1 - [Der Strand]

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Noch immer von der langen Autofahrt ermüdet, begann ich im Dunkeln die Umzugskartons auszuräumen.

Meine Schwester hatte es sich auf ihren leeren Bettgestell gemütlich gemacht, welches gegenüber von meinem stand.

Mein gesamter Körper bekam die Erdanziehung nur vom feinsten zu spüren. Ich fühlte mich schwer vor erschöpfung, doch konnte ich nicht schlafen.

Es fühlte sich alles zu fremd an, um überhaupt die Augen zu zubekommen.

Meine Beine trugen mich in den Flur, zu dem leichten Streit meiner Eltern. Sie liebten einander, doch die neue Arbeit machte beiden sehr zu schaffen.


Sie schrien nicht, trotzdem schalte es unaufhörlich in meinen Ohren. Ich hielt es nicht mehr aus, ich nahm mir meine Jacke und lief zu der Haustür. Sie quietschte laut auf, bevor sie ins Schloss fiel.

Unser Umzug war nur ein paar Tage her, und trotzdem fühlte es sich nicht wie der Neubeginn an, von dem meine Eltern seit Monaten von sprachen.

Ich lief durch die dunklen Straßen, welche nur spärlich beleucht waren. Das war das erste mal, dass ich mir die Gegend genauer ansah. Eine Urlauber-Attraktion war Devils Lake nun nicht, obwohl das Meer direkt vor der Haustür lag.

Meine Eltern wollten nur wegen dem Meer hierherziehen. Einen anderen Grund gab es nicht, außer das sie unsere Nachbarn nicht mochten.

Ein sandiger Strand, kleine Klippen und hellblaues Wasser kam mir entgegen. So ansehnlich es auch war, verstand ich nicht, was meine Familie daran so sehr gefiel.

Ich setzte mich auf den langen hölzernen Steg. Das Wasser reflektierte die Sterne, welche prachtvoll darauf schienen. Es war wirklich ansehnlich gewesen.

Meine Augen wanderten zu den Klippen hinüber. In der Dunkelheit zeichnete sich eine Silhouette mit langen Haaren ab, die ins Wasser hinein sprang.

Ich versuchte sie ausfindig zu machen. Doch die Person verschwand unter der Wasseroberfläche.

Meine Beine hingen im Wasser, als ich mich immer weiter vorlehnte, um den Körper zu erfassen.

Die Wellen schlugen härter gegen meine Beine, bis ich den Griff von jemanden spürte.

Laut schrie ich auf und zog blitzartig meine Beine aus dem Wasser. Ich wollte rennen, doch vernahm ich in letzter Sekunde eine Stimme.

Ängstlich näherte ich mich dem Ende des Steges wieder.
,,Tut mir leid" Ertönte eine weibliche stimme. Die Hände des Mädchens ragten über den Steg und zogen sich auf diesen.

Sie war komplett bekleidet ins Wasser gesprungen. Noch immer im Schockzustand, begann ich sie zu Mustern.

Mir fiel ihre blutige Nase, welche bis zu ihren Augen lila war, auf.
,,Geht's die gut?" Fragte ich besorgt. Sie lächelte mich etwas verwirrt an. Ich führte meinen finger zu meiner Nase und dann verstand sie.
,,Oh, ja mir geht's gut. Sieht schlimmer aus als es eigentlich ist. Ich bin übrigens Ayla" Sprach sie so schnell, dass ich ihr kaum folgen konnte. Enthusiastisch streckte sie mir ihre Hand entgegen, welche ich gehemmt schüttelte.

Sie wirkte unbekümmert und irgendwie nicht wirklich bei klaren Verstand. Als hätte sie heimlich Drogen konsumiert
,,Ich heiße Claire" Das Misstrauen in meiner Stimme konnte man nicht überhören.

Sie setzte sich neben mich.
,,Wie lange bist du schon hier?" Ein merkwürdiger Ton lag in ihrer Stimme.
,,Nicht lange, ich glaube seitdem du von der klippe gesprungen bist" Sie nickte langsam mit dem Kopf, als müsste sie erstmal darüber nachdenken, was meine Worte bedeuteten.

Ihr Kopf drehte sich zu mir, unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter von einander entfernt.
,,Ich habe dich noch nie zuvor hier in Devils Lake gesehen" Ich rückte etwas von ihr weg. Ich wollte ihren Blick meiden, doch ich konnte nicht.
,,Ja, ich bin neu hier" Gab ich verunsichert von mir. Ihre Augen hatten etwas hypnotisierendes an sich, was mich in die enge trieb. Es fiel mir schwer sie an zugucken, und trotzdem konnte ich meine Augen nicht von ihr abwenden.

Ein kurzes Schweigen überkam uns. Es war unangenehm gewesen.
,,Gehst du hier dann auch auf die Schule?" Sie erinnerte mich ein bisschen an einem Hund der vor Freude mit seiner Rute wedelte.
,,Ja. Und du?" Ein enthusiastisches nicken brachte sie hervor.

Ich kratzte mich am Hinterkopf. Ich wusste nicht wirklich, was ich jetzt noch sagen könnte, oder auch wollte.
,,Wie ist das mit deiner Nase passiert?" Ein kleines kichern entkam ihr, als ich das fragte. Nur wurde sie unterbrochen, noch bevor sie etwas sagen konnte.

,,Claire!" Schrie eine bekannte Stimme. Ich drehte mich um und sah meine Schwester Ruby. Langsam drehte ich mich wieder zu Ayla.
,,Ich muss wohl gehen... Ayla?" Doch sie war spurlos verschwunden.

Unwohlsein überkam mich. Langsam lief ich zu meiner Schwester hin, welche mit ihren Fahrrad gekommen war.
,,Weisst du wie lange ich dich schon suche?!" Sie war sauer, doch ich schenkte dem nicht viel Beachtung.

Ich schupste sie leicht von dem Fahrradsattel runter und setzte mich auf diesem. Wütend rutschte sie auf den Gebäckträger.
,,Keine Ahnung, 10 Minuten vielleicht?" Gab ich halbherzig von mir. Noch verfolgten mich ihre Augen. Ihre eisblauen Augen.
,,Versuch es mal mit 25" Mein Mund stand leicht offen. Mir war nicht bewusst, wie lange ich dort war.

Ein genervtes stöhnen entkam Ruby.
,,Warum bist du eigentlich so kreidebleich?" Ich konnte ihr nicht wirklich darauf antworten. Sie hätte mich wahrscheinlich für verrückt gehalten, wenn ich ihr etwas über Ayla erzählt hätte.

Ich fing an, immer schneller in die Pedalen zu treten.
,,Du hattest mich erschreckt" Ich musste weder ihre Antwort hören, noch ihr Gesicht sehen, um zu wissen das sie mir dies nicht glaubte.

Ich ließ das Fahrrad vor unserer Haustür zum stehen kommen.
,,Warum bist du überhaupt wach?" Fragte ich sie verwundert.
,,Ein Zwilling weiß immer, wann ihre andere Hälfte mist baut" Entgegnete sie mir ironisch.

Wir liefen in den stillen Flur hinein und gingen von dort aus, weiter zu unserem Zimmer.

Ich spürte, wie ich endlich meine Augen zufallen lassen konnte. Ich schmiss mich auf mein Bett, doch der Moment als ich meine Augen schloss, sah ich nur sie und wie ich Ayla morgen in der Schule begegnen würde.

Ruby legte sich gegenüber von mir und warf schwungvoll ihre Decke über ihren Körper.

Egal wie sehr ich meine Gedanken zwang, Schafe zu zählen, diese wurden von Ayla beiseite geschoben. Sie war aufdringlich und für meinen Geschmack zu extrovertiert, aber dennoch machte ich mir Sorgen um sie.

War zu Hause etwas vorgefallen? Wurde sie überfallen? Hatte sie sich in der Schule mit jemandem auseinandergesetzt?

Nun versuchte ich diese Gedanken weg zu schieben. Ich hatte all die Zeit der Welt, um sicher zu gehen, dass es ihr gut ging. Doch mein Schlaf war mir in dieser Nacht wichtiger gewesen.

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