Kapitel 26

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Widerwillig hatte Novi den Barden schlussendlich doch zu der Truppe hinzugezogen und Kjell hatte es übernommen ihn und die Frau des Zwerges über den Plan aufzuklären. Anders als erhofft, hatten sie beschlossen eben diesen aber nicht mehr am selbigen Tag umzusetzen. Der blinde Mann hatte darauf bestanden, dass sich Novi erst einem Training zur Selbstverteidigung unterzog, wenngleich sie mit Calida bereits erste wichtige Griffe erlernt hatte.

So stand sie nun mit dem hochgewachsenen Mann, der sich Hagen nannte, Thyri und Arya etwas abseits der Siedlung auf einer kleinen Waldlichtung. Sie hatte ihren Dolch bereits gezogen, ließ ihre Finger wiederholt über dessen Griff gleiten. Ihre Augen ruhten dabei auf dem rothaarigen Mädchen, das am Rand im Schneidersitz auf einem Felsen ruhte und aus gelben Blumen einen Kranz flocht. Thyri hatte ihre Tochter mitgebracht, da sie sie nicht gerne aus den Augen ließ. Novi konnte es verstehen, immerhin hatte die zierliche Frau bereits den Mann verloren und das Leben ihres Sohnes war durch die Königin gefährdet.

Hagen war dabei die Spitze seines Speers zu polieren. Er hielt nicht viel von kleinen Waffen, die einem leicht, wie eine Feder in der Hand lagen. Konzentriert fuhr er immer wieder mit einem ledernen Tuch über das bereits glänzende Eisen. Die rothaarige Frau hingegen trug keinerlei Verteidigungsgegenstände bei sich. Novi fragte sich, ob sie mit bloßen Händen kämpfen würde.

"Leg die Blumen beiseite und pass nun auf, mein Kind", erhob Thyri dann das Wort, ihre donnernde Stimme schallte über die gesamte Lichtung. Wie konnte eine so zierliche Frau nur solch ein kräftiges Stimmvolumen besitzen, wenn sie es darauf ankommen ließ? Ihre Tochter legte den beinahe zu Ende geflochtenen Kranz neben sich auf dem Felsen ab, richtete die verschieden farbigen Augen aufmerksam auf ihre Mutter. Hagen steckte das Tuch weg, stellte sich der rothaarigen Frau dann gegenüber und Novi platzierte sich zwischen den beiden, sodass sie am Ende ein Dreieck auf dem Platz bildeten. Noch immer hielt sie ihren Dolch fest in der Hand, ging die Lektionen im Kopf durch, die ihr Calida in Merriwich ans Herz gelegt hatte.

Lektion Nummer 1: Die Beine sind das wichtigste Werkzeug. Das Gleichgewicht ist der Schlüssel zu allem anderen. Ein Sturz bedeutet den Tod.

Novi setzte die Füße etwas auseinander, wippte leicht auf und ab, um sicherzugehen, dass ihr Stand fest genug war. Dann ließ sie den Dolch kurz durch die Luft gleiten, um zu überprüfen, ob ihre Finger richtig auf dem Griff ruhten.

Lektion Nummer 2: Selbstsicherheit kann dir das Leben kosten. Unterschätze deinen Gegner niemals und bleib konzentriert.

Sie ließ ihre tiefblauen Augen erst an Hagen und dann an Thyri auf- und abwandern, suchte beide nach Schwachstellen ab. Der hochgewachsene Mann war auf Grund seiner beeindruckenden Größe sicherlich nicht so wendig wie sie und die junge Frau war sicherlich leicht zu provozieren und somit einfach aus dem Konzept zu bringen. Novi hatte ihr hitziges Temperament bereits zu spüren bekommen.

Lektion Nummer 3: Vertraue deinem Feind niemals.

Die Blondine schluckte. Hätte sie der Feuernymphe doch nur von Azariel erzählt. Sie hatte Calida dort zurückgelassen, nichtsahnend und unwissend. Sicherlich war sie geschockt gewesen, als sie erfahren hatte, dass der Elf der Verräter gewesen war. Der Mann, den sie einst geliebt hatte.

"Lasst mich nochmals die die wichtigste Regel erwähnen, ehe wir mit dem Training beginnen", erhob Hagen das Wort, blickte sie und Thyri ernst an. "Es wird niemand schwerwiegend verletzt. Sobald die Klinge eines anderen sich an eurem Hals befindet, ist die Runde für euch vorbei, verstanden?"

Beide Frauen nickten, anschließend brachten die drei mehr Abstand zwischen sich. Bereit für den Kampf beugte Novi die Knie etwas, sah abwechselnd zu Hagen und zu Thyri. Wer würde wen zuerst angreifen? Das Herz der blonden Frau schlug automatisch schneller, die Nervosität kribbelte in ihren Händen, Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn. Sie war bereit, egal was nun folgen würde. Ihre Atmung ging flach, ihre Sinne waren geschärft und nur auf ihre beiden Gegner fokussiert. Den Rest der Umgebung blendete sie aus. Arya verschwamm im Augenwinkel mit den Bäumen im Hintergrund, das Zwitschern der Vögel schien zu verstummen.

Tanz mit den Schatten (Wird überarbeitet)Where stories live. Discover now