Kapitel 6 - Von Zauberern & Hexern

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Eine Windböe rauschte in die Gasse. Blätter trudelten übereinander, raschelten leise und sie fühlte den kalten Hauch in ihrem erhitzten Gesicht. Doch Arianna hatte keine Zeit, länger als eine Sekunde über die seltsamen Worte des fremden Kerls nachzudenken.

„Er ist dort entlang!"

„Schnappt ihn euch!"

Die lauten Stimmen zerschnitten den seltsamen Schleier, der sie beide für diesen kurzen Moment umgeben hatte und die Realität prasselte wieder in ihrer vollen Wucht auf sie ein. Wildes Stimmengewirr vermischte sich mit den Klängen scharrender Stiefel.

Jetzt riss der Fremde die Augen ebenso auf, dann zog er die Luft scharf ein. Der Griff um ihren Arm löste sich, als er sich eilig aufrappelte.

„Euer Name?!", stieß er atemlos und gehetzt aus.

„Was?", erwiderte die junge Adlige äußerst geistreich und drückte sich ebenfalls nach oben.

„Euer Name! Wie ist euer Name?", wiederholte er, warf einen Blick nach hinten und sah sie an, als hinge sein Leben davon ab.

„A-Arianna?" Es klang mehr nach einer Frage, als einer Antwort und was sie auch immer ritt ihm zu antworten ... vernünftig war es vermutlich nicht. Sie wusste ja nicht einmal, wer er war - und offensichtlich hatte er irgendetwas angestellt.

Trotzdem grinste er für eine kurze Sekunde, als hätte sie ihm eine Kiste voller Gold versprochen. Ein kurzes Nicken in ihre Richtung – dann setzte er sich schon wieder in Bewegung und rannte an ihr vorbei.

„Was...?", sprach sie ihre wirren Gedanken laut aus. Ja, WAS? WAS sollte das? Was hatte das zu bedeuten? Was hatte der Kerl gemeint?
Ein paar Sekunden stand sie dort, wie eine mit Wasser übergossene Katze. Dann schwärmte eine ganze Gruppe hart dreinblickender Menschen in die Gasse. Allen voran zwei Männer mit Kettenhauben und Wappenröcken. Die blanken Klingen an ihren Waffengurten klirrten bei jedem Schritt wie eine unüberhörbare Drohung. Beide Männer sahen nicht gerade aus, als wäre mit ihnen zu spaßen. Schweiß glänzte auf ihrer Stirn und es war nicht zu übersehen, dass sie den Mann hierher verfolgt hatten.

„Wo... ist er... lang?!", donnerten sie und bremsten kaum ihren Sprint, doch scheinbar sahen sie den Mann noch um die Ecke biegen. Denn sie hielten nicht an, um ihre Antwort abzuwarten. Stattdessen rannten sie an ihr vorüber, einer stieß sie noch aus dem Weg und Arianna taumelte zur Seite.

„HALT! STEHEN BLEIBEN!", brüllten sie stattdessen und der Ruf schallte wie ein Donnergrollen durch die Gasse. Perplex sah sie dabei zu, wie die Wappenröcke gleich der zahllosen Fahnen überall in dem Dorf in stürmischem Wind hinter den beiden Männern her wehten. In einem beinahe synchronen Geklimper von Schritten und Waffenklappern preschten sie zwischen den beiden Häusern entlang und bogen dann scharf links ab, als sie dem Flüchtigen um die Ecke folgten und dahinter verschwanden.

„Fangt den verdammten Hexer!", donnerte nun eine weitaus tiefere, kraftvollere Stimme. Arianna hörte jedoch weitere Schritte, die sich schnell näherten.

Was zum Teufel ging hier vor sich? Hexer? Dieser Mann sollte ein Hexer sein?! Das war doch ...

Arianna traf ein Geistesblitz, als sie sich mit pochendem Herzen hinter dem großen Fass duckte, das nicht weit entfernt an einer Hauswand prangte und sich dahinter kauerte. Obwohl es nicht sie war, die Grund zur Flucht gehabt hätte, pochte ihr Herz rasant gegen ihren Brustkorb.

Als ein langer Schatten auf den Boden der Gasse fiel und der Klang schwerer Stiefel sich näherte, hielt sie den Atem an. Sie hatte nichts verübt, aber ... wenn man ihn wirklich der Hexerei beschuldigte und er etwas verbrochen hatte, durfte SIE sich erst recht nicht mit ihm erwischen oder in Verbindung bringen lassen!

Die Dornen von AvalonWhere stories live. Discover now