[𝟑] 𝐇𝐢

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Den ganzen Tag über war ich sehr nachdenklich. Ich verbrachte zwar eine tolle Zeit mit meinen Schwestern, konnte jedoch trotzdem nicht aufhören, an Mr. Unsymphatisch und die Tatsache, dass er Nora's Bruder war, zu denken. Es wollte einfach nicht aus meinem Kopf raus. Ich hatte wirklich versucht mich abzulenken, indem ich meinen Schwestern die Stadt zeigte oder ihnen den leckersten Burger kaufte, den ich je probieren durfte. Aber trotzdem wurde ich den Gedanken an ihn einfach nicht los. Und ich wurde vor Allem nicht den Gedanken daran los, dass ich bei ihm klingeln müsste. Natürlich musste ich das nicht wirklich, ich hatte die Wahl. Aber ich wollte Nora unbedingt sehen und das stand auf meiner Liste nunmal ganz oben. Fast sechs ganze Jahre hatten wir uns nicht gesehen. Damals schmerzte es sehr in mir, dass ich wegziehen und sie alleine lassen musste, nachdem wir seit unserer Geburt an alles zusammen erlebt hatten. Und selbst jetzt gerade, als ich mit meinen Schwestern im Ruby's saß und Eis aß, musste ich an sie denken. Denn hier verbrachten wir damals fast jeden Abend zusammen. Ich entschied mich gedanklich dazu, Nora erst morgen zu besuchen. Heute hatte ich wirklich nicht die Nerven dazu. Ich brauchte etwas Ruhe, bevor wir mit meinem Dad und Cristina was essen gehen würden.

»Wann gehen wir nach Hause?«, fragte Ana, welche schon wieder mit ihrem Handy beschäftigt war. Manchmal wünschte ich mir, sie würde keines besitzen. Aber ich versuchte nicht wütend zu werden oder es ihr zu verbieten. Manchmal wusste ich einfach nicht was in ihr vorging und ich erhoffte mir irgendwie, ihre Freundinnen, mit denen sie jeden Tag sprach, würden sie aufmuntern. Ich wollte aber, dass sie die Zeit mit uns genoß und diesen Ausflug nicht als Last empfand.

»Noch nicht bitte«, schmollte Emilia, während sie versuchte, den restlichen Milkshake, der sich in ihrem Glas befand, auszutrinken. Aber das Glas war seit fünf Minuten schon leer. Das Geräusch, was sie hinterließ, war nervtötend, aber ich sagte nichts dazu. Stattdessen nahm ich ihr das Glas ab und lächelte sanft. »Da ist nichts mehr drinnen, Kleine«, erklärte ich und sammelte auch unser leeres Geschirr auf. Schnell brachte ich es nach vorne, damit es nicht eingesammelt werden müsste und stellte mich wieder zu unserem Tisch. »Es ist schon spät, Emilia. Außerdem wollte Dad doch noch mit uns essen gehen, weisst du nicht mehr?«, ich nahm ihre Jacke in die Hand und half ihr, aufzustehen und diese anzuziehen. Eigentlich brauchte meine Schwester keine Hilfe mehr dabei. Aber ich hatte so einen beschützerinstinkt, was die beiden anging. Ich würde ihnen immer helfen. Für mich würde sie auch für immer meine kleinen Schwestern bleiben. Ich würde für die beiden sterben.

»Na endlich«, Ana stand auf und schaute mich mit einem genervten Blick an. Den ganzen Tag schon fiel es ihr schwer, mit uns etwas zu unternehmen. Die meiste Zeit sagte ich allerdings, wie gesagt, nichts. Ich wollte nicht streiten.

»Hasst du uns?«, fragte meine kleine Schwester plötzlich. Wir alle drei blieben Stehen. Die Frage kam so unerwartet, dass ich für einen Moment sprachlos blieb. Nach ein paar Sekunden kriegte ich mich ein und sah Ana an, welche ebenfalls nicht zu wissen schien, was sie sagen sollte. Dann räusperte sie sich nur.

»Ich hatte keinen guten Tag. Das ist alles«, mit diesen Worten verließ Ana das Lokal, während Emilia zu mir hinaufschaute. Lächelnd strich ich ihr eine herumfliegende Locke aus dem Gesicht. Sie sah wirklich aus wie ein Engel.

»Sie hat irgendwie immer einen schlechten Tag«, murmelte Emilia und schnappte sich Mr. Pebbels von ihrem Sitz. Zusammen gingen wir raus. »Weißt du, wenn man mitten in der Pubertät ist, dann ist das nicht einfach. Gib ihr einfach Zeit«, erklärte ich ihr und mit meiner Antwort gab sie sich vollkommen zufrieden. Ich hingegen wusste genau, dass es bei Ana noch viel mehr war als nur die Pubertät. Irgendetwas belastete sie und es war nur eine Frage der Zeit bis ich herausfinden würde, was genau es war. Und dann würde ich für sie da sein und ihr helfen. Das versprach ich ihr und mir. Auf dem Weg nach Hause redete keiner von uns so wirklich. Hin und wieder zeigte Emilia auf ein paar Gebäude und fragte mich, was diese waren. Ich gab ihr eine Antwort auf ihre Frage und wir verstummten wieder und genoßen die abendlichen Sonnenstrahlen.

tears of passionWhere stories live. Discover now