➳ 𝟏. 𝑩𝒂𝒄𝒌 𝒊𝒏 𝑴𝒐𝒏𝒂𝒄𝒐

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Es gab Sätze, die man im Laufe seines Lebens hörte, die sich in den Kopf einbrannten. Diese Sätze waren wie Narben, die einen immer wieder an Vergangenes erinnerten.

Bekanntlich würde die Vergangenheit einen sowieso wieder einholen, weshalb es sich gar nicht lohnte, vollkommen mit dieser abzuschließen.

Doch ich würde es gerne.
Ich würde gerne mit der Vergangenheit abschließen; diesen Satz, der wie eine offene Wunde in meinem Inneren, jedes Mal zu Schmerzen begann, wenn ich nach Hause zurückgekehrte.

Es waren die Treppen, die zu meinem Elternhaus hinaufführten, auf denen ich im Sommer immer mein Eis gegessen hatte, nachdem das Eisauto seine typische Melodie abgespielt hatte, sobald es angefahren kam.

Jede der Stufen hatte seine eigene Geschichte, doch es war die unterste, die ich am wenigsten mochte. Denn dort hatte ich den Satz gehört, der mir das Herz gebrochen hatte.

Ich war fünfzehn gewesen, als mir zum ersten Mal, die Hoffnung auf die große Liebe genommen wurde. Siebzehn, als mir derselbe Kerl, erneut das Herz brach. Mit nur einem Satz, den ich immer noch hörte, wenn ich vor dem Haus meiner Eltern stand.

„Vielleicht kann ich dich irgendwann auch lieben, Maribel."

Es war die unterste Stufe, auf der ich stand, als er mir das gesagt hatte. Eiskalt, mitten ins Gesicht. Ohne dabei auch eine Miene zu verziehen.

Vielleicht war es auch der jugendliche Leichtsinn, der mir Hoffnung gemacht hatte, dass ich eine Chance hatte. Bei dem Nachbarsjungen, der mehr für seine Träume kämpfte, als jeder andere, den ich kannte, und dem schon lange klar war, wie seine Zukunft aussehen sollte.

Nun stand ich hier, vor der untersten Stufe meines Elternhauses, fünf Jahre später. Meine Hand umschloss den Griff meines Koffers fester, als ich einen Schritt nach vorne machte, direkt auf die zweite Treppenstufe steigend. Niemals würde ich freiwillig wieder auf die unterste Treppenstufe steigen.

Ich hatte die Haustür fest im Blick, als ich die weiteren Treppenstufen hinaufstieg.
Es waren nicht viele, doch es fühlte sich, als hätte ich einen Berg bestiegen, - so sehr klopfte mein Herz. Vermutlich war es ungewöhnlich diese Art von Aufregung zu spüren, wenn man nach einigen Monaten wieder seine Eltern besuchte, doch ich konnte nichts dagegen tun.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit an der Haustür ankam und klingelte, dauerte es knapp zwei Minuten, bis sich die Tür öffnete. Es war meine Mutter, die aus unserer Etage nach unten gelaufen war, um mir die Tür zu öffnen. Sofort zog sie mich in eine herzliche Umarmung, welche ich erfreut erwiderte. In diesen Moment fiel eine Last von mir ab und spürte, wie die Aufregung allmählich verschwand. In meinen Augen sammelten sich vereinzelte Freudentränen. Ich war Zuhause.

„Maribel, ich habe dich so unfassbar vermisst", murmelte meine Mutter in die Umarmung hinein, als ich hörte, wie jemand weiteres die Treppen herunterkam.
„Ich dich auch, Maman", antwortete ich ihr, löste mich zeitgleich aus der Umarmung, um zu sehen, wer in dem Moment die Treppen herunterkam.

„Bekomme ich auch eine Umarmung?"
Mein Vater lächelte und breite seine Arme aus, in welche ich mich Sekunden später stürzte. Meine Familie bedeutete mir alles und ich ließ es mir auch nicht nehmen, es ihnen zu zeigen.

Als ich mich aus der Umarmung löste, noch immer strahlte ich vor Freude, hielten die Glücksgefühle an. Es war unfassbar schön, wieder Zuhause sein. Bei meiner Familie. In Monaco. In meiner Heimat.

„Wo ist Damien?" Ich schaute an meinen Eltern vorbei in das Treppenhaus. Doch es war niemand da.
„Er kommt erst heute Abend", erklärte meine Mutter mir, während mein Vater bereits nach meinem Koffer griff, um diesen in unsere Wohnung zu tragen.
Während ich bei meinen letzten Besuchen noch versucht hatte, meinem Vater klarzumachen, dass ich den Koffer selber tragen konnte, versuchte ich es dieses Mal erst gar nicht.
Denn auch wenn ich stur war, mein Vater war tausendmal sturer.

Keine Sekunde später betrat ich, ohne meinen Koffer, dass mir so bekannte Mehrfamilienhaus. Es war vermutlich eines der älteren Gebäude in Monaco, dementsprechend nicht das modernste, doch welcher Normalsterbliche würde sich das auch leisten können?

Als ich die Wohnung betrat, kam mir sofort der altbekannte Duft entgegen und sofort umhüllte mich das wohlige, familiäre Gefühl. Es hatte sich zum letzten Mal nicht viel verändert, schließlich war das auch erst einige Monate her, - auch wenn es sich deutlich länger anfühlte.

Ich seufzte leise, während ich mich umschaute und in Nostalgie versank.
Eine unfassbar schreckliche Eigenschaft von mir. Ich hing an der Vergangenheit und konnte nur schlecht mit ihr abschließen.

Das unterschied mich vermutlich von meinem Bruder Damien, der im Hier und Jetzt lebte. Er dachte nicht an das, was war, geschweige denn, an das, was kommen mag. Und dafür beneidete ich ihn manchmal.

Mein Vater hatte derweil meinen Koffer in mein altes Kinderzimmer gebracht und war anschließend ins Wohnzimmer verschwunden. Ich betrat kurz darauf besagtes Zimmer, welches mittlerweile etwas anders aussah. Die vielen schrecklichen Poster meiner Lieblingsstars waren nicht mehr Teil der Inneneinrichtung und auch sonst wirkte es viel leerer. Vermutlich, weil ich einen großen Teil mit nach Málaga genommen hatte.

Die eine Wand, die in einem hellen Apricot gestrichen war, sah jedoch noch genauso aus wie früher. Über meinem Schreibtisch hingen viele Bilder von früher. Familienfotos, Fotos mit meinen Freunden und Fotos mit ihm.
Sofort bildete sich ein Kloß in meinem Hals, welchen ich versuchte mühsam herunterzuschlucken.

Erst als ich die Schritte meiner Mutter hinter mir hörte, konnte ich meinen Blick von der Bildergalerie lösen.
Hektisch widmete ich mich meinem Koffer, um mir nicht anmerken zu lassen, wovon - oder von wem - ich mich hatte ablenken lassen.

„Pack in Ruhe deine Sachen aus", sagte meine Mutter mit beruhigter Stimme, vermutlich hatte sie mir angesehen, wie hektisch ich meinen Koffer geöffnet hatte. „Wir haben den ganzen Tag Zeit."
Sie lachte leise, während sie ihren Blick durch das Zimmer wandern ließ.

„Oh, stimmt gar nicht", verbesserte sie sich selbst, so als hätte sie etwas daran erinnert. Verwirrt versuchte ich zu deuten, was sie womöglich daran erinnert haben könnte, doch ich kam zu keiner eindeutigen Erkenntnis.
„Wir gehen heute Abend, wenn auch Damien da ist, essen. Also lass dir am besten doch nicht den ganzen Tag Zeit." Sie schmunzelte, wobei sich leichte Falten um ihre Augen bildeten.
Falten, die sich in jenem Moment auch auf meiner Stirn bildeten, da ich diese irritiert runzelte.

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❝¡𝗔𝗨𝗧𝗛𝗢𝗥'𝗦 𝗡𝗢𝗧𝗘! ❞

Da haben wir, mit etwas Verspätung, das erste Kapitel! Eigentlich hätte es viel früher kommen sollen, doch da ich (immer noch) mit Grippe im Bett liege, lässt es sich etwas schwer planen. 😀

Jetzt ist es da - und ich freu mich noch mehr als vorher, hihi. 😜

SOME SAY - charles leclercWhere stories live. Discover now