4 - [Das Verschwinden]

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Der Mond hing schon längst am Himmel. Die Eulen sangen schon das Lied der Nacht.

Ayla führte mich von der verlassen Fabrik, wieder in die Straßen der Stadt.

Unsere Hände hielten wir den gesamten Weg über, bis wir zu einer Kreuzung kamen.

So ungern ich es auch wollte, ich musste sie loslassen. Bevor wir allerdings getrennte Wege gingen, zog sie mich in eine Umarmung und flüsterte mir ins Ohr:
,,Bis Morgen, Claire!" Sie lächelte mich an.

Ich schloss meine Augen für einen Moment, und schon war sie verschwunden. Wie in der Nacht, als wir uns zum ersten mal begegneten.

Der Weg wurde von vielen Laternen beleuchtet. Ich kam an einem kleinen Elektrogeschäft vorbei, welches Fernseher im Schaufenster zu stehen hatte. Die Fernseher waren von morgens bis abends, immer mit Ton eingeschaltet.

Ich blieb vor dem Geschäft stehen, als ich auf dem Bildschirm ein bekanntes Gesicht erkannte.

Es war ein Polizist, welcher über das verschwinden, von meiner Mitschülerin Carmen sprach.

Ich blieb in Schockstarre stehen. Der Polizist erzählte, dass es wahrscheinlich eine gezielte Entführung war.

Weitere Namen von vermissten Kindern wurden genannt: Jake, Hannah, David, Adam und jetzt auch Carmen.

Die einzige Verbindung, die sie alle hatten war; dass sie in die selbe Jahrgangsstufe, der selben Schule gingen.

Ein kalter Windzug kam mir entgegen, welcher mich dazu animierte, auf das Fahrrad zu steigen, welches ich die ganze Zeit, neben mir her geschoben hatte.

Carmen war gestern noch in der Schule, ich hatte mit ihr gesprochen!

Ihr verschwinden fühlte sich so surreal an. Wie konnte sie von heute auf morgen verschwinden?

Die Dunkelheit bedrängte mich. Ich fing an immer schneller in die Pedale zu treten. Ich hatte tausend Gedanken. Wie, warum, weshalb?

Keiner dieser Namen hörte sich bekannt an, keiner außer Adams.

Mir schoss sofort die Erinnerung vor dem Schultor ins Gedächtnis. Ruby wollte mir etwas über diesen Adam erzählen. Ob sie mich warnen wollte?

Ich blieb vor der Haustür stehen, ließ das Fahrrad zu Boden fallen und rannte hektisch in mein Schlafzimmer.

Ruby saß am Fenster und gucke aus diesem, auf die Landschaft.
,,Ich habe das von...Carmen mitbekommen" Ich stotterte den letzten Teil eher, doch sie verstand es.
,,Du wolltest mir etwas über Adam erzählen" Sagte ich leise.

Ich setzte mich zu ihr ans Fenster. Sie seufzte auf. Sie schaute mich wütend und gekränkt zugleich an.
,,Jake, Hannah, David, Adam und Carmen; Weisst du, was sie noch miteinander verbindet, außer die Schule?" Ich schüttelte den Kopf
,,Sie alle, hatten irgendetwas mit Ayla zu tun!" Ich schluckte schwer.

Ayla...

Meine Lippen zitterten leicht.
,,Und was genau?" Fragte ich mit geröteten Augen.
,,Ich weiß nur, dass von Adam. Meine Mitschüler meinten, dass die anderen auch etwas mit Ayla zu tun hatten" Sprach sie unruhig. Mein Blick bohrte sich durch Ruby hindurch. Wie durch Zwang, begann zu verunsichert zu reden.
,,Ayla und Adam waren für eine gewisse Zeit zusammen" Meine Brust zog sich zusammen. Als hätte ich einen Herzinfarkt

Ich merkte, wie meine Augen sich langsam mit Wasser füllten.
,,Dann muss Ayla ihn geliebt -" Meine Stimme brach.
,,Es sind ja auch nur Gerüchte. Ob sie etwas mit dem Verschwinden zutun hat, ist nicht bekannt. Wir wissen nur, dass sie alle Opfer kannte" Ruby's Versuch mich zu trösten, es gelang ihr aber nicht.

Sie nahm mich in ihre Arme. Ich versteckte meinen Kopf in ihre Schulter.
,,Ich möchte nur, dass du sicher bist!" Flüsterte sie mir ins Ohr.

Ich hielt meine Augen geschlossen. Ich wusste nicht einmal, wann ich einschlief.

Doch Ruby weckte mich sofort am nächsten Morgen. Meine Augen waren leicht geschwollen. Ich konnte mir nicht erklären, warum ich gestern angefangen hatte zu weinen.

Ich wollte gerade ins Bad gehen, doch Ruby rief mir noch schnell hinter:
,,Ich lass mich wieder abholen. Sei vorsichtig!" Dann lief sie aus unseren Zimmer.

Ich rannte nach meinen Aufenthalt im Badezimmer, den Flur zur Haustür entlang.

Ich hatte zu lange im Bad gebraucht und konnte es mir nicht leisten, zu spät zu kommen.

Ich öffnete die Haustür und erkannte sofort eine vertraute Silhouette, welche vor meinem Gartenzaun stand.

Ayla stand mit ihren Fahrrad vor meinem Haus. Sie sah sauer aus, doch als sie mich bemerkte, zeigte sie mir sofort ein breites Lächeln.

Ich lief zu ihr hin.
,,Geht's dir gut, Claire? Deine Augen-" Setzte sie an. Ayla unterbrach sich selbst, als ich mich in ihre Arme fallen ließ.

Sie ließ den Satz so stehen und wandte sich ihren Fahrrad wieder zu.
,,Wir kommen noch zu spät" Sagte sie und hielt mein Gesicht in ihren Händen.

Ich setzte mich wieder hinten rauf. Ich schlang meine Arme, wieder um Ayla und vergrub mein Gesicht in ihren Rücken.

Ich seufzte nach ein paar Metern auf.
,,Stimmt es, dass du was mit Adam hattest?" Aylas Haltung versteiftte sich sofort.
,,Hast du Lust zu Schwänzen? Der Strand ist um diese Uhrzeit leer" Fragte sie mich, in einem ernsthaften Ton. Ich summte nur. Ich hätte mich sowieso nicht konzentrieren können.

Sofort bog sie ab. Der Strand war nicht weit weg, ich konnte schon die Wellen hören.

Ayla stieg vom Fahrrad ab und half mir beim abstieg. Sie ließ ihr Fahrrad einfach in den Sand fallen. Ich musste leicht auf kichern. Ich konnte mir nur ausmalen, was Ruby mit mir gemacht hätte, wenn das ihr Fahrrad gewesen wäre.

Ayla nahm mich bei der Hand und führte mich zum Steg.
,,Von wem weißt du das?" Ich konnte weder den Klang ihrer Stimme, noch ihren Gesichtsausdruck deuten.
,,Von meiner Schwester Ruby" Ihre Augen sahen völlig leer aus.

Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter.
,,Und? Was möchtest du wissen?" Fragte sie mich desinteressiert.
,,Wir seid ihr zusammen gekommen?" Sie überlegte.
,,Wir mussten zusammen an einem Projekt für die Schule arbeiten, und dann hatte es "Click" gemacht" Mir gefiel ihre Antwort nicht.
,,Hast du ihn Geliebt?" Fragte ich mit zitternder Stimme.
,,Zum Mond und zurück" Meine Sicht fing an, undeutlich zu werden.

Die erste Träne lief, doch ich wusste einfach nicht warum.
,,Und sein Verschwinden?" War es unsensibel, sie so etwas zu fragen?
,,Ich hatte meine Gefühle schon verloren, als ich das raus fand" Ich fühlte mich erleichtert, und gleichzeitig hasste ich mich.

Ich fand es gut, dass ein unschuldiger verschwand und wahrscheinlich schon tot war.
,,Ich bin dir sehr dankbar, Claire" Ich war verwirrt.
,,Mit dir, sehe ich die Welt in Farbe" Sie schaute mir direkt in die Augen. Wie hypnotisiert war ich.

Sie wischte mit ihren Fingern, meine Tränen weg.
,,Ich hoffe du empfindest auch so" Meine Hand ergriff ihren Arm. Ich lächelte sie einfach an. Langsam kam ihr Gesicht näher auf mich zu.

Ich war bereit es passieren zu lassen, doch das klingeln meines Handy, Zwang mich dazu mein Gesicht weg zu drehen.

Ich nahm mein Handy aus der Hosentasche und lief zu Aylas Fahrrad hin.
,,Darf ich fragen, wo du bitteschön bist?" Fragte Ruby, sehr hörbar wütend.

Ich hörte meiner Schwester nicht wirklich zu, mein Gesicht streifte eher zur traurig aussehenden Ayla rüber.

Ich bekam mit, wie Ruby auflegte. Ich winkte sie zu mir.

Wir schoben das Fahrrad den ganzen Weg, still schweigend, zur Schule.

Oceans Melody Where stories live. Discover now