Kapitel 65

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Die Stille zwischen Zayn und mir ist so unerträglich das Murphy derjenige ist, der sie schlussendlich durchbricht. Zwar nur, indem er die Bestellung aufgibt, aber es erfüllt seinen Zweck. Ich bin ruhig, warte auf mein Essen und bedanke mich nur mit einem leisen Brummen, als Murphy es mir reicht. Natürlich sind wie immer eine Pommes, Nuggets und ein Doppelter Cheeseburger in meiner Tüte, von denen ich zuerst meinen Burger heraushole. Auch während ich esse, hält die Stille an. Zayn sieht mich an und holt gleichzeitig eine Reisetasche unter seinem Sitz hervor, die ich bis jetzt nicht bemerkt habe. Wahrscheinlich sind darin alle Kleidungsstücke, die ich Harry noch geben muss. Aber das kann er vergessen. Nicht heute. „Lou", murmelt Zayn schließlich und stellt die Tasche auf den Sitz neben mir. „Du hast aufgegessen und hoffentlich etwas mehr Lust, dieses Gespräch zu führen." – „Lass mich in Ruhe, Zayn. Ich mein es ernst" erwidere ich und wende meinen Blick zum Fenster hinaus. Ich habe wirklich keine Lust darauf. „Louis, es ist egal, ob du willst oder nicht, wir führen dieses Gespräch heute." Heute. Das heißt nicht, dass wir es jetzt führen müssen. Das heißt nur, dass es innerhalb der nächsten 9 Stunden passieren soll. „Zuhause", gebe ich deshalb von mir und hoffe, dass Zayn es akzeptiert. Er nickt. Zögerlich, aber er nickt. Dankbar nicke ich ihm zu, dann schließe ich meine Augen und lehne meinen Kopf gegen das Fenster, während wir weiter durch die Straßen rollen. Mit meiner Hand fahre ich in meine Hosentaschen und stoße auf etwas festes – Harrys Zettel. Scheiße. Das war erst heute morgen. Harry war erst diesen beschissenen Morgen.

Mein Magen verkrampft sich und ich versuche nicht nach Luft zu japsen. Heute ist zu viel. Alles ist zu viel. Jede Erinnerung. Warum konnte ich nicht verkatert sein und vergessen, wie sehr ich mir in diesen Momenten Harry an meine Seite gewünscht habe. Ich will mich nicht damit beschäftigen, dass ich ihn vermisse und wie sehr ich mir wünsche, wieder mittags mit ihm essen gehen zu können oder einfach nur zu hören, wie er von einem seiner Bücher redet. Ich will mich nicht mit den Gefühlen beschäftigen, die er in mir auslöst. Kann ich ihn nicht einfach mögen, wie ich Zayn mag? Oder mag ich ihn genauso und interpretiere es nur anders, weil wir uns ein paar Mal geküsst haben. Und wir miteinander geschlafen haben. Wo hören die freundschaftlichen Gefühle auf, wenn sie es überhaupt tun? Ich weiß es nicht. Und in den Filmen, die ich geguckt habe, wird die erste große Liebe immer so dargestellt, als würden tausend Feuerwerkskörper explodieren und als wüssten die Protagonisten sofort, wie es um ihre Gefühlswelt stand. Ich will nicht darüber nachdenken, ob ich Harry mag. Ob ich irgendjemanden mag. Es ist mir einfach nicht egal, so sehr ich es auch will. Irgendwo in mir scheint mein Kopf sich doch gutmütig, denn anstatt mir weiter meinen Kopf zu zerbrechen gleite ich in einen unruhigen Schlaf.

Erst auf meiner Auffahrt stehend blinzle ich meine Augen wieder auf. Weder Zayn noch Murphy sind noch aufzufinden, die Schiebetür steht allerdings noch auf. Sicher bin ich also. Natürlich, ich meine, das hier ist mein Haus, mein Zuhause,aber alleine in einem Van aufzuwachen ist nicht unbedingt das entspannte erwachen, das ich mir gewünscht habe. Langsam stolpere ich aus dem Wagen und schließe die Tür, ohne darüber nachzudenken, was noch in dem Van liegen könnte. Ein griff in meine Hosentasche verrät, dass mein Schlüssel noch da ist, weshalb ich ums Haus herum gehe und wie zu erwarten Zayn und Murphy auf meiner Terrasse vorfinde. Zufrieden sitzen sie in den Gartenstühlen und unterhalten sich, Zayn hält eine Kippe in seiner Hand. Wortlos nehme ich sie ihm weg und nehme selbst einen Zug. Das tut gut. „Auch mal wach?", fragt Zayn, woraufhin ich brumme und mich auch setze. Murphy lächelt mich an, was ich sanft erwidere. „Warum machst du noch nicht Feierabend?" – „Ich bringe Zayn noch nach Hause." Langsam schüttle ich meinen Kopf. „Er kann sich einen Uber rufen, keine Sorge. Danke für heute morgen, allein wäre ich da nicht durch gekommen." Murphy lächelt nur. „Mach dir keine Sorge, Tommo, das ist mein Job. Und ich mache es gerne." – „Trotzdem Danke." – „Mach dir keinen Kopf", erwidert er nur erneut, grinst und verschwindet ums Haus herum.

In Ruhe rauche ich Zayns Kippe zu Ende, dann drehe ich meinen Kopf zu ihm und mustere sein Gesicht. „Willst du nicht auch nach Hause gehen?" Er grinst, dann schüttelt er seinen Kopf. „So einfach wirst du mich nicht los, Tommo." – „Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Nur heute? Meine ganze Woche war beschissen." Mein bester Freund seufzt und sieht mich mitleidig an, aber schüttelt seinen Kopf. „Ich glaube du willst diese Unterhaltung nie führen, also bringen wir sie jetzt hinter uns." Mit den Achseln zuckend schüttle ich meinen Kopf. „Und was macht dich da so sicher?" – „Ich kenne dich, Louis." – „Fick dich" – „Sag ich doch", grinst er, setzt sich auf und wirft mir die Tasche zu. Ich versteife mich und schiebe die Tasche wieder von mir, passe allerdings auf, dass sie nicht einfach so auf den Boden fällt. „Du weißt was da drin ist?" – „Harrys Sachen." Er nickt und sieht mich aufmerksam an, als wisse er nicht, was er sagen solle. In seinem Kopf legt er sich seine Worte zurecht, sieht in den Himmel und fährt fort: „Warum hast du es noch nicht wiedergegeben?" Weil ich es nicht will. „Er hat nicht danach gefragt." – „Du hast auch nicht nach deinen Sachen gefragt" erwidert er und sieht mich mahnend an. Kann er das Thema nicht einfach ruhen lassen? Es kann ihm doch egal sein, ob Harry noch Sachen von mir hat.

„Louis, warum hast du noch Sachen von ihm?" – „Ist doch egal, Zayn" patze ich, stehe auf und gehe ums Haus herum zur Eingangstür, welche ich aufschließe und hinter mir ins Schloss fallen lasse. Schnell gehe ich die Treppen hinauf, nehme zwei Stufen auf einmal und eile oben angekommen durch mein Schlafzimmer ins Bad. Noch während ich laufe, landet Harrys Pullover auf meinem Bett. Im Badezimmer entkleide ich mich, springe unter die Dusche und seufze, als das warme Wasser auf meine Haut trifft. Angenehm prallt das Wasser auf mich hinab, hüllt mich in einen angenehmen Schutzwall, der mich von den in mir wütenden Gefühlen abschottet. Wie betäubt sehe ich auf den feuchten Boden und beobachte, wie das Wasser den Abfluss herabfließt. Routiniert greife ich mein Shampoo, gebe ein wenig in meine Handinnenfläche und massiere es dann in meine Haare. Wie lange genau ich dieselben Bewegungen immer und immer wiederhole, weiß ich nicht, aber als ich mir das Shampoo aus den Haaren wasche, ist es schon leicht eingetrocknet. Schnell wasche ich auch noch meinen Körper, ehe ich mich in ein kuschelig warmes Handtuch von der Heizung wickle und meine Haare ein wenig Trocken rubble. Trocken und nur ins Handtuch gekleidet gehe ich zu meinem Kleiderschrank und ziehe daraus frische Boxershorts, Socken, eine Jogginghose und einen kuscheligen Teddyfell Pullover hervor. Durchs Fenster erkenne ich, dass Zayn nach wie vor auf seinem Stuhl sitzt und darauf wartet, dass wir das Gespräch fortführen können.

Wie ein Schlag bringt dieser Anblick alle Gefühle zurück und ich stütze mich an der Wand neben mir ab. Mein Magen verkrampft sich und ich ringe verzweifelt nach Atem, um meinen Körper wenigstens ein bisschen zu entspannen. Wie wild pocht mein Herz gegen meinem Brustkorb und veranlasst mich dazu meine Hand kurz auf meine Brust zu pressen. Unter meiner Hand hämmert mein Herz wie ein Presslufthammer gegen meine Haut, wodurch sich eine unangenehm kribbelnde Gänsehaut über meinen ganzen Körper zieht. Aber es geht nicht. Fest presse ich meine Hand auf meinen Magen, presse meine Augenlieder zusammen und versuche alles wieder aus meinem Kopf zu verdrängen. Keine Tasche voller Sachen von Harry, die das letzte sind, die mir noch von ihm bleiben. Er ist weg, ist einfach so gegangen, die paar Shirts kann er doch entbehren. Immerhin hat er auch was von mir. Tragen deshalb Pärchen die Sachen vom anderen?  Früher fand ich es immer lächerlich, aber jetzt? Jetzt möchte ich nicht, dass die letzten Spuren Harrys aus meinem Bett verschwinden. Sein Shirt roch schon kaum noch nach ihm. Dafür habe ich jetzt den Pulli, was gut ist, natürlich ist es das, aber ich wünsche mir, ich hätte ihn anders bekommen. Nicht, weil mein betrunkenes ich schwach genug war zuzugeben, dass es Harry mag. Er muss mich hassen. Scheiße, ich habe bisher nicht mal drüber nachgedacht, dass ich Harry geweckt haben könnte. Immerhin sah er nicht so aus, als wäre er noch wach gewesen, bis ich ihn angerufen haben. Was ist, wenn Harry mich hasst? Es verändern nichts zwischen uns, weil da nichts zwischen uns ist, aber... ich weiß nicht, was ich tun würde, würde Harry mich hassen. Wahrscheinlich einen traurigen Song darüber schreiben und ihn meinen Stapel an unveröffentlichten Liedtexten hinzufügen.

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hi Freunde der Sonne,

glaubt ihr Louis beginnt zu verstehen, was er eigentlich für Harry empfindet, oder braucht das noch einen weiteren Anstoß? Vielleicht noch so eine Nacht wie die gestrige? (Ja, das war erst gestern haha!)

love, j x

fake it ⎜l.s. auWo Geschichten leben. Entdecke jetzt