Kapitel 8

165 19 6
                                    

Pov Ju

Einige Zeit vergeht. Tag, nach Tag. Kein Essen, wenig zu trinken. Ich schaute herab an meinem Körper. Inzwischen haben sich meine Augen perfekt an die Dunkelheit gewöhnt. Ich beobachtete, wie ich langsam immer dünner wurde. Mein Bauch schmerzte, er stach und grummelte. Doch ich konnte rein gar nichts dagegen tun. Ich hörte Schritte die Treppe herunter kommen. Der Gangart, Schnelligkeit und Schwere nach war es eindeutig meine Mutter. Die Braunhaarige machte die Türe auf und stellte mir etwas auf den Boden. Durch die Helligkeit geblendet, erkannte ich es zuerst nicht. Meine Augen waren zusammengekniffen. Einige Sekunden dauerte es, bis ich sie öffnen konnte und die Suppe vor mir erkannte. Sie stand in der Ecke und beobachtete, wie ich die Brühe austrank. Einen Löffel hatte ich ja nicht. Sie zog aus ihrer Westentasche ein Taschentuch und schnäuzte sich. Ich hielt ihr den Teller hin und sie nahm ihn an. "Dank-" "Halt die Schnauze." fauchte sie mich an. Mit einem Lauten Knall war die Türe geschlossen und die Dunkelheit umschloss mich erneut. Ich griff mir auf den Bauch. Besonders lecker war sie nicht gewesen, aber sie tat mir so gut. Ich genoss die Wärme. 

Jetzt würde ich erstmal ein wenig schlafen. Draußen im Lagerraum war das Licht noch an. Irgendetwas lag da, denn der, normalerweise durchgehende, Lichtstrahl war nun durchbrochen. Etwas kleines und dünnes lag auf dem Boden. Keine Ahnung, ob es draußen oder drinnen war, aber ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, es heraus zu finden. Ich tastete mit meinem Fuß nach vorne. Irgendwie erwischte ich es aber nicht. Es war zu weit weg. Also drehte ich mich und rutschte mit meinem ganzen Körper dort hin. Ich machte mich so lang es ging und tatsächlich: Ich erwischte es. Mit meinen Füßen zog ich es langsam immer näher zu mir. Dann beugte ich meinen Kopf nach vorne, nahm es in den Mund und transportierte es so zu meinen Händen. Erst jetzt beobachtete ich es genauer. Es war eine kleine Haarspange. Eine dünne, schwarze. Meine Mutter musste sie verloren haben, als sie sich das Taschentuch genommen hatte. Damit würde ich vielleicht die Handschellen aufbekommen. Aber zuerst musste ich schlafen. Von dem Mangel an Nahrung, war mein Energiehaushalt mit Sicherheit schon im Minusbereich. Obwohl sowas gar nicht passieren kann. Allerdings fühlte es sich echt stark danach an. Ich konnte mich kaum noch aufsetzten, geschweige denn stehen. Wenn ich so darüber nachdachte war ich schon ziemlich lange hier. Uhr befand sich keine in meinem Besitz, zumindest nicht hier unten. Ich war mir nicht sicher, welches Datum wir hatten. Meine Eltern kamen teilweise ewig lange nicht herunter. Aber falls, dann kassierte ich meistens einen fetten Haken. Manchmal trat er mich auch, aber das machte ihm anscheinend weniger Spaß. Ein Grinsen überkam mich. Bald war ich weg von hier. Nie wieder würde ich zurück kommen. Meine Augenlieder wurden immer schwerer und bereits wenige Minuten später, war ich am schlafen.


Pov Rezo

Nervös betrachtete ich meinen Handy Bildschirm. Keine Nachricht. Immer noch nicht. Seit fast 8 Wochen schrieb er mir nicht mehr zurück. Ich wusste nicht, was los war. War er böse auf mich? War alles gut bei seiner neuen Familie? Das komische war, dass die Nachrichten angekommen sind, aber nicht gelesen. Von mir hatte er inzwischen bestimmt 10 bekommen. Wenn es nach mir ginge, dann auch gerne 500, aber es könnte ja sein, dass ich ihn nerve und er Kontaktabbruch will. Zuerst hatte ich mir eingeredet, dass er nur viel Stress hatte und nervös war. Jetzt wirkt es eher so, als hasste er mich. Ich saß vor dem kleinen Bildschirm und war traurig. Ich hatte zu viel Hoffnung, um zu weinen, aber zu wenig um zu lächeln. Trotzdem muss mir klar sein, dass ich seine Entscheidung, genauso wie ihn, respektieren muss. Also legte ich mein Handy zur Seite und stand auf. Auf seinem Insta hatte er auch schon ewig nichts mehr gepostet. Etwas besorgt ging ich in die Küche und machte mir einen Kaffee. Natürlich verfeinerte ich ihn noch mit Chunky flavour, bevor ich mich wieder auf meine Couch begab. Mein Kopf konnte einfach nicht aufhören, an ihn zu denken. Einerseits war ich auch ein bisschen angepisst, dass er mich ignorierte, aber trotzdem: Ich liebte ihn. Das musste ich mir irgendwann eingestehen. Wie von Geisterhand öffnete ich Instagram und ging auf seinen Account. Jedes Bild hatte ein kleines rotes Herz darunter. 


Pov Ju

Es ging nicht auf. Nichts bewegte sich an diesem scheiß Schloss. Die Handschellen waren offensichtlich keine besonders teuren, hielten aber recht gut. Ich wackelte mit der Spange herum. Nichts passierte. Schritte kamen immer näher. Schnell ließ ich die Haarspange in meinem Mund verschwinden. Sie lag auf der Seite meiner linken Wange. Mein Vater warf eine Flasche mit wenig Wasser darin unsanft auf mich. Nervös beobachtete ich ihn. Sah man es? Vielleicht merkte er ja, dass etwas nicht passte. Ohne es zu bemerken, hatte ich ihn die ganze Zeit angeschaut. Er hob seine Hand und wenige Sekunden später, spurte ich schon, wie meine Wange mit der Haarspange verschmolz. Sofort stiegen Tränen in meine Augen. Normalerweise konnte ich sie noch kurz zurückhalten, aber dieses mal hatte ich keine Chance. Enttäuscht schüttelte er den Kopf und trat mir in den Bauch. "Peinlich bist du.", mit diesen Worten verließ er Kopfschüttelnd den Raum und knallte die Türe zu. 

Leise fing ich zu weinen an. Es tat so unendlich weh. Ich öffnete langsam meinen Mund. Mit meinem Fingern versuchte ich die Haarspange herauszuholen. Die Spange tropfte. Ich war mir nicht sicher ob es Blut oder Spucke war, allerdings schmeckte alles nach Blut, also nahm ich dieses an. Jetzt musste ich mich aber unbedingt auf das Öffnen der Handschellen konzentrieren. Das war im Moment am wichtigsten. Und tatsächlich: Nach wenigen Minuten machte es Klick und ich war befreit. Geschockt beobachtete ich meine Hände. Ich griff nach der Flasche und trank sie aus. Ich genoss, wie das Wasser langsam durch meinen Körper floss und ich legte mich einfach nur hin. Mein Weinen verwandelte sich zu Freudentränen und ich konnte mein Glück kaum fassen. Im Inneren lachend und jubelnd saß ich da unten. Niemand konnte mich hören oder sehen. Ich war alleine und still. Aber innerlich zerbröckelten meine ganzen Ängste. Ich fühlte mich so stark. So unbesiegbar... und das, obwohl ich immer noch hier unten saß. 


Need yaWhere stories live. Discover now