühl haben muss, unter Druck zu stehen – was nicht bedeutet, dass sie mich nicht unterstützen würde, egal, wie ich mich entscheide.

Fürs Erste aber halten wir unsere Beziehung noch geheim. Aus diesem Grund hat meine allerbeste Freundin mindestens genauso viel Nachsicht mit mir, denn es läuft momentan für sie auch fantastisch mit ihrem Mister Hottie, aber sie sieht davon ab, ihn mit auf unsere vielen Treffen zu schleppen, weil ich ihn persönlich kenne und er noch dazu auf unsere Schule geht – weil ich mich noch nicht getraut habe, vor ihm auszupacken und ehrlich zu sein. Dabei geht es nicht darum, ihm von meiner Vergangenheit zu erzählen, sondern einfach darum, diese falsche Maske nicht mehr aufsetzen zu müssen.

Nachdem wir letzte Woche schon auf dem Weihnachtsmarkt gewesen sind und die Woche davor im Schwimmbad und nochmal die Woche davor auf der Kirmes bei Angela im Ort, haben wir uns dieses Mal dazu entschieden, ins Kino zu gehen und ich habe Viktoria mit einem breiten Grinsen gesagt, dass sie John für heute gerne mitnehmen kann, weil er praktisch ihr Fast-Freund ist. Früher oder später muss ich mich dann sowieso der Tatsache stellen, dass er davon erfahren muss, damit ich meine allerbeste Freundin nicht ständig vor die Wahl stellen muss – und ich weiß, dass sie sich immer für mich entscheiden würde, auch wenn sie John laut ihren eigenen Aussagen ›sehr, sehr gern‹ hat.

So ist das nun einmal unter besten Freundinnen: Sister before Mister.

Und Viktoria ist mir kreischend um den Hals gefallen, als sie von meinem Entschluss gehört hat, was mich nur nochmal in meinen guten Entscheidungskünsten bestätigt und mich innerlich gefreut hat. Ich werde mich bemühen, mich nach und nach den wichtigsten Personen in meinem Leben zu öffnen und ihnen gegenüber ehrlich zu sein. Mister Hottie wird dann eben der Erste sein, mit dem ich weniger Kontakt habe, der aber trotzdem mein wahres Ich zu Gesicht bekommen wird.

When Hate Turns Into LoveWhere stories live. Discover now