[𝟒] 𝐌𝐚𝐭𝐭𝐞𝐨

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»Wow!«, erklang es aufgeregt von Nora, als ich ihr von meinem erfolgreichen Abschluss an der High-School erzählte. Wir waren, schon seitdem wir im Restaurant angekommen sind, in einem sehr intensiven Gespräch verwickelt. Ich hatte nicht einmal mitbekommen worüber sich meine Geschwister oder Eltern unterhielten. Viel interessanter war das, was Nora mir zu erzählen hatte. Schließlich hatte ich sie Jahre nicht mehr gesehen. Und geredet hatten wir recht lange nicht mehr. Aber so wie wir hier saßen und über unsere Leben philosophierten fühlte sich nichts anders zwischen uns an. Alles fühlte sich genau so an wie vor sechs Jahren. Als wäre ich nie wirklich weg gewesen. Es gab nur einen entscheidenden Unterschied: Nora hatte einen unsymphatischen aber gleichzeitig mysteriösen, verdammt heißen Stiefbruder. Und dieser schien mich sehr oft an diesem Abend anzuschauen. Und nicht nur das war wirklich komisch. Denn auch ich musste ihn angucken.

»Ich kann nicht glauben, dass du nur Einsen auf dem Zeugnis hast. Das ist ja unfassbar«, fügte Nora hinzu und schob sich ein Stück von ihrem Tiramisu in den Mund. Ich lächelte zufrieden. Eigentlich wollte ich nicht wirklich im Mittelpunkt stehen oder für meine guten Noten gelobt werden. Ich hatte viel für meine Prüfungen gelernt. Und während andere Mädchen in meinem Alter lieber auf Parties gingen oder mit Freunden Zeit verbrachten, zog ich mich viel lieber zurück und las Bücher. Oder lernte. Ich tat alles, nur nicht rausgehen. manchmal wunderte meine Mutter sich und fragte mich, ob alles in Ordnung mit mir war. ich hingegen hatte ihr schon vor langer Zeit erklärt, dass ich nunmal nicht so war, wie die anderen Leute aus meiner Klasse. Und sie gab sich damit zufrieden.

»Das ist nicht der Rede wert«, murmelte ich nur etwas verlegen, als ich bemerkte, dass der Rest am Tisch etwas ruhiger wurde und uns zuhörte. Ich blickte zu meinem stolzen Vater, welcher mir zunickte. »Das ist wirklich unglaublich«, sprach nun Noras Mutter und schaute ihren Mann an. Paul, so hieß der Vater von Mason, schaute mich an und ich erkannte auf Anhieb diese Ähnlichkeit zwischen Mason und ihm. Er hatte viel von seinem Vater abbekommen. Die Nase, die Ohren, die markanten Gesichtszüge. Nur die Augen nicht. Instinktiv fragte ich mich, wie seine Mutter aussah. Oder was mit ihr passiert war. Vielleicht wüsste Nora etwas und ich konnte sie beiläufig darauf ansprechen. Das einzige was mich zum nachdenken anregte, war diese ungewöhnliche Bräune, die die beiden hatten. So als wären sie die letzte zwei Monate im Urlaub gewesen. Ich fragte mich wirklich, ob sie nur Amerikaner waren. Sie hatten irgendetwas.. temperamentvolles an sich. Aber keinen Akzent.

»Bemerkenswert«, kam es von Mason. Etwas verwirrt richtete ich meinen Blick auf ihn. Er legte den Kopf etwas schief und musterte mich. Ich wusste nicht genau, was seine Aussage bedeuten sollte. Aber ich kam nicht dazu, darüber nachdenken. Ich war auf seine unglaublich strahlend-grünen Augen fixiert. Wie konnte jemand nur so unmenschlich wunderschöne Augen haben?

Unsere Eltern verwickelten sich wieder in ein Gespräch, während ich meinen Blick nicht von Mason löste. »Danke«, sagte ich nur. Nora neben mir verdrehte ihre Augen und wandte sich dann an ihren Stiefbruder. »Bist du neidisch, Blödmann?«

Lachend trank er einen Schluck aus seinem Kaffee. Noch immer beobachtete ich ihn. Er hatte perfekte Zähne, die er aufgrund seiner frechen Art und Weise gar nicht verdiente. Und diese Lippen erst. Ich musste mich zusammenreißen. Es machte keinen Sinn, dass ich mich so zu ihm hingezogen fühlte. Sein Charakter war nicht so schön wie sein Äußeres. Zumindest der Teil seines Charakters nicht, den ich bisher zu sehen bekommen hatte.

»Ich bin nicht neidisch, Rotschopf. Aber ist das nicht ein bisschen langweilig?«

»Langweilig?«, fragte ich und hob eine Augenbraue an. Der Augenkontakt unterbrach nicht eine einzige Sekunde. Ganz im Gegenteil, es schien wie ein Spiel zwischen uns beiden. Wer würde es länger aushalten ohne wegzuschauen?

tears of passionWhere stories live. Discover now