Kapitel 16

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Harrys POV:

Eigentlich liebte Harry das Gefühl im Fokus einer Kamera zu stehen, aber an diesem Tag fühlte es sich ausnahmsweise tatsächlich mal wie Arbeit an. Andererseits fühlte sich einfach alles nach Arbeit an, was Harry seit der Nacht im 'Palais Maillot' tat. Haushalt, kochen, fernsehen, Zeit mit seinen Freunden verbringen... alles war so unglaublich anstrengend. Allein sich morgens aus dem Bett zu quälen, war ein Kraftakt.

Harry fühlte sich so ausgelaugt, so schlapp und ohne Energie wie bei einer Grippe, während der man nur in Embryonalstellung im Bett liegen und nichts sehen oder hören möchte. Nur dass Harry nicht krank war. Jedenfalls nicht körperlich. Bei seiner Seele war er sich da nicht mehr so sicher.

Louis' Worte vor dem Universitätsgebäude spukten ihm ohne Pause durch den Kopf. Sie waren so hart und unfassbar verletzend gewesen. All die Hoffnung, die das Gespräch mit Niall in ihm geschürt hatte, war zerplatzt wie ein Luftballon. Nein, die Metapher passte nicht. Louis hatte auf seiner Hoffnung herumgetrampelt. Er hatte sie in tausend Teile zerrissen. Genauso wie sein Herz.

Louis wollte ihn nicht mehr sehen, wollte nichts mehr von ihm hören. Harry sollte ihn in Ruhe lassen. War denn alles, was vor dem 'Palais Maillot' geschehen war, nur eine Lüge gewesen? Hatte er sich alles nur eingebildet? Sich etwas vorgemacht? All die gemeinsamen Momente, die Blicke, die Küsse, die Berührungen... Louis konnte ihm das alles doch nicht nur vorgespielt haben.

„Können wir eine kurze Pause machen?" Harry stützte sich an der Wand ab, vor der er für die Fotos stand. Alles drehte sich um ihn herum und seine Füße schienen ihn nicht mehr länger tragen zu wollen. Könnte daran liegen, dass er an diesem Tag noch nichts gegessen hatte. Genauso wie am Tag zuvor. Er bekam einfach nichts runter und das rächte sich offenbar gerade.

Die Designerin, die das Shooting für ihr Lookbook selber beaufsichtigte, sah ihn besorgt an. „Geht es dir nicht gut, Harry? Setz dich einen Moment hin und wir holen dir ein Glas Wasser."

„Danke, ich muss nur kurz raus.", murmelte Harry und ging leicht schwankend auf die Tür zu. Draußen lief er, so schnell er konnte, um die nächste Hausecke und übergab sich. Ihm war unglaublich schlecht, aber da er nichts im Magen hatte, versuchte sein Körper krampfhaft etwas hochzuwürgen, was nicht da war. Harry brach kalter Schweiß aus und er zitterte am ganzen Leib. Vor Anstrengung liefen ihm Tränen über das Gesicht. Kraftlos sank er auf die Knie und stützte sich vornübergebeugt mit den Händen ab, bis der Würgereflex langsam nachließ.

Als Harry sich halbwegs beruhigt und seine Übelkeit ein wenig nachgelassen hatte, atmete er ein paar Mal tief durch und tupfte sich die Tränen weg. Den Rest würde die Maskenbildnerin übernehmen müssen. Vorsichtig stand er vom Asphalt auf und versuchte sein Gleichgewicht wiederzufinden. Sein Kreislauf war komplett am Ende, aber das wollte er sich nicht eingestehen.

„Harry, geht's dir besser? Junge, du bist ja furchtbar blass." Die Designerin kam ihm bereits entgegen, als er die Location betrat und legte ihm einen Arm mütterlich um die Schultern. „Wir brechen für heute ab. Du bist krank und gehörst ins Bett."

„Nein, bitte nicht.", unterbrach Harry sie. „Mir geht's schon viel besser. Ich hab heute morgen wohl etwas Falsches gegessen. Ich müsste nur noch mal kurz in die Maske und dann können wir weitermachen."

Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und lächelte. Sein Bett klang zwar im ersten Moment sehr verlockend, doch hatte er dort noch mehr Zeit und weniger Ablenkung und das war keine gute Kombination.
Außerdem hasste er es, Menschen, die sich auf ihn verließen, zu enttäuschen. Die Designerin hatte ihn bereits vor ein paar Wochen während der FashionWeek gebucht und alles war akribisch für diesen Tag vorbereitet worden. Einen weiteren Tag für das Shooting anzuberaumen, würde viel Geld kosten. Das konnte er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Dafür besaß er zu viel Pflichtbewusstsein.

Don't Let It Break Your HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt