I | Alles auf Anfang

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Leonora 

"Die Nonne ist schwanger." Verwirrt drehte ich meinen Kopf zur Eingangstür, aus der die Stimme meines Neffen kam. "Von dir?" alarmiert guckte ich den 20 Jahre alten jungen Mann vor mir an. "Schmeichelhaft, dass du mir unterstellst, ich könnte eine Nonne von ihrem Gelübde abringen, aber in diesem falle, bin ich nicht der schuldige." Erleichtert atmete ich aus.

Bei dem Chaosstüfter wusste man nie. Meine Mutter kam aus dem Wohnbereich zu uns beiden in den Flur gelaufen. Sie strich sich eine graue Haarsträhne hinter das Ohr. "Meinst du Schwester Maria?" Fragte sie. "Ne. Die andere Anna oder so." Schulterzuckend beugte sich Nathan runter zu seinen Schuhen, um sie auszuziehen. Meine Mutter schaute ihren Enkel prüfend an, so als würde sie versuchen einzuschätzen, ob er die Wahrheit sagte.

"Ich ruf' gleich mal Cordula an, vielleicht weiß sie mehr, immerhin ist sie im Kirchenvorstand." Ich verdrehte die Augen. Es war so typisch meine Mutter. Sie war ein Klatschweib und ließ es sich nicht nehmen über die ein oder andere Person zu lästern, wenn diese Person ihr nicht gefiel. Die ältere Frau ging wieder zurück in den Wohnbereich und schien sich sofort ans Werk zu machen, Informationen zu bekommen.

Nathan hatte sich mittlerweile die Schuhe ausgezogen und ging an mir vorbei, dabei drückte er mir noch einen schnellen Kuss auf die Wange. "Hallo Tantchen." Er wusste, dass ich es hasste, wenn er mich so nannte. Ich gab ihm ein Klaps auf den Hinterkopf. "Hör auf, mich so zu nennen. Ich bin nur zwölf Jahre älter." "Immer noch älter." War die einzige Argumentation seinerseits. Während wir beide in der Küche standen, telefonierte meine Mutter fünf Meter von uns entfernt auf dem Sofa mit Cordula.

Meine Eltern waren vor fünf Jahren in die Innenstadt von Wien gezogen, nachdem sie jahrelang uns Kinder ein Stück außerhalb der Metropole aufgezogen hatten. Nathan bediente sich am Kühlschrank. Er hielt mir eine geöffnete Tupperdose mit Kartoffelsalat unter die Nase. Zustimmend nickte ich, daraufhin holte er für uns beide Besteck raus. Nach dem zwischen stopp in der Küche, machten wir uns auf den Weg zu Terrasse.

Mein Vater mit seinem schon lichter werdenden Haar saß mit dem Rücken zu uns auf der Dachterrasse, die zu der Wohnung meiner Eltern gehörte. Wir gingen an ihm vorbei und setzen uns auf die Couch ihm gegenüber. Er ließ langsam seine Zeitung sinken, die er wie immer täglich laß und schenkte mir ein Lächeln, was meinem sehr ähnelte. "Wie läuft es in der Uni?" eröffnete er das Gespräch. Nathan war noch am Überlegen wie er am besten sein Uni Leben beschrieb, da schnappte ich mir den Kartoffelsalat aus seinen Händen. Er warf mir einen bösen blick zu, den ich gekonnt ignorierte. "Ganz gut. Ganz gut."

Nathans Opa quittierte es mit einem Nicken. "Und bei dir, Leo? Schon eine Wohnung gefunden? Einen Job?" Missmutig verzog ich mein Gesicht. Mein Gegenüber seufzte tief und legte die Zeitung ganz weg. "Ich habe schon eine Wohnung im Blick und hatte heute das erste Bewerbungsgespräch. Es lief gut." Gab ich von mir und widmete mich dann schnell wieder dem Essen. "Sie heißt Anastasia." Meine Mutter kam auf die Terrasse. "Wer heißt Anastasia, Charlotte?" Fragend drehte sich ihr Mann in ihre Richtung.

"Na, die schwangere Nonne." Rief sie aus, als wäre es selbstverständlich. "Aber du meinst doch nicht die, die erst vor einem Monat als Nonne eingetreten ist, oder?" Es Schein ein wirklich wichtiges Thema zu sein. Vielleicht lag es auch daran, dass meine Eltern beide gläubige Katholiken waren. Der Themenwechsel war mir nur recht. "Doch Heinrich genau die. Kannst du dir sowas vorstellen?" Fange meine Mutter ungläubig. Ihr Mann antwortete darauf ebenfalls ungläubig mit einem: "Nein."

Nathan entzog mir den Kartoffelsalat. Frustriert über meine momentane Lebenslage ließ ich meinen Kopf zurück gegen die Stuhllehne sinken. "Leonora setzt dich gerade hin." Seufzend folgte ich der Anweisung meiner Mutter. "Übrigens hat mich Boris vorhin angerufen." Sprach meiner Mutter weiter an mich gerichtet. Nathan schmatzte leise vor sich hin. "Nathan hör auf so laut zu essen." Empörte sich meine Mutter. Ich musste mein grinsen herunterschlucken. "Ach ja. Was wollte er?" Nahm ich das Gespräch wieder auf.

"Er hat nach dir gefragt und gesagt, ich solle dir seine Nummer übermitteln. Anscheinend hat er mitbekommen, dass du und Tim euch getrennt habt." Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Ich hatte nie viele Freunde gehabt. Boris war eine dieser wenigen Freunde gewesen. Ich werde mich freuen, hätten wir wieder mehr Kontakt. Allerdings wusste ich auch, warum er sich erst jetzt wieder meldete und meine Mutter ein breites Lächeln im Gesicht hatte. Sie hoffte, dass mir endlich ein Mann einen Ring an den Finger stecken würde.

"Dein Dozent aus deinem Wirtschaftsrechts-Kurs hat mir deine letzte Note in deiner Hausarbeit gesagt." Meinem Neffen bleib der Mund offen stehen. "Woher.." "Er ist ein guter Freund." Erklärte mein Vater Nathan mit hochgezogenen Augenbrauen und einem mahnenden Blick. Bemitleidend legte ich meine Hand auf Nathans Schulter. Dann stand ich auf. "Wo hast du Boris Nummer hingelegt?" Fragte ich an meine Mutter gewandt. "Auf der Kommode im Flur." Antwortete sie mir. 

Zukunft | Raf Camora FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt