Beyond the sea

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Auf dem Rückweg, den ich zu Fuß antrat, weinte ich durchgehend. 

Nein, niemals würde ich einen Partner finden, das war mir jetzt klar. Ex- Prostituierte zu sein war nicht mal das Ausschlaggebende, siehe Ruby, Nao und Pinkie, aber...das, was ich nicht hatte und das, was ich hatte! Ich war nur eine einfache Tippse, keine Unterwasser- Heldin, wie Ruby und Pinkie, kein cooler Sheriff wie Nao. Nicht mal eine nervige Puppe, die Goldie nacheiferte, oder Goldie selbst, mit einer wunderbaren Stimme gesegnet. Das alles hatte ich nicht. Ich war nicht mal eine richtige Kleinwüchsige, im Sinne der Definition! Ich hatte einen Geburtsfehler, einen Defekt, der mein Wachstum im Kindesalter beeinflusst hatte, deshalb hatte ich einen riesigen Kopf als Baby gehabt und alle dachten, ich wäre zurückgeblieben. Man hatte mich wohl deshalb ausgesetzt, als ich vier Jahre alt gewesen war, da ich so winzig war, hatte ich nicht laufen oder sprechen gelernt und sah wie ein unheimliches Monster- Baby aus. Man brachte mich in ein holländisches Kinderheim, ich war genau im Niemandsland des drei Länder Ecks gewesen und niemand wußte, ob ich deutscher, belgischer oder niederländischer Herkunft war. Oder ganz wo anders her kam! Doch ich hatte anscheinend einen großen Wissensdurst und konnte innerhalb eines halben Jahres alles, was Vierjährige können sollten. Und dann war da noch Klara gewesen, ein achtjähriges Mädchen, welches mich als ihre Puppe adoptierte und mich herumschleppte, wenn ich zu langsam war. Sie meinte, ich sähe aus, wie eine Blythe- Puppe, von denen sie ganz viele hatte und so wurde ich Blythe genannt. Es war eine gute Zeit gewesen, Klara hatte auf mich aufgepasst und meine Neugier gestillt, nur das Herumschleppen fand ich irgendwann lästig. Mit acht sah ich immer noch aus, wie ein Kleinkind. Sie dachten, ich würde nicht größer werden, aber...nein, daran wollte ich nicht denken. An ihn, den Mann im Mond...

Zuhause war alles dunkel und still. Ich riss mir wütend das Kleid runter, machte mir einen Cocktail und ging zu Bett. Schaute irgendeine Dramaserie und bedauerte diese dämlichen Menschen, die anscheinend nicht ohne Liebe leben konnten. Meine Katze Minusch kam zu mir. Nun, diese Liebe reichte mir!

***

Am Morgen machte ich mich auf den Weg in die Sierra, obwohl ich frei hatte. Ich hoffte, die Unbekannte rief auch am Wochenende an- unser Dauerdienst war ja da. Am Turnpoint kam mir Pinkie entgegen gelaufen, die ein wenig zerstreut wirkte. Wieder erkannte sie mich nicht, wie schon vor der Entführung einmal auf dem Revier, als sie mit dem Bomer da gewesen war und den anderen. Mir fiel ein, dass ich eine andere Haarfarbe hatte, als in der Zeit, wo wir uns öfter mal unterhalten hatten. Und operiert war- in der Zeit, wo sie bei Petra eingesperrt gewesen war, hatte Bomer uns ja...nicht dran denken! Wenn Klara mich sehen würde, würde sie ausrasten, weil ich jetzt wohl wirklich wie Blythe aussah. Große Augen, Stupsnase und ein Schmollmündchen. Und die Extra- niedliche Zugabe zwischen den Beinen...

Ich legte mich auf dem Parkplatz des Spa auf die Lauer, denn es gab einen separaten Mitarbeiterzugang, den ich beobachten wollte. Und dann den Bereich mit der Verwaltung, wo Wu Junior sein Büro hatte. Es war halb neun. Zum Glück hatte ich nicht die ganze Nacht gefeiert... Nun zeichnete es sich aus, dass ich so klein war. Ich konnte mich in den Windungen des Kunststoffdrachen, der vor dem Eingang stand, verstecken. Es war furchtbar langweilig! Zudem bimmelte eine Glockenspiel- Version von „Beyond the sea" in der Dauerschleife. Anfangs summte ich enthusiastisch mit, sang vor mich hin, doch irgendwann hatte ich genug. Es war kurz vor zehn, als eine Limo angefahren kam. Ich sah schon am Nummernschild, wem sie gehörte- HAPPY NOODLES 2, den Wu! Der Chauffeur öffnete die Tür und Mrs. Wu stieg aus. Die zarte, dünne Frau schritt dynamisch auf den Privateingang zu, der Chauffeur holte auf und öffnete ihr die Tür. Ich überlegte, ob er mich auch durchlassen würde oder ob ich vom öffentlichen Bereich dorthin kommen könnte, als sie zögerte und wieder heraus kam. Und dann direkt auf den Drachen zukam...ich kroch rückwärts, verlor den Halt und rutschte am gerundeten, glatten Körper der Figur runter. Nicht tief, aber so, dass ich schief auftrat. „Ver...!", setzte ich an.

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