➳ 𝟑. 𝑯𝒊𝒔 𝒏𝒆𝒘 𝒈𝒊𝒓𝒍

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Die sanften Geigenklänge, die aus den Boxen ertönten, trafen auf das hektische Klopfen meines Herzens.
Ich hatte das Gefühl, dass jeder hören konnte, wie heftig es schlug. Es wäre eine grauenvolle Geräuschkulisse, zwei Melodien, wobei die eine völlig aus dem Rhythmus war. Schlagzeug traf auf Klassik - oder so.

„Die kleine Maribel." Charles stand plötzlich mit einem breiten Grinsen vor mir, wobei ich auf seine Grübchen starrte, ehe mein Blick nach oben wanderte und ich in seine grünlich strahlenden Augen blickte. Wenn mein Herz nicht schon wie verrückt klopfen würde, wäre es spätestens jetzt am Ausflippen. Ich war innerlich komplett am Ausflippen. Die Aufregung, die sich in mir breit machte, war nicht in Worte zu fassen, während ich noch immer wie angewurzelt da stand und ihm in die Augen starrte.

Noch bevor ich mich von diesen reißen konnte, kam Charles mir zuvor und zog mich in eine kurze, sehr kurze Umarmung. So kurz, dass ich mir einredete, ich hätte sie mir nur eingebildet. Und das störte mich.
Die Umarmung fühlte sich befremdlich an, und ich erkannte auch schnell den Grund für seine Distanz. Denn nachdem sowohl Arthur als auch Lorenzo meine Familie und mich begrüßt hatten, realisierte ich die Anwesenheit eine weitere Person.

Wir hatten uns an den gedeckten Tisch gesetzt (noch bevor ich erfahren konnte, wer sie war), um nicht länger gegen die Etiketten des Restaurants zu verstoßen. Ich hatte bereits die genervten Blicke der restlichen Restaurantbesucher bemerkt, die uns dafür kritisierten, dass wir uns alle nacheinander begrüßt hatten.

Die Unbekannte saß zwischen Charles und Lorenzo, dementsprechend genau mir gegenüber. Da meine Eltern sich offensichtlich insbesondere mit Pascale unterhalten wollten, war die Hälfte der Sitzordnung schon geklärt, weshalb ich mich meinem Schicksal ergab und nun die Blonde anstarrte, die mir freundlich zulächelte.

„Das ist Rebecca", ertönten plötzlich die erklärenden Worte Charles, als er meinen fragenden Blick sah. „Meine Freundin." Nun hatte er das ausgesprochen, was ich gehofft hatte, nicht zu hören. Irgendetwas in mir hatte gehofft, dass sie Lorenzos Begleitung war. Immerhin saß sie zwischen den Beiden, sodass ich ein letztes Fünkchen Resthoffnung gehabt hatte, welche nun (offensichtlich) endgültig verflogen war.

„Du kannst mich auch gerne Becky nennen!" Rebecca meldete sich zum ersten Mal selbst zu Wort, wobei sie mir immer noch freundlich zulächelte.
Ihre Stimme war angenehm und klang in gewissermaßen auch niedlich, ganz zu meinem Leidwesen. Bisher wirkte es unmöglich, einen Grund zu finden, sie nicht zu mögen.

Ich nickte lediglich, setzte ein leichtes Lächeln auf, während mein Herzschlag sich langsam wieder normalisierte.
Doch dafür war es mittlerweile mein Magen, der verrückt spielte, seitdem ich Rebecca gesehen hatte.

Ich denke, ich müsste in diesem Moment niemanden erklären, wieso ich von hier wegwollte. Es war eine unfassbar unangenehme Situation für mich, der ich nur zu gerne entkommen würde. Hätten meine Eltern mich nicht vorwarnen können? Dann hätte ich mir im Vorhinein schon eine Ausrede überlegen können, um gar nicht erst mitkommen zu müssen.

Mein Blick wanderte neben mich, zu Damien, der sich mittlerweile mit Charles und Arthur unterhielt, indem er ihnen erklärte, wie er Giselle, die derweil nur schüchtern lächelte, kennengelernt hatte.
Damien hatte sich schon immer blendend mit allen drei Brüdern verstanden, während ich eigentlich nur einen guten Draht zu Charles gehabt hatte. Mit Lorenzo hatte ich nie sonderlich viel zu tun gehabt, während ich mich mit Arthur eigentlich immer nur gestritten hatte. Meistens, weil er meinen Barbies die Haare herausreißen wollte.

Inzwischen war der Kellner am Tisch gewesen, hatte unsere Bestellungen aufgenommen, und ich hatte immer noch mit niemandem ein Wort gewechselt. Für mich war es unfassbar unangenehm und ich verfluchte meine Eltern dafür, dass sie mich nicht zumindest vorgewarnt hatten, sodass ich mich die letzten Stunden hätte mental darauf vorbereiten können.

Zwischenzeitlich spürte ich Charles' Blick auf mir ruhen, doch er hatte nie etwas gesagt.

„Alles gut, du bist so ruhig?", fragte meine Mutter nach einer Weile, flüsterte dabei und legte ihre Hand beruhigend auf meinen Oberschenkel.
Ich fühlte mich inzwischen wirklich wieder wie ein kleines Kind und es gefiel mir nicht.

„Ja, alles bestens", antwortete ich lediglich und griff nach meinem Glas Rotwein, aus dem ich einen großen Schluck trank. Meine Mutter schenkte mir daraufhin nur ein kurzes aufmunterndes Lächeln, ehe sie sich wieder dem Gespräch mit Pascale widmete, die mir ebenfalls schon mitleidige Blicke zugeworfen hatte.

„Seit wann trinkst du eigentlich wieder Alkohol?" Charles schaute mich fragend an, während ich noch immer mein Glas in der Hand hielt. Er grinste leicht, vermutlich, weil er sich daran erinnerte, als er mich das letzte Mal betrunken erlebt hatte. Danach hatte ich geschworen, nie wieder Alkohol zu trinken und habe es auch lange Zeit nicht getan.

„Seitdem du nicht mehr da bist, um mich abzufüllen", witzelte ich, woraufhin Charles lachte. Wir wussten beide genau, wovon ich sprach.

„Ohne mich hast du aber bestimmt nur halb so viel Spaß", erwiderte Charles mit einem breiten Grinsen. Doch noch bevor ich etwas antworten konnte, meldete sich seine Freundin zu Wort.

„Wart ihr gute Freunde?" Sie schaute interessiert zwischen uns hin und her, ehe ihr musternder Blick auf mir ruhte.

„Beste Freunde", korrigierte ich sie, wo meine Stimme einen leicht kritisierenden Unterton hatte, den ich gar nicht beabsichtigt hatte.

„Oh ja, schon seitdem sie klein waren!"
Aus dem Nichts stieg nun auch Pascale in das Gespräch ein. „Ach, es war so niedlich, wie ihr euer Eis geteilt habt, als es nur noch dieses eine gab."

Zugegeben erinnerte ich mich nicht mehr daran, da wir dort noch ziemlich klein gewesen sein mussten. Doch diese Geschichte erwähnte Pascale jedes Mal. Unsere Familien waren zusammen im Urlaub gewesen, als es nur noch ein Eis in der Tiefkühltruhe gegeben hatte. Damien und Lorenzo hatten noch ihr eigenes bekommen, während Charles und ich uns das letzte geteilt hatten. Ich habe bis heute keine Ahnung, ob die Geschichte wirklich so stattgefunden war, denn auch Charles erinnerte sich nicht daran. Doch es gab zumindest ein Bild davon, also würde diese Geschichte wohl schon stimmen.

„Gut, das reicht auch mit alten Geschichten", unterbrach Charles seine Mutter, bevor sie noch weitere erzählen konnte und lächelte seiner Freundin entschuldigend zu.
Nicht dass sie noch eifersüchtig werden würde, schließlich gab es keinen Grund dazu.

SOME SAY - charles leclercWo Geschichten leben. Entdecke jetzt