Epilog

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Mit schnellen Schritten rannte sie den Berg hinab. Stolperte über den Trampelpfad, der sie zur Bucht führte. Als der steinige Weg in den hügeligen Sand überging, stolperte Alea fast, fing sich wieder, rannte weiter. Muschelschalen piksten ihr in die Fußsohlen und kleine Algenblätter verfingen sich in ihren Zehen. Sie machte nicht halt, auch als der Strand in die ruhigen Wellen überging. Erst, als sie schon bis zu den Knien im Wasser stand, wurde sie langsamer. Sie schirmte ihre Augen mit den Händen gegen das Licht des Sonnenuntergangs ab und schaute gen Horizont. Als sie die zwei Segelboote erkannte, machte ihr Herz einen Sprung. Endlich waren sie wieder da!

Kaum dass die Crucis am Steg angelegt hatte, sprang ihr ein schwarzer Blitz schon entgegen. Noch bevor sie sein Gesicht richtig sah, hatte er sie schon in die Arme geschlossen und Alea roch seinen wohligen Geruch nach Weite, Wärme und Wasser.

„Ich habe dich so sehr vermisst", flüsterte er ihr mit seiner tiefen Stimme ins Ohr. Alea kicherte nur.

„Wir haben doch heute Morgen erst telefoniert."

„Trotzdem." Lennox löste sich aus der Umarmung und hielt sie auf Armlänge mit den Händen auf ihren Schultern vor sich. „Kann ich dich nicht trotzdem vermissen?" Er gab ihr einen sanften Kuss.

„Ich habe dich auch vermisst."

„Ich hoffe, dass du mich auch vermisst hast, Schneewittchen!", ertönte da eine quietschende Stimme von hinten.

„Und ob ich das habe!" Alea lief zu Sammy, der nun ebenfalls auf den Steg hüpfte und sie sogleich in den Arm nahm.
„Kommt es mir nur so vor, oder bist du schon wieder gewachsen?" Alea ging einen Schritt von dem Kleinen weg, der nun gar nicht mehr so klein, sondern schon fast so groß wie sie war.

„Das kommt eben, wenn man in der Pubertät ist", lachte Sammy und zeigte sein nun zahnlückenfreies Lächeln. Dann band er sich seine langen feuerroten Haare mit einem Haargummi nach hinten zu einem Man-Bun, da der Wind hier doch recht kräftig war und hüpfte zurück aufs Schiff, um Ben beim Segeleinholen zu helfen.

„Wie viele habt ihr diesmal mitgebracht?", fragte Alea Lennox.

„Fünf", informierte er sie. „Alle um die Region des Rheins. Die meisten haben gerade Ferien, da war das ganz passend. In drei Wochen bringen wir sie wieder zurück."

Alea nickte. Sie war ganz gespannt, wer dieses Mal dabei war. Ob es vielleicht Stämme waren, die sie bisher noch nicht kennengelernt hatte.

„Wie alt sind sie?"

„Die normale Altersgruppe. Fünfzehn bis achtzehn."

Alea nickte. Fünfzehn... ja, das war mittlerweile das jüngste Alter, mit dem sie die Meerkinder aufnehmen konnten. Der Untergang der Meerwelt lag mittlerweile auch fast sechszehn Jahre zurück, und die jüngsten waren noch die, die damals Neugeborene waren oder Kinder von Landgängern, deren Meermenschen-Elternteil gestorben war. Sie seufzte. Dreihundert Vollwaisen kannte sie mittlerweile. Etwa hundert weitere waren Mischlinge. Wie bei jeder Ankunft von Neulingen hoffte sie, den Meerkindern eine Perspektive zu geben. Ein allgemeines Ziel, für das sie arbeiten konnten. Obwohl es mittlerweile keine Kinder mehr waren. Viel mehr Jugendliche und junge Erwachsene.

Als die Sirena hinter der Crucis andockte, half Elena den Neuankömmlingen mit ihrem Gepäck vom Schiff. Wie immer hatten sie dabei noch Angst, obwohl sie das Heilmittel schon erhielten, wenn die Alpha Cru sie in ihrer Heimat aufsammelte.

„Nächstes Mal komme ich auch mit", sagte Alea entschieden, als sie die fünf Meerkinder sah, die nun mit zögerlichen Schritten auf sie zukamen. Sie vermisste es, die Kinder persönlich aufzuklären und ihnen auf dem Rückweg ihre Geschichte zu erzählen. Elena war zwar redselig und machte das nur allzu gerne, aber Alea fand es unfair, ihr all diese Arbeit und Verantwortung zu übertragen. Als das Mitglied, das dafür zuständig war, alle Landgänger im Umfeld der Meerkinder so zu manipulieren, dass sie glaubten, ihre Pflegekinder würden bloß in ein Feriencamp fahren, lastete schon genug Verantwortung auf ihren Schultern.

Alea Aquarius - Die Magie der SchwesternWhere stories live. Discover now