NEVADA

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Es flackerte. Die Kapsel war schalldicht, so hörte ich den Alarmton nicht, aber mein Hirn spielte ihn mir vor, sobald ich die Augen auf hatte, die Kammer war schon im Trockenprozess und meine Arme und Beine noch taub. Der Innenraum des Pods leuchtete rot, Warnung, Warnung, stand auf dem Bildschirm. Ich versuchte, die Koordinaten zu erkennen, aber es funktionierte nicht, ich hatte noch zu viel Schleim im Gesicht und war zu weit weg, blinde Oma, eben. Jungfräuliche Oma, kicherte ich, schnaubte aus und hustete das Gel hoch. Reckte Arme und Beine, testete. Alles war noch dran, alles bewegte sich. Normalerweise interessierte mich die Aufzeichnung nicht, aber dieses Mal verfolgte ich sie etwas genauer auf der Scheibe vor mir, dem Deckel der Kapsel, ich las, wie sie mich zersetzt hatte, nun, in Bio war ich nicht ganz so gut, aber irgendwas stimmte an dem Aufbau meiner DNA nicht, verstand ich. Nein, da waren zwei Stränge. Ich hielt die Simulation an, spulte zurück zum Scan, die Kapsel hatte mich als zwei Organismen erkannt! Aber...nun spulte ich vor, ob es jetzt auch noch so war. Nein, sie hatte den einen Organismus, der nur aus unvollständiger DNA bestanden hatte, rausgefiltert. Ich atmete erleichtert auf und öffnete den Deckel. Plötzlich spürte ich einen heftigen Unterleibskrampf, als hätte ich meine Regel, ich hatte sie noch, regelmäßig, aber sie war noch nicht dran... ich stockte, aus mir lief Blut. Oh, Gott. Konnte es sein? Ich gab die Daten der Aufzeichnung in den Med Scan und er bestätigte, dass ich schwanger gewesen war. Sofort kam die automatische Warnung, den Pod nicht zu benutzen, ich lachte zynisch auf. Zu spät! Zum Glück war ich glimpflich davon gekommen, nicht auszudenken, wenn ich mit dem Embryo verschmolzen wäre! Nun, ich sah ja fast aus, wie eins. Ich plumpste weinend auf den Boden, es war alles zu viel. Hörte: „Warnung, Warnung..."und das Dröhnen des Tones kaum, mir war kalt, ich hatte Schmerzen und wollte nur noch sterben. Rollte mich ein und wartete, bis das Ding aus mir raus war, das nicht mal ein Ding gewesen war. Unser Baby. Sah Henry mit einem kleinen Jungen über die Felder laufen. Auf Bäume klettern. Oder ein Mädchen, warum war uns kein Happy End auf ESS 86 vergönnt, Himmel noch mal, hatten wir nicht genug durch gemacht? Irgendwann rappelte ich mich auf und killte den Alarm. Ich roch mein Blut und mir wurde übel, ich sah meine kleinen Finger vor mir über den Bildschirm tippen, das kleine Püppchen, das ich geworden war. Der Alarm kam Gott sei dank nur vom niedrigen Ladestand, aber das war eh egal, ich würde ja nicht zurück können, außer, ich fand DNA- Schutz, aber würde ich es noch mal wagen? Ich sah jetzt schon aus, wir ein Kind! So würde er mich nicht mehr wollen.

„Okay", sagte ich laut zu mir selbst. „Scannen wir mal die Station."

„Warnung!", hörte ich. „Ladestand zu niedrig. Humanoid außerhalb der Kammer. Start abgebrochen."

Fuck, jemand versuchte, die Kapsel zurück zu holen! Oder fortzuschicken? Ich öffnete den Schirm, hoffte, damit nicht zu viel Strahlung zuzulassen. Ja, ich war auf der Docking- Station, sah mindestens vier Wandler- Docks um mich herum, ohne Pods. Die Zentrale leer. Jedoch blinkten überall Knöpfe, sie funktionierte also. Derjenige, der meinen Pod steuern wollte, war nicht hier. Ich stieg aus und hoffte, nicht sofort zu ersticken, aber um mich herum war Atemluft. Natürlich hätte ich in den Anzug steigen können, aber ich war verklebt und irgendwie war mir alles egal, ich fühlte mich leer. Wollte nur in diese Zentrale und den Auftrag abschließen! Kaum durch die Tür, kappte ich als erstes den Pod, nun hatten sie keinen Zugriff mehr. Dann rief ich den Plan der Station auf, wunderte mich echt, warum es mir so leicht gemacht wurde.

Dann fiel mir ein, dass Henry mir das Passwort für den Spacer gegeben hatte...um an den DNA Schutz ranzukommen, hieß, er spielte anscheinend ein doppeltes Spiel? Ich stöhnte. Verließ die Zentrale und suchte ich die Sanitäranlagen auf, duschte und hoffte, das Wasser war nicht verseucht. Ich konnte kaum glauben, dass ich auf meinem Heimatplaneten war! Hier unter der Erde war alles so, wie auf den Raumbasen, steril, mechanisch, unwirklich. So, wie ich es gewohnt war, und ich war auch so geworden. Kein einziger verdammter Anzug passte mir! Es gab keine Kindergrößen, schon gar nicht für kleine Pummelchen, auf dieser Station, obwohl ich mal gehört hatte, vor langer, langer Zeit, dass sie hier einen kleinen Jungen beschäftigt hatten, der schlauer war, als alle Wissenschaftler zusammen und den ersten Prototyp des Wandlers entwickelt hätte. Der war jetzt sicher kein Junge mehr, wenn er überhaupt noch lebte. Ich nahm den kleinsten Anzug und wickelte einfach ein Seil um meine Taille, dass er nicht rutschte, schnitt die langen Beine ab und auch die Ärmel, bis ich sie krempeln konnte, so war er leider unten und oben offen, aber egal. Ich war eh schon verstrahlt. Und die Heizung ging so auch nicht, also zog ich mir noch eine riesengroße Steppjacke über, ich sah echt urig aus. Mein Unterleib schmerzte noch und mir war übel, schwindelig, ich hatte mir ein Stück vom abgeschnittenen Stoff als Binde vorgelegt. Ich musste erstmal die Mensa finden und hoffen, dass es noch was Genießbares gab, denn mein Körper brauchte Energie, sonst hielt ich nicht lange durch. Anscheinend war hier alles intakt. Ich hörte Gelächter. Was? Schnell versteckte ich mich in einer Nische, war das gut, dass ich ein Kobold war! Ja, da waren Menschen! Ich hielt die Luft an, es waren zwei Frauen, die den Flur entlang gingen, als wäre es ganz normal.

WintertalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt