8. Kapitel - Ash

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Ash Lesharo

Ich war schon wieder im Lehrerzimmer, als Violet die Schlüssel abgegeben hat. Harald, der Direktor dieser Schule, hat mir einen Raum für die Nachhilfe morgen zur Verfügung gestellt und mich gefragt, wie es läuft. Dann haben wir noch ein bisschen über meine Eltern gesprochen, weil sie sich wohl schon eine Weile nicht mehr getroffen haben. Viel mehr war es nicht, trotzdem bin ich erst kurz vor Ende der Pause wieder an meinem Schreibtisch gewesen. Ich frage mich seitdem, warum sie so still war und meinem fragenden Blick ausgewichen ist. Warum sie überhaupt so lange gebraucht hat. Selbst, wenn sie sich ein bisschen Zeit gelassen hat oder sich mit einer Freundin verquatscht hat, hätte sie früher als ich im Lehrerzimmer sein müssen.

>Was ist?<, will Kelly wissen, dreht ihren Stuhl so, dass sie mir gegenüber sitzt und mustert mich. >Ist dein Kopf schon im Feierabendmodus?<

>Ich weiß nicht<, gebe ich zu, denn es ist ungewöhnlich, dass mich so etwas beschäftigt. Tatsächlich habe ich nicht mehr viel zu tun, ich kann in einer halben Stunde gehen, aber noch wartet Arbeit auf mich. Und dazu gehört es nicht, über das Verhalten einer einzelnen Schülerin zu grübeln.

>Willst du einen Kaffee? Ich gehe mir gleich noch einen holen.< Kopfschüttelnd deute ich auf meine Tasse, in welcher mein Tee gerade zieht. Nach meiner letzten Stunde als Vertretung im elften Jahrgang habe ich etwas zum Beruhigen meiner Nerven gebraucht. Die zwölften Klassen sind schon deutlich ruhiger, weshalb ich sehr froh bin, dass ich nur dort als fester Lehrer eingeteilt bin.

>Danke, aber ich habe noch.<

Sie lächelt, will etwas sagen, doch ihr Blick richtet sich auf jemanden hinter mir, lenkt sie ab.

>Herr Lesharo?< Überrascht drehe ich mich zu Violet um, welche eigentlich schon aus hat, weshalb ich nicht erwartet habe, sie heute noch einmal zu sehen. Und es gibt auch nichts zu besprechen, denke ich, schließlich hat sie mir die Schlüssel schon gegeben. >Kann ich kurz mit Ihnen reden?<, will sie wissen, spricht leise und offenbar stört es sie, dass Kelly uns genau beobachtet. Womit sie nicht allein ist, denn auch mir ist Kelly heute wieder viel zu neugierig. Allgemein steckt diese Frau ihre Nase sehr gern in die Angelegenheiten anderer, obwohl ich sie nicht unbedingt unhöflich nennen würde. Sie ist einfach so und das hat mit Sicherheit auch seine guten Seiten. Obwohl Zurückhaltung deswegen leider keine ihrer Stärken ist.

>Natürlich<, versichere ich ihr, stehe auf und deute auf die alte Couch, etwas abseits der Schreibtische, wo wir ungestört reden können. Kellys Blick folgt uns, das spüre ich deutlich. >Also, was gibt es?< Sie wirkt irgendwie nervös, sieht überall hin, nur nicht zu mir. Ihre Finger bewegen sich unaufhörlich, spielen mit dem Saum ihres blauen Shirts. Sie setzt sich auch nur zögerlich und mit viel Abstand zu mir auf die Couch. Deutlich mehr, als nötig wäre.

>Ich komme morgen später, wegen einem Arzttermin. Ich möchte aber nicht, dass das jemand weiß<, erklärt sie zögernd und sehr leise, sieht wieder weg, fährt sich durch die dunkelblonden Haare. Für diese Erklärung hat sie es zumindest geschafft mir ins Gesicht zu sehen, aber keine Sekunde länger.

>Ich brauche eine Bestätigung von deinem Arzt, wenn ich dir keine unentschuldigten Fehlstunden eintragen soll.< Das ist eine Tatsache, welche sie kennen sollte, trotzdem wirkt sie unzufrieden. Das macht mich durchaus ein wenig neugierig, doch es geht mich nichts an.

>Kann ich Ihnen die dann in der Pause geben?< Ich weiß nicht was ihr Problem ist, aber wenn sie mir eine Bestätigung vorlegt, spielt es keine Rolle, wann sie mir den Zettel gibt. Das gilt für jeden hier und das hat sich auch in den letzten Jahren nicht geändert, trotzdem scheint sie verunsichert zu sein.

Zu 0,05% schwangerDonde viven las historias. Descúbrelo ahora