47. Kapitel - Violet

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Violet Elaine Craig

Er hat mich doch tatsächlich zum Nachsitzen verdonnert, aber das ist schon in Ordnung. Ich habe schließlich die ganze Stunde verpasst, außerdem will ich sowieso mit ihm reden. Natürlich ohne Penny, die sogar sauer auf mich ist, weil ich beim Nachsitzen allein mit ihm bin, obwohl sie gar nicht weiß, dass ich in dieser Zeit keine Strafarbeiten machen muss. Sie hat keine Ahnung und das lässt mich schmunzeln.

>Die Kurzarbeit füllt sich nicht von allein aus<, kommentiert Ash mein Verhalten und ich versuche mich auch darauf zu konzentrieren, aber ich habe nur noch eine Aufgabe vor mir und die ist ganz leicht.

>Leider.< Er wollte mir die Ex in der Pause geben, aber ich habe beim Telefonieren das Schulgebäude verlassen und war noch auf dem Rückweg, deshalb hätte die Zeit nicht ausgereicht. Darum sitze ich jetzt hier, schreibe sie nach, aber er ist ganz der Lehrer, lässt mir nichts durchgehen und ich habe auch dasselbe Zeitlimit. >So, fertig.< Er bekommt das Blatt zurück, dann überlege ich schon, wie ich das Thema ansprechen soll.

>Mein Nachhilfeunterricht scheint Früchte zu tragen<, kommentiert er meine Ex und das freut mich. Es liegt tatsächlich auch an seinen Notizen, aber mit Tristan habe ich Gestern noch vier volle Stunden lang gelernt und das hat ebenfalls viel dazu beigetragen.

>Können wir reden?< Automatisch sieht er zur Tür, dann setzt er sich an den Tisch vor mir.

>Natürlich.< Seine Stimme ist etwas gesenkt, er mustert mich neugierig und ich habe Probleme mich zu konzentrieren. Das ist ein ernstes Thema und ich brauche seine Hilfe. Nicht nur, weil ich das sonst alles vergessen kann, sondern auch, weil er mir Kraft geben muss. Ohne jemanden bei mir, werde ich mich dort verloren fühlen.

>Der Anruf vorhin, das war eine Abtreibungsklinik.< Er hat vorher schon kaum gelächelt, jetzt wird seine Mine ganz ernst.

>Du hast dich also entschieden<, schlussfolgert er und ich nicke knapp. Das habe ich und ich bin mir auch sicher, dass ich die richtige Wahl getroffen habe.

>Ich wollte einen Termin machen, aber sie hatten erst noch Fragen. Die habe ich beantwortet und morgen Nachmittag kurzfristig noch einen Termin zur Beratung bekommen. Aber ich will nicht allein da hin. Tina, Tristan und ich haben kein Auto, also müsste uns jemand fahren und das will ich nicht. Vor allem, weil dann noch jemand davon erfahren würde und meine Eltern dürfen auf gar keinen Fall Wind davon bekommen. Mit dem Bus oder Zug kommt man da nicht so leicht hin und selbst mit dem Auto ist diese Klinik über eine Stunde von hier entfernt.< Er sieht mich noch einen Moment lang schweigend an, dann nickt er langsam.

>Ich kenne mich da nicht aus, nur deshalb frage ich. Muss Luca als Vater dabei sein?< Es ist komisch, darüber mit ihm zu reden. Er kennt Luca und es ist sein Baby, aber ich bin mit Ash zusammen.

>Das habe ich auch gefragt und er muss nicht dabei sein. Ich muss nur an diesem Gespräch vorher teilnehmen und ich-< Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Ihn darum zu bitten ist nichts, was ich gern mache, aber ich kann sonst niemanden fragen. Dass er mich dort hinbringt, ist schon mehr, als ich erwarten kann und dazu hat er auch noch gar nichts gesagt.

Er nimmt eine meiner Hände, drückt sie sanft.

>Sprich weiter. Ich helfe dir auf jeden Fall, also raus damit<, fordert er sanft, schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln und ich hole tief Luft.

>Ich möchte, dass du dabei bist und ich kann die Abtreibung nicht bezahlen.< Das war die beste Formulierung, die mir eingefallen ist. Ich wollte ihn nicht einfach um Geld dafür bitten, das würde sich falsch anfühlen. Auch das hier fühlt sich schon nicht sonderlich gut an.

>Das ist überhaupt kein Problem, Violet. Ich mache beides sehr gern.< Er drückt meine Hand wieder sanft, lässt sie nicht los. >Ich unterstütze deine Entscheidung und ich weiß zwar nicht, was so eine Abtreibung kostet, aber das Geld gebe ich dir dafür sehr gern. Ich sehe es als eine kleine Investition in unsere gemeinsame Zukunft.< Ich will ihm um den Hals fallen, ihn an mich ziehen und nie wieder loslassen, doch stattdessen drücke ich seine Hand ganz fest. Seine Worte sind wie Balsam für meine Seele. Ich dachte mir schon, dass er einverstanden sein würde, aber er wirkt sogar so, als würde er das alles sehr gern machen.

>Danke.< Ich bin erleichtert und glücklich. Es gefällt mir, wie es aussieht, wenn meine Hand in seiner liegt. Niemand darf uns zu vertraut sehen, aber das geht, dafür findet sich eine Ausrede und schon diese kleine Berührung gibt mir sehr viel Kraft.

>Wir haben beide gewusst, worauf wir uns einlassen<, sagt er leise, lässt mich wieder zu ihm Aufsehen, in seine schönen, blauen Augen. >Und ganz egal was passiert, ich bereue es nicht. Ich will mit dir zusammen sein.<

>Sag so was nicht, sonst weine ich gleich wieder<, bitte ich ihn, denn mir kommen tatsächlich gleich wieder die Tränen. Was er sagt ist einfach immer perfekt, als könnte er meine Gedanken lesen. Bislang konnte das immer nur Tristan, aber er kennt mich viel länger. Ash hat dieses Gespür für meine Gefühle und meine Gedanken sehr schnell entwickelt.

>Dann küsse ich sie dir weg<, mahnt er und tatsächlich musss ich lachen, meine Tränen versiegen.

>Das darfst du nicht<, gebe ich leise zurück, aber sein Blick haftet auf meinen Lippen. Er wirkt nicht so, als würde er sich von meinen Worten beeindrucken lassen.

>Genau deshalb will ich es noch mehr.< Seine Stimme klingt rau, eine Gänsehaut jagt über meinen Körper. Seine Augen huschen hoch, blicken in meine und wir beide müssen Lächeln. >Hat sich June schon bei dir gemeldet? Braucht sie einen Babysitter?< Ich weiß, dass er eigentlich nur wissen will, wann ich wieder bei ihm sein kann und das ist süß.

>Wenn ich sie frage, wirkt das zu Aufdringlich, oder?< Nun wirkt er unzufrieden, lässt meine Hand los.

>Ich brauch mehr Neffen. Nichten wären auch okay, aber ich bin mir nicht sicher, ob June noch mehr Kinder haben will. Ich sollte sie mal fragen<, brummt er, holt seine Tasche vom Pult. >Lass uns das Nachsitzen beenden<, schlägt er vor und ich ahne, warum er gehen will. Er will mich küssen und mich berühren, aber mir geht es nicht anders. Wären wir bei ihm zu Hause, würden wir schon lange nicht mehr nur reden und der Gedanke daran lässt mein Bauch noch viel heftiger flattern, als seine Worte selbst.

Allein sich das Vorzustellen, lässt mich rot werden, selbst, wenn meine Gedanken alle jugendfrei bleiben. Mit ihm würde es sich schon wunderschön anfühlen, wenn ich beim Filmschauen einfach nur in seinen Armen liegen könnte. Obwohl ich gar nicht weiß, aber er so etwas mag. Ob wir beide schon so weit sind. Obwohl das eher etwas ist, das man normalerweise macht, bevor man mit den Küssen anfängt. Aber bei uns läuft eben vieles anders und er ist viel erwachsener als ich. Es kann gut sein, dass er viele Dinge, die ich aus meiner Bezeigung mit Luca kenne, gar nicht mag.

Deswegen will ich mich aber nicht verrückt machen. Das wird sich alles zeigen und wenn er manches tatsächlich nicht gern macht, hat er dafür bestimmt eine schöne alternative.

>Wir sehen uns morgen Früh zwar schon wieder, aber ich rufe dich nachher an.< Sein Mundwinkel zuckt, dann deutet er auf die Tür. Auf jeden Fall liebt er Anspielungen und ihm gefällt es, wenn wir uns auf diese Weise necken. Mir allerdings auch.

>Geh, bevor ich mich vergesse<, bittet er und ich eile davon. Ich will ihn schließlich nicht zu sehr provozieren, solange wir hier sind. Wenn er die Kontrolle verliert und mich küsst, mache ich viel, aber ich halte ihn ganz bestimmt nicht auf. Das könnte ich schon rein physikalisch nicht, weil er viel stärker ist als ich, aber ich würde es auch gar nicht wollen. Wenn seine Lippen auf meinen liegen und meine Gefühle Achterbahn fahren, verliert der Rest der Welt seine Bedeutung. 

Zu 0,05% schwangerWhere stories live. Discover now