Kapitel 1

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Vincent

„Ist gut. Ich treffe mich mit seinem Handlanger. Aber warum meinte dieser Graive, dass er in unserem Gebiet mitmischen kann?"
Ich lehne am Schreibtisch meines Alpha und schaue aus dem bodentiefen Fenster des Büros auf Veritas leuchtende Skyline. Tyler lehnt sich in seinem breiten Bürostuhl zurück und verschränkt die Finger. Mein Blick trifft in der Spiegelung des Fensters den seinen und sein Gesichtsausdruck spiegelt seine Wut über Graives bodenlose Respektlosigkeit wider. „Das solltest du herausfinden. Ich will wissen, woher diese Selbstsicherheit kommt." Ich streiche mir durch meine braunen Haare und stoße mich vom Schreibtisch ab. „Geht klar. Ich schaue, was ich herausbekomme." Kommentarlos wendet sich Tyler wieder seinem Bildschirm zu und ich mache mich auf den Weg zur Tiefgarage.

Mein schwarzer BMW steht neben Tylers zahlreichen Luxuskarosserien. Auf Veritas Straßen ist zum Glück nicht allzu viel los und ich komme recht zügig an mein Ziel. Die Gegend, in der ich meinen Wagen am Straßenrand parke, ist ziemlich heruntergekommen und nicht der Vorzeigeort für die Metropole Veritas. Vor der Kneipe, in der ich mich mit Graives Handlanger treffe, kotzt ein Typ gerade vor einen der wenigen Bäume am Straßenrand. Ich verdrehe die Augen und betrete die kleine Kneipe.
Im Eingangsbereich bleibe ich kurz stehen und lasse meine Ausstrahlung auf die anderen wirken. Mit meiner Größe von 1,90m und meiner sportlichen Figur in dunkler Kleidung, wirke ich bedrohlich genug, sodass sich die meisten Gäste wieder umdrehen. Nur eine rothaarige Frau am Tresen mustert mich auffällig und macht daraus auch kein Geheimnis. Ihre blauen Augen scannen meinen Körper förmlich und ihre langen, in einer engen schwarzen Hose gekleideten Beine überschlägt sie auf dem Barhocker.
Es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, dass mich ihr Aussehen nicht fasziniert, doch ich habe einen Auftrag von meinem Alpha. Ich erwidere ihren Blick und setze mich ebenfalls an die Bar, um mir einen Whiskey zu bestellen. „Genau auf dieses Getränk hätte ich bei dir auch getippt." Ich trinke einen Schluck und sehe kurz zu ihr. „Achja?",frage ich und wende mich ihr zu. „Ja, du siehst aus wie ein Whiskey-Typ. Trocken und farblos." Mein Blick spricht wohl Bände, weswegen sie etwas lacht. „Tschuldigung. Ich bin Liv und du musst Vincent sein?",mutmaßte sie und trinkt einen Schluck ihres Weins. „Kennen wir uns?" „Nein, aber wir haben eine Verabredung. Zu der du übrigens zu spät bist."
Erneut bin ich überrascht, da ich wohl einen kräftigen, großen und vielleicht kahlen Mann in den Vierzigern erwartet habe und sicher keine Anfang zwanzigjährige, mit langen, roten Haaren, einem katzenhaften Blick und einem verbotenen Körper. Irgendwas an ihr lässt mich jedoch vorsichtig sein. „Natürlich. Entschuldige." „Naja, jetzt bist du ja da.",winkt sie ab und lehnt ihr Kinn auf ihrer Hand ab. „Also. Ihr wolltet etwas von Graive? Was genau?"
Sie wirkt für ihr Alter sehr reif und selbstsicher, was mich aber eher mäßig beeindruckt. „Mein Boss hat von einigen Dealern in seinen Läden erfahren und bittet höflich darum, dieses zu unterbinden. Graive nimmt sich sehr viel heraus und meinem Boss gefällt das nicht." Sie hebt eine Augenbraue. „Oh, das ist aber schade. Wir sind am expandieren und warum sollte es uns interessieren, was dein Boss möchte?" Sie scheint meinen verärgerten Blick mitbekommen zu haben und ein Lächeln huscht über ihre Lippen. „Hör zu, Vincent. Ich mag dich irgendwie und werde es Graive ausrichten, aber ich kenne ihn gut und er kommt nur wenigen bei ihren Bitten entgegen." Dass sie mich mag, bringt mich kurz aus der Fassung, was jedoch folgt, mehr. "Wenn Graive sich nicht mit Mr. Redias persönlich anlegen möchte, sollte er nochmal sehr gut nachdenken.",lächle ich sie ebenfalls an und trinke noch einen Schluck.
Der Name meines Alphas scheint ihr ein Begriff zu sein und kurz darauf bröckelt ihre Fassade etwas, die Unsicherheit und Sorge zeigt. Doch sie sammelt sich ziemlich schnell und nippt an ihrem Drink. "Da wird er sicherlich gut drüber nachdenken. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest." Sie legt Geld für ihren Drink auf den Tresen, rutscht vom Barhocker und reicht mir die Hand. "Also Vincent, war mir eine Freude." Ihr Blick wirkt jetzt nicht mehr so gelassen wie am Anfang, als ihrer den meinen trifft. Dass sie meinen Namen kennt, aber den meines Bosses nicht, wundert mich etwas und ich verabschiede mich höflich. Kurz nach ihr zahle ich und verlasse die Kneipe. Ich bin froh, dass ein Machtwort und eine klare Drohung oft schon reichen, um die meisten in ihre Schranken zu weisen, da die Alternative immer Stress bedeutet.

Behind the Shadows - Wer bist du wirklich?Where stories live. Discover now