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Santino

„Fahr schneller, Cretino!" Brülle ich. Verzweifelt starre ich durch die Windschutzscheibe und versuche mich mit aller Kraft davon abzuhalten, Giacomo vom Steuer wegzuprügeln. 

Sollte Lonia irgendwas passieren, werde ich ihn einfach abknallen. Weil er nicht schneller gefahren ist. Aber ihr wird nichts geschehen. Ihr darf nichts geschehen. Wut und Verzweiflung liefern sich einen erbitterten Wettstreit und versuchen die Kontrolle über mich zu erlangen.

Mit aller Kraft dränge ich die Gefühle beiseite. Stelle mir vor, dass ich eine Eisfläche bin. Spiegelglatt und kalt. 

Doch die Eisfläche weist Risse auf. Unnachgiebig wie Wasser sickern die Erinnerungen durch die schmalen Linien und drängen die kalte Oberfläche auseinander. 

Die Armbänder, die jetzt tief unten am Grund des Sees liegen.  Wie ich Lonia beschimpft habe, ihr gesagt habe sie solle doch zu Mancuso gehen. Ich bin so ein Idiot! Dabei hat sie das alles  nur für mich getan. Hätte sie mir doch nur davon erzählt, verdammt. Ich hätte die Sache für uns geregelt. Auf meine Art.

Aber Fuck, ich darf mich jetzt nicht wieder in selbstzerfleischenden Sentimentalitäten verlieren. Ich muß mich konzentrieren.

Die Umgebung verblasst zu einem verschwommenen Streifen, als wir endlich auf dem Parkplatz vor dem Schloss zum Stehen kommen.

" Carlo!"Ruft Giacomo und versucht mich am Zipfel meines Sakkos zurückzuhalten. Fluchend stoße ich ihn zur Seite.

 Zwei Stufen auf einmal nehmend hechte ich die Treppe hinauf.

Meine Kiefer pochen vor Schmerz, so sehr versuche ich mich davon abzuhalten, Lonias Namen zu rufen.

Am Boden liegt Big Tom in einer Pfütze aus Blut. Jemand kniet neben ihm und drückt etwas auf seinen Bauch. Doch aus den Augen des fetten Riesen ist schon alles Leben gewichen. Blicklos sind sie in eine unbekannte Ferne gerichtet.

„Carlo," flüstert mein Vater, „ich bitte dich im Namen deiner Mutter, lass das Giacomo für dich regeln." Er nickt meinem Leibwächter zu, der sich sofort vor mich drängt um zu verhindern, dass ich auch nur einen Schritt weitergehe. Wut flammt in mir auf und ich  versetze ihm einen schmerzhaften Stoß in den Rücken. "Geh aus dem Weg!" zische ich. "Oder du wirst sterben!" Mit großen Augen dreht er sich zu mir um. Was für eine Pussy. Wahrscheinlich fängt er gleich an zu heulen , weil ich nicht davor zurückschrecken würde, ihm die Birne wegzupusten wenn er nicht gehorcht.

Doch er ist mein persönlicher Leibwächter. Er wird schon tun was ich sage.

„Carlo," macht der Trottel einen letzen Versuch, der von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist, „wir müssen das zusammen..."

„stai zitto!" zische ich.  

„Wo ist sie?" 

Mein Alter deutet mit dem Kopf in Richtung Esszimmer. Ein Wachmann steht mit gezogener Waffe an der Wand neben der offen stehenden Tür.

Ich kann Marthas hohe Stimme hören. Anscheinend ist sie gerade dabei, Lonia mit dem,  was sie als Wahrheit bezeichnet, zu konfrontieren. 

„...er wollte sich an dir rächen, weil dein lieber Bruder Stefano die kleine Filipa in den Drogensumpf hinabgerissen hat...aber er hatte nicht den Mumm es durchzuziehen...weil er sich in dich verknallt hat..dieser Idiot..."

„Lass...lass uns einfach in Ruhe darüber reden, okay? Ich meine...so bringt das doch nichts."

Der  Klang von Apollonias Stimme verpasst meinem wild klopfendem Herzen einen Stich.

PromiseNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ