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Noch immer starrte ich auf das Auto und die geöffnete Tür auf der Seite, die zu uns zeigte. Das Auto sah ähnlich aus wie das letzte, aber es war schwarz, nicht rot. Plötzlich öffneten sich vorne weitere Türen. Panisch beobachtete ich, wie zwei große Menschen ausstiegen. Menschen mit ganz schwarzen Köpfen! Ich zuckte zusammen und drückte mich tiefer in den Rollstuhl. Angespannt hielt ich die Luft an. Waren das Männer? Beide kamen nun direkt auf mich zu! Warum trugen sie denn Kleidung im Gesicht? Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der sein Gesicht mit Stoff bedeckte. Nur die Augen konnte ich sehen, als sie näherkamen. Einer von beiden hielt etwas Schwarzes in der Hand, mit dem er direkt auf mich – nein, auf die Frau hinter mir – zeigte. Was war das?

Die Männer sahen nicht freundlich aus. Verkrampft klammerte ich mich an den Rollstuhl und schüttelte verzweifelt den Kopf.

Kommt nicht näher! Bitte kommt nicht näher. Tut mir nichts. Tut mir nicht weh! Bitte berührt mich nicht!

Der Mann mit dem schwarzen Ding in der Hand blieb mit etwas Abstand stehen, doch der andere war schon im nächsten Augenblick da. Mein Herz klopfte nun so heftig, dass ich Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen.

„Bitte tun Sie ihr nichts", hörte ich die verschwommenen Worte der Frau.

„Das hätten Sie sich überlegen sollen, bevor Sie sie hierhergebracht haben."

Nervös sah ich ihn an und erkannte die Muskeln unter seinem T-Shirt. Er war ein starker Mann. Sehr stark. Er konnte mir sehr wehtun, wenn er das wollte.

Ich zitterte.

„Sie rühren sich nicht vom Fleck, verstanden?", meinte er, ehe er sich mir zuwandte. Ich erstarrte. „Und du, süße Maus, kommst mit."

Die Frau protestierte, sie schluchzte, doch der Mann ließ sie nicht einmal ausreden. Er nahm meinen Rollstuhl und schob mich weiter vorwärts.

„Was ist mit meiner Tochter? Wo ist meine Tochter?"

Wir kamen an dem Mann vorbei, der noch immer mit dem schwarzen Ding auf die Frau zeigte. Doch ich beachtete ihn gar nicht wirklich, denn ich konnte nur zitternd auf das Auto starren. Vater war dort. Er war in diesem Auto! Wie würde er mich wohl bestrafen? Alleine die Vorstellung daran ließ mir schwarz vor Augen werden. Es würde einfach schrecklich werden!

„Bitte, meine Tochter! Wo ist sie? Ich habe getan, was Sie von mir verlangt haben! Wo ist meine Tochter?"

Ich war vollkommen überfordert, die Angst regierte meine Sinne. Ich konnte nicht verhindern, dass wir dem Auto näherkamen, denn ich durfte noch immer keinen Laut von mir geben. Außerdem durfte ich mich nicht wehren, das war noch nie erlaubt gewesen.

Unaufhaltsam schob der Mann mich weiter und obwohl der Abstand gar nicht so groß war, kam es mir wie eine Ewigkeit vor, die mein Leiden verlängern wollte. Erst als wir das Monster-Auto erreicht hatten, blieb mein Rollstuhl stehen. Und jetzt konnte ich ihn sehen. Am Ende eines komischen langen Sitzes saß er: Vater! Panisch starrte ich in das Auto. Er war da. Er war da! Mein Herz raste nun noch schneller, so schnell, wie es vermutlich noch nie geschlagen hatte, und mir wurde erneut schwindelig. Im selben Moment fiel mir voller Schrecken ein, dass ich ein braves Mädchen sein musste und meine alten Regeln wieder galten! Kaum hatte der Mann meinen Rollstuhl gestoppt, versuchte ich so schnell wie möglich gehorsam aufzustehen und meine rechte Hand auf den Rücken zu legen. Aber es dauerte zu lange! Es dauerte viel zu lange! Mir war so schwindelig und meine Beine wollten mich nicht tragen. Und dann war da auch noch das Problem, dass mein linker Arm gefesselt war. Ich konnte nur den rechten Arm auf meinen Rücken legen. Würde Vater mich dafür bestrafen?

„Sehr brav. So kenne ich meine Kleine. Aber das war viel zu langsam."

Damit bestätigte er meine schlimmste Befürchtung.

Lost GirlWhere stories live. Discover now