Wenn sich ein neuer Anfang ergibt

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Seit mittlerweile einer Woche, habe ich jetzt tägliche intensive Bewegungstherapie und jeden Tag fühlt es sich immer besser an. Keine Ahnung was mich auf einmal so motiviert, denn mein Fortschritt ist so rasant, dass es mich selbst verwundert.

Hätte mir jemand vor zwei drei Wochen gesagt, dass ich bald wieder auf meinen eigenen Füßen stehen kann, dann hätte ich ihm wahrscheinlich einen Vogel gezeigt. Manche würden mich für bekloppt bezeichnen, wenn ich zusätzlich sage, dass ich gerne zur Therapie gehe. Eins muss man sagen, der männliche Part ist überzeugend und motivierend zugleich.

Der ganze Mist mit Dave darf mich nicht stoppen und das will ich auch nicht. Bis hierher habe ich es auch geschafft, wenn auch mit vielen Umwegen und doch ist da dieser Stolz in mir. Heute hab ich einen hohen Level an Motivation und so Kram, ich verbringe so gern Zeit mit Liam. Nicht das ich was von ihm will, aber er hat so eine ruhige Ader und das ist aktuell der beste Antrieb für mich.

Wir machen tägliche Fortschritte, denn mittlerweile bin ich schon so weit, dass ich am Barren ein zwei Schritte gehen kann. Zusätzlich haben wir meine Arme und Oberkörper trainiert und tada, Ben ist fast überflüssig geworden. Gestern habe ich sogar Omi überrascht und sie am Eingang abgefangen. Es ist ein tolles Gefühl mobil zu sein, auch wenn es mit dem Rollstuhl ist.

Sie war so stolz auf mich, dass sie erstmal Rotz und Wasser geheult hat und anschließend sind wir dann auf ihren Wunsch Eis essen gegangen.

"Sarah???? Huhu??? Wo bist du?? Jemand da?"

Liam sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. Super jetzt will er sicherlich wissen wieso ich so abwesend bin.

"Sorry ich war gerade in Gedanken vertieft, weil ich so stolz bin auf das, was wir bis jetzt geschafft haben. Danke das du nicht locker lässt und mich so anspornst."

"Hey, erstens ist das meine Arbeit und zweitens hab ich nur deine vorhandene Motivation ergriffen und sie weitestgehend erhöht. Du machst gute Fortschritte und darauf kann man stolz sein."

Diese Worte bauen mich auf, denn bald möchte ich hier raus sein und wieder komplett am Leben teilhaben.

"Am Samstag habe ich ein Telefonat mit meiner Uni gehabt. Da ich so viel verpasst habe, muss ich mein Semester wiederholen und der Start ist in drei verdammten Wochen. Meinst du wir schaffen das? Beziehungsweise meinst du ich kann dem Start zusagen? Der Zeitraum verunsichert mich so sehr, da ich noch so schnell erschöpft bin und kaum ein paar Schritte gehen kann."

Liam nickt nur, stellt sich plötzlich hinter den Rollstuhl und fährt mich aus dem Trainingsraum.

"Wohin wollen wir? Ich dachte wir haben jetzt unsere Folterstunde?"

"Du und ich haben jetzt etwas wichtiges zu erledigen, also los. Sagen wir es so, die Stunde wird heute etwas anders und vielleicht bringt es ja was."

Draußen vorm Krankenhaus bleiben wir kurz stehen, da Liam noch was googlen muss. Ich habe wirklich keine Ahnung was er vor hat, aber mal sehen was heute das Ziel ist. In der Zeit wie Liam irgendetwas leise fluchend aus seinem Handy sucht, drehe ich mich mit Rolli und genieße das wunderschöne Wetter. So selten wie ich aktuell draußen bin, so surreal fühlt sich aktuell jeder einzelne Sonnenstrahl auf der Haut an. Was wäre wenn dieser Unfall noch ungünstiger verlaufen wäre oder ich jetzt noch im Koma liegen würde. Dieses doofe was wäre wenn, es verfolgt einen auf Schritt und Tritt. Plötzlich setzt sich der Rollstuhl wieder in Bewegung.

Als wir vor der Bushaltestelle stehen ist immer noch kein Ziel in Sicht, erst als wir im überfüllten Bus sitzen. Liam hat einen anderen gut gebauten Typen gefragt ihm zu helfen mich in den Bus zu bekommen und ehrlicherweise musste ich auch etwas lachen, weil es so unbeholfen aussah.

Einige Minuten glaube ich zu verstehen was Liam mit mir vor hat.

"Falls du es nicht weißt, aber wir müssen die nächste Station raus und nicht erst an der Citrusstation. Mein Teil der Uni liegt auf der linken Seite und da bietet es sich an schon dort auszusteigen Mister super durchdachter Planer."

Voller Stolz seinen Plan durchschaut zu haben, grinse ich wie ein Honigkuchenpferd und dieses Mal benötigen wir keine Hilfe da der Ausgang eben war. Draußen steht Liam vor mir und schaut mich unschuldig an, als wollte er sich hierfür entschuldigen.

"Ich hätte fest damit gerechnet, dass du mich anmekkern wirst und du deine Ruhe möchtest. Doch jetzt schockiert mich eher deine gute Laune. Du verblüffst mich immer wieder junge Dame."

"Ehrlicherweise wollte ich niemanden zur Last fallen, da ich gefühlt dauerhaft Hilfe benötige und noch nichts komplett allein hinbekomme. Doch ich danke dir sehr, dass du spontan die Initiative ergriffen hast und mich nicht verkümmern lässt."

Auf dem Weg zum Verwaltungsgebäude zeige ich ihm den Campus. An sich ist das Unigelände sehr an einen Park angehaucht wo massive griechisch angehauchte Gebäude stehen. Die Grünflächen sehen wie immer äußerst gepflegt aus, obwohl tagsüber so viele Menschen darauf sitzen. Als wir an den Parkplätzen vor den Wohnhäusern vorbei sind, treffen wir auf einige meiner alten Kommilitonen welche mich freundlich grüßen. Irgendwie tut es voll gut wieder hier zu sein und das ganze Treiben zu sehen, was bis vor ein paar Monaten mein täglicher Begleiter war und bald wieder mein Alltag sein wird. Oftmals gleiten wir leicht vom Weg ab, denn es könnte sein das Liam von der Umgebung gefangen ist. Etwa zwanzig Minuten haben wir jetzt zum Verwaltungsgebäude gebraucht. Jetzt sitze ich hier im Rollstuhl vor der Tür von Ms. Conrad, der Verwaltungsdirektorin und traue mich nicht zu klopfen, weshalb das meine Begleitung frecher Weise für mich übernimmt.

Plötzlich wird die Tür aufgerissen und eine Dame mittleren Alters steckt ihren perfekt frisierten grauen Schopf zur Tür raus.

"Guten Tag, was kann ich für sie tun?"

"Guten Tag Ms. Conrad, mein Name ist Sarah Rivers. Ich bin hier um mich für das neue Semester einzutragen. Erst kürzlich wurde mir das per Mail mitgeteilt."

"Ja stimmt, kommen sie doch kurz mit in mein Büro Ms. Rivers, dann werden wir alles gemeinsam besprechen."

Sie öffnet die Tür vollständig, tritt beiseite und bittet uns mit der passenden Handgeste herein. Ich liebe diese alten dunklen Büros. Überall sind diese dunklen massiven Möbel, Urkunden und die typische Winchester Couch.

Vielleicht liegt das an meiner Vorliebe für die Literatur. Plötzlich reist mich die Stimme der Direktorin aus dem Staunen.

"So Ms. Rivers, dann schauen wir doch einmal wie es für sie weitergeht."

If it's not youWhere stories live. Discover now