50. Kapitel

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»Vielleicht sollten wir uns verbarrikadieren?«, frage ich Tyler und ziehe die Schultern in die Höhe. Die nasse Kleidung klebt an mir und macht mich bestimmt um einige Kilos schwerer.

»Wie wär's, wenn wir mal duschen gehen, damit uns ein wenig wärmer wird...«, schlägt er vor und erklärt dann, dass er mir den Vortritt lässt.

Das ist wirklich nett von ihm und fast wäre ich ihm um den Hals gefallen, vor Freude. Denn noch länger in dieser ekelhaften Montur voll Nässe, hätte ich es nicht mehr ausgehalten.

Ich laufe schnellen Schrittes in Richtung Bad. Dort entledige ich mich meiner Kleidung, wringe alle Sachen aus und hänge sie über das Waschbecken.

Meine Verbände wickle ich ab und beiße die Zähne in meine Unterlippe, um nicht vor Schmerzen zu wimmern. Nachher werde ich alles beim Kamin trocknen lassen. Vorausgesetzt Tyler hat es geschafft, Feuer zu entfachen.

Dann steige ich in die Dusche und will gerade das Wasser aufdrehen, da erstarre ich mitten in der Bewegung.

Oh Gott, daran habe ich gar nicht gedacht... Mir wird schlecht. In meinem Kopf streiten sich zwei Stimmen. Die eine will unbedingt unter die Dusche und das warme Wasser auf der Haut fühlen. Sich einfach ein wenig entspannen. Die andere brüllt, dass ich die Dusche auf dem schnellsten Weg verlassen soll, bevor ich vielleicht noch von einem Blitz getroffen werde.

»Tyler!«, brülle ich hinaus. Ein paar Sekunden später höre ich Schritte näherkommen.

»Ja?«, er streckt den Kopf bei der Tür hinein.

»Aah, schau weg!«, schreie ich auf und versuche meine Nacktheit mit den Händen zu bedecken.

»Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte!«, Tyler zwinkert mir zu und hält seinen Blick in meinen Augen fest. Ich zittere unter seinem Blick.

Ich werde so rot, dass ich mir wünsche, dass er den Blick wieder über meinen Körper wandern lässt. Wie peinlich kann es eigentlich noch werden?

»Ist es nicht gefährlich jetzt duschen zu gehen? Ich meine wegen des Gewitters...«, stammle ich dann und weiche seinem Blick aus.

»Willst du dich komplett durchnässt ins Bett legen?«, stellt mir Tyler die Gegenfrage.

Nein. Natürlich nicht. aber ich möchte nicht vom Blitz getroffen werden.

»Hey...«, Tyler tritt näher. »Dusch dich schnell ab, wenn du Glück hast, ist das Wasser warm und dann kommst du ins Bett, okay?«, er lächelt mich sanft an und mir wird warm. Wahrscheinlich brauche ich die Dusche gleich gar nicht mehr.

Ich nicke schnell und er verschwindet. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss und ich komme aus meiner Erstarrung.

Dann kommst du ins Bett... Das hat er gesagt. Ins Bett, in dem wir heute gemeinsam schlafen werden. Oder, es fällt ihm noch ein, dass er sich auf den Boden legt, damit wir Distanz bewahren. Wie in diesen Liebesfilmen, in dem es sich der eine am Boden gemütlich macht, bis der andere sagt, dass er doch bitte im Bett schlafen soll.

Wenn ich ganz ehrlich bin, war die Distanz schon zum Scheitern verurteilt, als wir uns das erste Mal geküsst haben, in dieser Bar.

Da mir ein Tropfen über den Knöchel rinnt, löse ich mich von diesen Gedanken und konzentriere mich auf die Wirklichkeit.

Ich schaue in den Schrank, der sich unter dem Waschbecken befindet und habe Glück, denn zwei Handtücher liegen darin. Eines schnappe ich mir und lege es an den Rand des Waschbeckens, damit ich mich nach der Dusche einwickeln kann.

So schnell es geht stelle ich den Regler auf Rot und warte, dass das Wasser wärmer wird, um mich dann in Eile abzuduschen. Richtig heiß ist das Wasser zwar nicht, aber immerhin besser als eisig kalt.

Ich steige aus der Dusche und wickle mich in ein graues, großes Handtuch. Ich zittere unter dem weichen Stoff und versuche mich notdürftig abzutrocknen. Die Haare rubble ich mir ein wenig trocken.

Dann schlüpfe ich in mein T-Shirt, das ich ganz unten anhatte, das ist noch halbwegs trocken, im Gegensatz zu dem anderen Zeug.

Ich ziehe mir die Unterhose über die Beine, da ich es mir bestimmt nicht antue, halbnackt vor Tyler herumzuspringen. Es ist schon zu viel des Guten, dass er mich gerade komplett entblößt gesehen hat.

Das Handtuch hänge ich über die Duschwand und ich nehme mein Gewand in die Hand und gehe wieder zurück ins Wohnzimmer.

Dort ist es schon bedeutend wärmer geworden. Auch wenn noch der Sturm an den Fensterländen rüttelt, ist es doch um einiges gemütlicher als vorher.

Tyler kniet vor dem kleinen Kamin, in dem ein Feuer brennt und es leise knistert. Er hört meine Schritte und dreht sich um.

»Sag mal, hast du schon versucht, unsere Eltern zu erreichen, vielleicht hast du Netz?«, frage ich dann leise und er richtet sich auf.

»Ollie, die haben bestimmt eine Hütte gefunden, mach dir keine Sorgen! Außerdem habe ich genauso wenig Empfang, wie du vorhin«, erklärt Tyler und kommt weiter auf mich zu.

Anscheinend sehe ich wahnsinnig verschreckt und traurig aus, denn er fasst mich leicht an die Schultern und sieht mir in die Augen.

Habe ich schon einmal erwähnt, wie schön seine Augen sind? Und wie sehr ich das Gefühl habe, dass er mir damit tief in die Seele blickt? Falls nicht, jedes Mal, wenn Tyler mich ansieht, habe ich das Gefühl, bereits im Himmel zu sein.

Ich nicke und versuche ihm so zu zeigen, dass ich mir nicht so viele Sorgen mache. Obwohl, die natürlich da sind. Schließlich sind meine Mutter und Georg mitten im Regen noch weiter den Berg hinauf gewandert.

Ich denke aber schon, dass Georg vorausschauend war, dass er seine heißgeliebte Wandertour aufgrund des Wetters abgebrochen hat.

Denn wenn ihm meine Mutter und sein eigenes Leben nicht wichtiger war als die Berge, werde ich ihm irgendetwas tun. Etwas antun, dass er nicht so schnell vergisst.

»Du kannst deine Kleidung vor den Kamin legen und ich springe auch schnell unter die Dusche. Kann ich dich allein lassen?«, Tyler mustert mich genauer.

Was denkt er? Dass ich in seiner Abwesenheit meine sieben Sachen packe und davonlaufe? Ich bin doch nicht geisteskrank. Wahrscheinlich werde ich, sobald ich einen Fuß vor die Tür setze, vom Blitz getroffen.

»Ja, natürlich...«, sage ich und reiße mich ein wenig von ihm los, um meine Sachen vor und auf dem Kamin auszubreiten.

Ich höre, dass Tylers Schritte leiser werden und eine Tür ins Schloss fällt. Ein paar Minuten später, beginnt das Wasser zu fließen.

Draußen donnert es wieder und ich atme einmal aus. Mein Atem zittert und meine Lungen brennen, als hätte ich zu schnell ein und ausgeatmet.

Ich lasse mich vor dem Kamin nieder und halte meine Hände davor. Auch wenn die Wärme nicht dazu beiträgt, dass meine Schmerzen weniger werden, so fühle ich mich nach und nach doch ein wenig wohler. Zumindest meine Zehen fühlen sich nicht mehr so an, als würden sie gleich abfallen.

Ich höre aus dem Bad, dass Tyler ein paar Schritte mit seinen nassen Füßen macht. Gleich wird er wieder ins Zimmer kommen. Und dann?

Sollen wir uns im Bett zusammenkuscheln, um uns gegenseitig warm zu halten? Gut, wenn ich ganz ehrlich bin, will ich nicht behaupten, dass ich etwas dagegen hätte...

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Where stories live. Discover now