8 | Nasenküsschen

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Panisch schrecke ich hoch. Keuchend schnappe ich nach Luft, unterdessen registriere ich, wie ausgetrocknet mein Rachen ist. Ehe ich noch einmal Luft holen kann, bricht ein Husten aus mir hervor. Ziemlich schnell verwandelt dieser Anfall sich in ein Würgen und ich krümme mich auf dem Bett zusammen. Wie bin ich überhaupt in mein Bett gekommen? Sicherlich habe ich mir diese Ohnmacht nur eingebildet und bin einfach viel zu betrunken gewesen, als dass ich Ravens Abschied mitbekommen habe.

Doch dann höre ich schwere Schritte auf mich zukommen und reiße die Augen wieder auf. Direkt über mir steht Raven. Skeptisch blickt er auf mich herab. Seine dunklen Augen gleiten prüfend über mich hinweg und verpassen mir eine mächtige Gänsehaut auf den Armen. Ravens Schultern sind angespannt, seine gesamte Haltung selbstsicher und stark. Ich kann es ihm ansehen. Er ist ein Badass. Erscheint dennoch sanft und gleichermaßen stark. Raven Green entschuldigt sich für nichts, dessen bin ich mir jetzt schon sicher, weil er schmerzhafte Ehrlichkeit bevorzugt. Dieser dunkle Rabe ist ein Mann, gegen den man keinen Krieg führt. Während der Schlacht steht man am besten direkt an seiner Seite, denn sonst ist die Gefahr zu groß, alles zu verlieren.

»Nina«, spricht er sanft. Ein Rauschen festigt sich in meinen Ohren und ich schlucke. Noch immer kratzt mein Hals wie Sandpapier. »Hier. Trink das.« Plötzlich hält er mir ein Wasserglas unter die Nase. Mein verdatterter Blick bringt ihn zum Grinsen. »Keine Sorge, es ist nur Leitungswasser. Ich habe es auch nicht mit K.-o.-Tropfen versetzte. Nekrophilie liegt mir nicht«, verspricht er. Drängend hält er das Glas an meine Lippen und ich gehorche ihm wieder einmal. Leicht öffne ich den Mund und lasse zu, dass er das Wasser in meinen Mund füllt. Weiterhin betrachtet er mich genau, als würde er mich ins Kleinste analysieren wollen. Es ist ein brennender Blick, voller Sorge. Der Ausdruck in seinen Augen ist dazu imstande bis in die tiefsten Abgründe meiner Seele zu blicken und ich winde mich unwohl. Es gefällt mir nicht, was seine Augen in mir auslösen.

»Was ist passiert?«, krächze ich. Raven stellt das Glas auf meiner Bettkante ab und sinkt auf die Matratze. Mit gerunzelter Stirn legt er den Kopf schief. Eine seiner Hände stützt er auf seinem Knie ab. Alles an seiner Haltung schreit nach Dominanz.

»Du bist umgekippt«, äußert er kühl. Zaghaft nicke ich und wende den Blick ab. Noch immer trage ich meinen Rock und das dünne Top, lediglich meine Schuhe sind verschwunden. Raven ist aus seinen Schuhen geschlüpft, seine Haare wirken durcheinander und sein Gesicht zerknautscht. Hat er geschlafen?

»Oh. Okay«, presse ich heraus und richte mich wieder etwas auf.

»Geht es dir gut?« Ravens Frage lässt mich die Brauen zusammen ziehen. Ich fühle mich schlapp und verkatert, dabei weiß ich nicht einmal wie viel Uhr wir haben oder wie lange ich bewusstlos gewesen bin. Zu gern würde ich dem Geschäftsmann diese Fragen stellen. Und noch eine weitere.

»Wieso bist du noch hier?«, frage ich, anstatt ihm zu antworten. Wieder legt er den Kopf schief. Ravens Schultern wirken angespannt und sein Nacken steif, als hätte er nicht die Chance sich zu entspannen.

»Weil ich sichergehen wollte, dass du nicht draufgehst«, sagt er abgebrüht. Seine linke Augenbraue zuckt, jedoch zeigt sich sonst keine Regung in seinem Gesicht. Um seine weichen Lippen hat sich ein harter Zug gelegt, den ich bereits am Morgen im Café bestaunen durfte.

»Dann sollte ich mich wohl bedanken.« Wortlos blickt er mich an, als würde er warten. Doch ich bringe die Worte nicht über die Lippen. Ich greife nach dem Wasserglas und leere es in einem Zug. Allmählich fühlt sich mein Rachen nicht mehr ganz so kratzig an. Raven schmunzelt stumm. Sein Schweigen macht mich nervös, weshalb ich mit meiner freien Hand meinen Rock umklammere. Kaschierend schiebe ich mein Bein darüber, um jede Bewegung vor seinem forschenden Blick zu verbergen.

GLOW - flameless lightsWhere stories live. Discover now