28 | Idioten Dasein

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Angespannt reibe ich mir mit der rechten Hand über die Augen, ehe ich mich wieder dem Bildschirm meines Computers widme. Die aufgerufene Datei bereitet mir schon seit Stunden Kopfzerbrechen. Und wenn Amira noch hier wäre, dann würde ich nach ihr rufen und sie um ihre Einschätzung bitten.

Armando ist schon heute Mittag verschwunden und hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass er für die nächsten zwei Tage nicht ins Büro kommen wird. Keine Ahnung woher der Kerl seine Arbeitseinstellung hat, aber wenn er so weitermacht, sitzen wir in der Tinte. Natürlich kann ich verstehen, wenn er sich freinimmt, allerdings kommt es in letzter Zeit ziemlich häufig vor. Entweder arbeitet er von seinem Apartment aus oder überhaupt nicht.

Unruhig zerbeiße ich meine Unterlippe, umkreise wichtige Daten auf dem Papier neben meiner Tastatur und blättere wieder durch die übervolle Akte - immer auf der Suche nach den Zahlen, die für mich derzeit Priorität haben. Meine andere Hand scrollt hektisch durch die geöffnete Datei, damit ich endlich diese dämliche Berechnung finde.

Auf meinem Schreibtisch stehen vier benutzte Kaffeetassen, eine leere Tüte vom Imbiss an der Ecke und sieben Wasserflaschen. Ich habe keine Ahnung, wann ich zum Chaoten geworden bin, doch ich sollte meinen Schreibtisch dringend in Ordnung bringen. Locker baumelt die dunkelrote Krawatte um meinen Hals und die obersten Knöpfe meines Hemdes sind geöffnet. Obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren läuft, ist mir heiß. Irgendwann habe ich heute Vormittag sogar meine Schuhe ausgezogen, weshalb meine Socken über das kühle Linoleum gleiten. An Abkühlung ist trotzdem nicht zu denken.

»Verfluchte Scheiße«, knurre ich dem Bildschirm entgegen und blättere wieder durch die Akte. »Wo bist du, du beschissene Nummer?!«

»Ach, das bin ich also für dich? Eine Nummer?« Die sanfte Stimme trifft mich so unvorbereitet, dass ich heftig zusammenzucke. Der Kugelschreiber fliegt gegen die Wand und meine Hände landen auf der Tischplatte. Erschrocken reiße ich den Kopf hoch. Nina Torres lehnt lächelnd im Türrahmen. Ihre Haare sind das reinste Chaos und lassen nur vermuten, sie wollte einen Pferdeschwanz binden, ihr Gesicht leicht gerötet, doch in ihren Augen liegt ein zärtliches Funkeln voller Wärme.

»Nina«, kommt es keuchend aus meinem Mund. Mein Herz holpert in meiner Brust und ist kurz davor sich zu überschlagen. Mehrmals atme ich tief durch die Nase ein und aus, um es möglichst zu kaschieren, wie sehr sie mich erschreckt hat.

»Gut geraten«, antwortet sie scherzhaft und stößt sich von der Tür ab. Ihre Beine stecken in einer lockeren Stoffhose, welche luftig um ihre Oberschenkel schwingt und knapp über ihrem Knie endet. Das sanfte Grün passt perfekt zu ihrer Haut und zu dem beigen Tanktop, das eng an ihrem Oberkörper liegt. Mir bleibt die Spucke weg, als meine Augen ihren Ausschnitt erreichen. Der Ansatz ihrer Brüste schimmert in dem Licht der Deckenbeleuchtung. Ein leichter Schweißfilm, welcher die Hitze des Tages erahnen lässt, sorgt für ein Glitzern ihrer Haut, als hätte sie sich in Feenstaub gewälzt.

»Was machst du hier?«, frage ich, um mich abzulenken. Ich kann es mir wirklich nicht leisten jetzt auch noch auf ihre Brüste zu starren, nachdem ich mich benommen habe wie ein Arschloch. Kuro ist deutlich gewesen, was den Umgang mit einer Frau angeht, an der man Interesse hat. Höflich, zuvorkommend, charmant und kein Idiot. Den letzten Teil hat er fünfzehnmal wiederholt, um sicherzugehen, dass ich es auch richtig verstanden und verinnerlicht habe. Nina runzelt die Stirn und wirft einen vielsagenden Blick auf die Wanduhr links von ihr. Meine Augen folgen ihrem Blick und ich schlucke hart. Verdammt. Ich habe tatsächlich die Zeit aus den Augen verloren. Räuspernd blicke ich auf den Bildschirm und auf die Akte unter meinen Fingern.

»Musst du das noch fertig machen?«, erkundigt sie sich. Langsam tritt sie weiter in mein Büro, wobei sie die Arme vor der Brust verschränkt und mich prüfend begutachtet. Ihre Augen huschen über meinen unordentlichen Schreibtisch, hinauf zu meinem Gesicht. Ich kann die Verwirrung in ihrem Blick lesen. Niemals hätte sie vermutet, meinen Arbeitsplatz so vorzufinden. Sicherlich hat sie geglaubt, selbst meine Kugelschreiber würden mit abgemessenem Abstand zueinander auf der polierten Tischplatte liegen. Gewöhnlich ist es auch ordentlich - zumindest aufgeräumter als im Augenblick.

GLOW - flameless lightsWhere stories live. Discover now