𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟒𝟐

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Silvan

Ich hatte nie eine schöne Kindheit.

Kindheit konnte man das nicht einmal nennen. Teufelskreis passte eher.

Mobbing in der Schule.

Schlägereien auf dem Pausenhof.

Noch mehr Schlägereien auf der Straße.

Streit zu Hause

Und schlaflose Nächte wegen dem ganzen Geschrei.

Teufelskreis. Immer und immer wieder von vorne.

Bis heute verstehe ich nicht warum ich noch nicht krank geworden bin.

Trotz all dem war ich nie eine Person, die darüber klagte oder sprach. Mir war es sozusagen egal. Was passiert ist passiert. Du kannst es nicht ändern. Warum sollte man die Gedanken und Worte dann in seinen Kopf lassen? Warum sich selber noch mehr Leid und Schmerz zufügen, als man schon sowieso hat?

Was brachte das?

Es war simpel. Die Dinge passierten und ich nahm sie so hin, wie sie waren. Eine andere Wahl hatte ich nicht. Ich war trotzdem immer noch dankbar, dass ich nicht zu der schwachen Sorte gehörte. Manche Menschen wissen nicht wie man sich währt.

Ich ging meinen Weg. Wer ihn überquerte musste mit den Konsequenzen leben. Fertig.

Es blieb so. Für eine Weile.

Dann musste sie kommen.

Wie benommen starrte ich sie an. Mein Mund öffnete sich, doch keine Worte kamen raus. Ihre Augen glitten über jedes Detail meines Gesichts und schienen nach meiner Reaktion zu suchen. Doch ich konnte sie ihr nicht geben. Selbst als ich die Angst und die Unsicherheit aus ihrem Blick lesen konnte, schaffte ich es nicht die richtigen Worte zu formen.

Sie sagte mir alles. Sie sprach davon, was man ihr in der Schule antat. Was man den anderen Schülern antat. Was passierte, wenn mal jemand nicht gehorchte. Alles. Wort für Wort. Satz für Satz. Bis ich irgendwann nicht mehr wusste, ob ich mehr hören wollte.

Sie haben das gemacht. Sie haben ihr wehgetan.

Sie haben meiner Emilia wehgetan.

Zwei sanfte Hände auf meinen ließen mich aufzucken und mein Kopf schellte wie auf Knopfdruck hoch. Ihre warmen Augen trafen auf meine und ich spürte wie ich langsam in die Gegenwart gerissen wurde. Vorsichtig schaute ich runter zu unseren Händen und musste hart schlucken. Ihre kleinen Daumen strichen über meine zu Fäusten geballten Hände und ich bemerkte, wie sich eine leichte Gänsehaut auf meine Haut legte.

Die Wut wurde kleiner.

Wie?

Wie machte sie das?

Ich spannte den Kiefer an und schaute zu wie sich ein kleines trauriges Lächeln an ihre Lippen legte. Sanft schüttelte sie mit dem Kopf. "Es ist in Ordnung", ihre Stimme war nur noch ein schwaches Flüstern. "Ich bin daran gewohnt."

Ich spürte wie die Anspannung zurückkehrte. Wieso? Warum sie? Wieso das Mädchen, dass das alles am wenigsten verdient hat?

Ich war wütend. Sauer. Kurz vorm Platzen.

Sie werden leiden.

Ich werde jeden einzelnen bereuen lassen.

𝐒𝐢𝐥𝐯𝐚𝐧 ✓Where stories live. Discover now