Kapitel 34 - Stolz und Vorurteil

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Fröstelnd zog ich die Schultern zusammen und beobachtete wie sich zarte Wölkchen vor meinem Mund bildeten als ich in meine Hände hauchte. Automatisch verfestigte sich Barnes griff um meine Schultern. "Ich glaube wir sollten langsam zurück.", meinte er und deutete in den Himmel. "Es wird bald dunkel und ich will nicht, dass du dir eine Erkältung holst.", fügte er hinzu. Ehe ich widersprechen konnte, hatte er seine Jacke ausgezogen und hielt sie mir hin. Ich schaute ihn mit großen Augen an. "Wenn du sie nicht nimmst, ziehe ich sie dir eben selbst an." Bucky machte einen Schritt auf mich zu und fasste dabei an meine Hüfte, um mich näher zu sich zu ziehen. Für den Bruchteil einer Sekunde ertappte ich mich dabei wie ich diese kleine Berührung genoss, dann aber sah ich rot, nahm ihm die Jacke aus der Hand und brachte wieder etwas Abstand zwischen uns. Ich wollte kein Risiko eingehen. Er bemerkte meine Angst, hielt sich jedoch zurück. Zögernd warf ich mir die Jacke über und merkt sofort, dass das keine gute Idee gewesen war. Plötzlich vernahm ich überall seinen Geruch und konnte es nicht verhindern das ich einen tiefen Atemzug nahm. Zedernholz, Patchouli und ein Hauch Vanille schaffte es beinahe mir völlig die Sinne zu vernebeln. Der herbe und süße Geruch zu gleich erinnerte mich sofort an Bucky. Hätte ich diese Jacke zufällig angezogen, hätte ich sofort gerochen, dass es seine war. Nur mit Mühe schaffte ich es mich wieder auf mein Gegenüber zu konzentrieren. "Wir können los.", murmelte ich abwesend und stapfte voraus, sah aber sehr wohl das kleine Lächeln das sich auf Barnes Lippen abzeichnete.

Der Weg zum Haus verlief schweigend. Jeder von uns hing seinen eigenen Gedanken nach. Viel mehr fragte ich mich aber was in Barnes vorging. Er wirkte völlig entspannt, als wäre er gerade von einer Tiefenmassage zurück. Er bemerkte meinen Blick und schaute mich fragend an. "Ist was?" Ich stopfte die Hände in die Taschen seiner Jacke und schüttelte den Kopf. Ich hatte das Gefühl als würde ich seine Hände berühren als ich die Finger in den tiefen der Taschen vergrub. Dieses Gefühl machte mich beinahe wahnsinnig. Bucky konnte unglaublich stur und beherrschend sein, doch dann gab es immer wieder Momente in denen er vor Fürsorglichkeit nur so strotzte und gerade das ließ mein Herz mit jeder Sekunde die ich mit ihm verbrachte schwerer werden...

Drinnen angekommen zog ich mir die Jacke aus und hielt sie ihm entgegen. "Danke.", sagte ich und rang mich zu einem Lächeln ab, doch innerlich wusste ich, dass ich ihm nichts vormachen konnte. "Hast du Hunger?", fragte er und nahm mir das Kleidungsstück aus der Hand. Ich schüttelte den Kopf. "Nicht wirklich. Außerdem glaube ich, dass wir langsam anfangen müssen zu sparen.", meinte ich besorgt und dachte an die Vorratskammer, deren Lebensmittel in den letzten Tagen deutlich geschrumpft waren. "Wenn es zum Äußerten kommen sollte, essen wir uns eben gegenseitig.", antwortete Bucky trocken und brachte mich damit zum Lachen. Ich mochte es, wie er mich ansah wenn ich lachte. Als würde es in diesem Moment für ihn nichts anderes geben. "Ich werde mal duschen gehen." Ich zeigte hinter mich auf den Flur. Er nickte und begann bereits damit sich aus seinen Trainingsklamotten zu schälen. "Ich nehme das Gästebad." Er warf mir ein schiefes Grinsen zu. Nur mit Mühe schaffte ich es mich vollständig umzudrehen und das Wohnzimmer zu verlassen. Auf dem Weg ins Badezimmer schüttelte ich mit dem Kopf. "Was ist nur los mit dir?", fragte ich mich selbst als ich in mein Spiegelbild blickte nachdem ich aus der Dusche gestiegen war. Das heiße Wasser hatte zwar den Schweiß von mir abgewaschen, meine Gedanken hatte es jedoch nicht vertrieben.

Als ich frisch geduscht und angezogen ins Wohnzimmer kam war Barnes schon fertig und hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Zu meinem erstaunen hatte er ein Buch in den Händen und blätterte gerade mit gerunzelter Stirn eine Seite weiter, als ich mich neben ihn hockte. Erschrocken zuckte er zusammen als hätte er meine Anwesenheit gar nicht bemerkt. Belustigt zog ich eine Augenbraue nach oben. "Du liest?" Ich konnte nicht verhindern das meine Stimme ein wenig amüsiert klang, was ihn offenbar ärgerte. "Darf man in diesem Haus überhaupt noch atmen?", gab er verärgert zurück. "Kommt drauf an. Was liest du denn da schönes?", hakte ich nach und wollte ihm das Buch aus der Hand nehmen. Doch Bucky war schneller und versteckte es blitzschnell hinter einem der Kissen, konnte aber nicht verhindern, dass ich einen kurzen Blick auf den dunklen, von Rosenbildern überzogenen Einband erhaschte. Diesen Einband würde ich unter vielen sofort wiedererkennen, denn er gehörte zu einem meiner absoluten Lieblingsbücher. Stolz und Vorurteil, geschrieben von Jane Austen. Auch wenn ich es nicht zugab, ich war schon immer eine kleine Romantikerin gewesen und hatte es schon früher als Teenager geliebt in Austens Bücher einzutauchen. Als ich vor ein paar Nächten nicht schlafen konnte, hatte ich das Buch aus dem Bücherregal geholt und mit in mein Zimmer genommen. Ich hätte schwören können, dass ich es zuletzt auf meinem Nachttisch liegen hatte, sicher war ich mir jedoch nicht. "Neugier ist eine Sünde.", antwortete er und machte keine Anstalten näher auf meine Frage einzugehen. "Was guckst du so schockiert?", lenkte er geschickt von Thema ab und musterte mich dabei. Meine Wangen färbten sich leicht rosa. "Naja, ich hätte nicht gedacht, dass du ein Bücherwurm bist.", gestand ich. "Du hast mich also mal wieder falsch eingeschätzt Eleanor.", war alles was er dazu sagte. Eine Weile herrschte Stille zwischen uns und ich starrte nachdenklich auf die brennenden Kerzen vor mir. "Ich mag es zu lesen.", unterbrach ich die anhaltende Ruhe. "Es hilft mir, wenn ich gerade mal wieder nicht in meiner Welt klarkomme. Also tauche ich in eine andere ein.", fügte ich hinzu. Bucky nickte, als würde er es kennen was ich da gerade angesprochen hatte. "Ich mache es meistens vorm Schlafen gehen. Ich hoffe, dass ich damit meine Alpträume ein wenig in Schach halte.", vertraute er mir an und wich meinem besorgten Blick aus. Es war das erste Mal, dass er von sich aus von seinen Alpträumen sprach. Ich wusste das das für ihn sowas wie ein Tabuthema war, denn es fiel ihm schwer sich darüber jemandem zu öffnen. "Es tut mir leid, dass du deswegen solche Schmerzen hast.", flüsterte ich und dachte an die Nacht in der ich ihn wimmernd vorgefunden hatte. "Physische Schmerzen halte ich aus, aber die seelischen...die sind am Schlimmsten." Mit diesen Worten verpasste er mir eine Gänsehaut. Seine Worten ließen mich auch über Nacht nicht los.

Desire - Bucky BarnesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora