Teil 21

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Ich erblicke die verdreckten Gebäude. Zum Glück bin ich keinem begegnet auf dem Weg. Ein Blick auf mein Handy verrät, dass wir kurz vor zwei haben.

In meinen Gedanken bete ich, dass mein Onkel nicht wach ist. Normalerweise soll ich direkt nach der Arbeit nach Hause kommen und nicht noch irgendwas anderes machen.

Leise schließe ich die Tür auf. Natürlich mache ich kein Licht an, denn ich bin ja nicht lebensmüde. Ich sehe wie mein Onkel auf dem Sofa liegt und schläft.

Ich halte die Luft an. Ich darf jetzt nicht laut sein, sonst bin ich tot. Ich schleiche durch das Wohnzimmer, entlang des Sofas und habe fast den Raum durchquert, bis mein Fuß gegen eine Bierdose kommt und sie umfällt.

„Fuck", murmele ich leise und erkenne, wie mein Onkel sich bewegt. Bitte bitte wach nicht auf.
Warum bin ich nur so tollpatschig?

„Eliana warum bist du jetzt erst zuhause, du kennst die Regel!", höre ich seine dunkle, verschlafene Stimme.

Nein nein nein. Er ist wach scheiße. Ich gehe ein Schritt zurück. „Es tut mir leid. Ich musste länger arbeiten und dann fiel der Bus aus und i-ich war noch kurz bei den Gräbern und danach musste ich noch nach Hause laufen. T-tut mir leid", stammele ich. Man hört in meiner Stimme, was für eine Angst ich habe.

Mein Onkel grinst mich böse an, „Du Miststück kannst nicht mal pünktlich nach Hause kommen. Du hättest mit deiner Mutter sterben sollen".

Heulen tue ich nicht. Wie viele Tränen ich schon wegen diesem Mann verloren habe. Und irgendwann habe ich mir geschworen keine einzige mehr zu verschwenden.
So lange es bei Beleidigungen bleibt, geht es, nur die körperlichen Schmerzen machen es unerträglich.

Mein Onkel kommt bedrohlich auf mich zu und ich gehe ein Schritt nach hinten. Ich bemerke die Wand in meinem Rücken, die mir den Weg absperrt.

Ich sehe wie er die Hand hebt und schon zucke ich zusammen. Früher hatte ich zum Glück nie Kontakt zu Gewalt gehabt, doch seit dem letzen Monat war es mein Alltag.
Schon spüre ich die Hand an meinem Bauch und ich schreie auf. Dieses verfickte Arschloch.
Ein weiter Schlag folgt an meinen Bauch. Wieder schreie ich auf und mein Onkel drückt mich noch fester an die wand.

Mit seinem ekelhaften Grinsen starrt er mich an und dann meinen Körper. Zum Glück trage ich eine weite Hose und einen Pulli, trotzdem fühle ich mich unwohl.

Seine Hand fährt meinen Körper entlang und so langsam begreife ich was er da macht. Bisher hat er mich noch nie so wirklich angefasst oder so, sondern nur körperlich verletzt. Ich hätte auch nie gedacht, dass er weiter als das gehen würde.

Ich spüre wie seine Hand unter meinen Pulli fährt. Ich schaffe es nicht mich zu bewegen. Ich bin wie versteinert. Mein Gehirn schreit danach irgendwas zu machen, doch ich kann nicht. Eine Träne läuft über die Wange und er lacht noch mehr, als er sie entdeckt.

Seine Hand streift meinen Bh und ich spüre wie er über meine Brust rüber fährt. „Du kleine nutzlose Schlampe", spuckt er mir zu. Er widert mich an. Sein Atem richt nach Alkohol und er stinkt nach Schweiß. Er ist ungepflegt und durch sein Unterhemd sieht man seinen dicken Bierbauch.

Immer mehr Tränen laufen über mein Gesicht. Sie werden weggewischt, als er meinen Pulli über meinen Kopf zieht. Er starrt auf meinen Körper und ein schluchzen entweicht mir.

„Lass sie los", ertönt Louis stimme plötzlich laut.

Er steht in der Tür von seinem Zimmer, die an dem Wohnzimmer grenzt und guckt seinen Vater wütend an.
„Louis geh in dein Zimmer!", zischt mein Onkel und lässt mich los

Louis schüttelt den Kopf und kommt auf uns zu. Er nimmt meine Hand und zieht mich von meinem Onkel weg. Mario guckt ihn überrascht an. Er ist es wohl nicht gewohnt, dass sein Sohn ihm so widerspricht.

Louis zieht mich in sein Zimmer und schließt seine Tür hinter sich ab. Ich setze mich auf sein Bett und er reicht mir einen Pulli von sich. Als sein Blick auf die ganzen blauen Flecken wirft, die an meinem Bauch und Arme verteilt sind, runzelt er die Stirn. Ich sehe wie er etwas sagen will, aber sich nicht traut.

Ich ziehe mir seinen Pulli über, der mir zu groß ist. „Was willst du sagen Louis", sage ich ernst. Ich verstehe immer noch nicht, warum er mir geholfen hat.

„Ich wusste nicht, dass die Verletzungen so stark sind, tut mir leid", sagt er leise. Überrascht gucke ich ihn an. Das hätte ich nicht gedacht. „Egal so schlimm ist es nicht", sage ich schnell, denn ich will kein Mitleid kriegen. Er guckt mich nur ironisch an, als wüsste er, dass ich lügen würde.

Eine lange Zeit ist es still, bis ich leise „Danke" sage. Hätte Louis nicht eingegriffen, hätte ich nicht gewusst wie weit Mario noch gegangen wäre. Ich bin ihm wirklich dankbar.

„Nein du musst dich nicht bedanken. Eigentlich muss ich mich entschuldigen, weil ich die letzen Male nicht geholfen habe", sagt er vorwurfsvoll. Ich finde es gut, dass er seinen Fehler einsieht. Ich verzeihe ihm, denn er hat mir schließlich gerade ziemlich geholfen.

„Hat er dich schon mal angefasst oder so?", fragt er ernst. „Nein es war das erste Mal". Erleichtert nickt er. In seinen Augen erkenne ich Besorgnis. Louis sorgt sich um mich? Im letzen Monat hat er nur das nötigste mit mir geredet und jetzt sorgt er sich um mich?

„Du solltest schlafen gehen, wir haben viertel vor drei". Ich nicke und wir gehen zur Tür. „Ich bringe dich noch in dein Zimmer, denn keine Ahnung ob mein Vater noch wach ist".

In meinem Zimmer schließe ich die Tür an und ziehe mir meine Schlafsachen an. Jetzt merke ich erst wie müde ich eigentlich bin. Das war ein langer Tag, seit 21 Stunden bin ich wach, ich will einfach nur schlafen.

ElianaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt