51. Kapitel

78 12 4
                                    

»Verbrennst du eh nicht?«, Tyler erscheint hinter mir und ich höre in seiner Stimme, dass er grinst.

»Mhm nein, ich hoffe nicht. Ansonsten musst du mich eben löschen... Irgendwo steht sicher ein Feuerlöscher«, ich zwinkere ihm zu und er lacht.

Was ist nur passiert? Gerade noch hatte ich Panik um meine Mum und jetzt kann ich schon mit ihm lachen.

»Wie geht's deinen Händen?«, fragt er mich dann und lässt sich neben mir nieder. Er trägt nur ein kurzärmliges T-Shirt und seine Boxershorts, die eng sitzt. Ich wende meinen Blick schnell ab.

Oh Gott, ich werde keine zwei Minuten neben ihm aushalten, wenn ich jetzt schon so auf ihn reagiere. Wo kommen all die Hormone her?

Ohne, dass ich etwas auf seine Frage sagen kann, hat er meine Hände schon in seine genommen und betrachtet sie mit zusammengekniffenen Augen.

Ganz sanft fährt er mit seinen Fingern über meine Wunden. Ich zucke zusammen. Nicht, weil es so weh tut, sondern weil er mich berührt hat. So ganz unvorhersehbar. Mein Herz flattert in meiner Brust.

»Es brennt ein wenig...«, sage ich leise und muss mich räuspern, da meine Stimme ganz kratzig klingt.

»Ich verbinde es dir dann wieder, wenn die Verbände getrocknet sind«, Tyler sieht mich an und ich nicke dankend.

Diese ganze Atmosphäre. Diese verlassene Hütte mitten im Regen und dem Sturm und da ist nur Tyler. So nah und ganz ungefiltert. Es ist schon fast zu viel für mich.

Als es blitzt und ein paar Sekunden später ein Donnergrollen den ganzen Raum erfüllt, mache ich mich automatisch ein wenig kleiner.

Tylers Hand schließt sich um meine. Mein ganzer Körper kribbelt, als würde ich in einem Ameisenhaufen sitzen. Und dabei hält er nur meine Hand. Wie leicht mein Körper hineinzulegen ist. Ist ja fast schon lachhaft.

»Alles wird gut...«, Tylers Stimme hüllt meinen ganzen Körper ein und ich habe für einen Moment wirklich das Gefühl, als wäre alles in Ordnung.

Wir sitzen einfach nur nahe beieinander, halten Händchen und schweigen uns an. Es ist aber nicht die Art von schweigen, wo man ganz verzweifelt versucht, ein Gespräch anzufangen, sondern es ist ein schönes Schweigen.

Irgendwann beginnt mein Magen zu knurren und ich werde rot. Super, jetzt denkt er bestimmt, ich bin total verfressen, schließlich haben wir erst vor ein paar Stunden gegessen.

»Ich werde mal nachsehen, ob ich etwas essbares finde...«, erklärt Tyler und grinst mich an: »Nicht, dass du mich noch aufisst.«

Ich verdrehe die Augen. Was kann ich denn dafür, dass ich Hunger habe. Ich bin eben noch im Wachstum. Nur weil er schon ausgewachsen ist und anscheinend nur von Bergluft und Wanderungen satt wird...

»Haben wir nicht noch Brötchen von Resi?«, frage ich und sehe ihn an.

Tyler reißt die Augen auf und sieht aus, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen: »Willst du sehen, was aus den Brötchen geworden ist? Es ist einfach nur Wassersuppe und ein paar Brocken von...«

Iiih! Ich schüttle mich und sage schnell: »Ich helfe dir beim Suchen!« Dann rapple ich mich auf. Mein ganzer Körper tut weh und ich fühle mich ein wenig so, als hätte man mich überfahren.

Ich gehe hinter Tyler her zur Küchenzeile und beginne die Schränke zu öffnen. Ich finde ein wenig Besteck und zwei weiße Teller.

Über der Arbeitsfläche im Kasten greife ich schließlich drei Dosen. Es ist Gulaschsuppe. Auch wenn die Dosen wahrscheinlich uralt sind, kann ich mir nichts Besseres zu essen vorstellen.

Tyler gießt eine, der drei Dosen in einen Topf und macht den Herd an. Es dauert nicht lange und die rotbraune Brühe beginnt zu brodeln. Ich hoffe die Gulaschsuppe ist noch genießbar. Wäre ja nicht ganz so witzig, wenn wir beide über der Kloschüssel hängen, wo es doch nur eine gibt...

Ich beobachte die Suppe im Topf argwöhnisch. Ich weiß nicht genau, was ich zu dieser Farbe sagen soll.

»Ich weiß, dass ich kein Meisterkoch bin, so wie du... aber ich denke du musst mit der Gulaschsuppe vorliebnehmen«, Tyler grinst mich an.

Ich verdrehe die Augen. Nur weil ich einmal Palatschinken gemacht habe, zieht er mich damit auf.

»Du darfst gerne den ersten Löffel nehmen, du Meisterkoch!«, ich sehe ihn auffordernd an.

»Aber natürlich!«

Er gießt die Brühe in zwei Teller. Einen schiebt er mir zu. Dann schnappt er sich einen Löffel und rührt einmal kurz um.

»Viel Glück!«, wünsche ich ihm. Ich hoffe er ist danach nicht vergiftet. Ich weiß nicht, was ich bei einem Sturm in den Bergen mit einer Leiche anfangen soll.

Tyler probiert von dem Löffel. Ich halte kurz die Luft an. Doch er beginnt zu lächeln.

»Schmeckt, wie selbstgemacht!«, erklärt er selbstgefällig und taucht seinen Löffel wieder in die Suppe.

Angeheizt von seinen Worten, öffne ich die Schublade und nehme mir ebenfalls einen Löffel.

Vorsichtig probiere ich und tatsächlich. Es schmeckt viel besser, als ich es mir vorgestellt habe. Ich meine, bei Gulaschsuppe kann man ja nicht so viel falsch machen.

»Denkst du das Gewitter hört bald auf?«, frage ich nach dem nächsten Löffel.

»Ich hoffe es...«, sagt Tyler und sieht mich an.

»Was?«, mache ich und mir wird seltsam warm. Es könnte auch einfach an der warmen Gulaschsuppe liegen. Oder an etwas anderem...

»Ich überlege nur, wie wir es uns dann gemütlich machen, wenn wir dableiben müssen.«, erklärt er dann und ich schlucke.

Wieder blitzt etwas vor meinem inneren Auge auf. Ein Bild, von uns beiden im kleinen Bett, aneinander gekuschelt.

Tyler lacht leise und ich sehe ihn erstaunt an. Ich hoffe, ich habe diesen Gedanken nicht laut ausgesprochen. In seiner Nähe mache ich Dinge, von denen ich nicht mal weiß, warum ich sie tue. Und anscheinend lasse ich auch keine Peinlichkeit aus.

»Du bist ganz rot im Gesicht. Vielleicht behältst du deine Gedanken in einem anständigen Bereich«, er zwinkert mir zu und auch wenn es wahrscheinlich nicht mehr schlimmer geht, wird mein Kopf noch etwas dunkler.

»Ich... bin immer anständig...«, stottere ich und versuche unauffällig einmal durchzuatmen. Wieso reagiere ich so auf ihn?

»Genau...«, Tyler leckt sich einmal über die Lippen und wie von selbst, huschen meine Gedanken in Bereiche, die ich vor ihm lieber nicht preisgeben will.

»Vielleicht solltest du auch einmal von dir sprechen«, ich kneife die Augen zusammen und beobachte ihn.

»Von mir?«, fragt er und ich nicke: »Natürlich, du bist genauso wenig anständig wie ich...«

»Was ist das für eine Unterstellung!«

»Du willst also sagen, dass du, wenn du mich siehst, keine Hintergedanken hast...«, erkläre ich und beobachte ihn genau.

Er schüttelt den Kopf, dass sich Strähnen, die sich auf seinem Zopf gelöst haben, hin und her bewegen und meint: »Ich bin ein anständiger Kerl, Ollie. Das weißt du doch.«

»Du willst also nicht sagen, dass du jedes Mal, wenn wir uns sehen, nicht daran denkst, wie du stöhnend unter mir gelegen und gebettelt hast...«

Tyler verschluckt sich an dem Bissen der Gulaschsuppe und beginnt zu husten, während er mich mit Tränen in den Augen ansieht.

»Aus dieser Reaktion schließe ich mal, dass ich goldrichtig lag...«, ich grinse ihn an und nehme kichernd noch einen Löffel.

Hinter verschlossenen Türen [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt