9. Der Plattenvertrag

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Einige Tage darauf war Shin wieder gesund, weshalb wir beide morgens zur Arbeit gingen und uns nach Schichtende im Park verabredet hatten, um gemeinsam zur Bandprobe zu gehen. Ich konnte zwar noch nicht spielen, ging aber trotzdem jeden Abend hin um den anderen zuzuhören. Es dämmerte bereits, als ich mich auf dem Weg zum Treffpunkt befand und anfangs bemerkte ich gar nicht, dass ich von jemandem verfolgt wurde. Doch irgendwann vernahm ich die Schritte, die dicht hinter mir in der zunehmenden Dunkelheit widerhallten und ich versuchte mir einzureden, dass es womöglich einfach nur Zufall war, dass diese Person in die gleiche Richtung ging wie ich. Auch wenn sie sehr dicht hinter mir zu laufen schien... Irgendwann wurde es mir jedoch zu unheimlich und ich beschleunigte meine Schritte etwas woraufhin ich bemerkte, dass die Person hinter mir es mir gleichtat. Meine Angst nahm immer mehr zu und so beschloss ich noch schneller zu laufen, bis ich irgendwann in vollem Tempo durch die Straßen Tokios rannte. In meiner Panik kramte ich das Handy aus meiner Tasche und versuchte Shin zu erreichen. Allerdings kam ich nur dazu mein Adressbuch zu öffnen, denn schon gleich darauf wurde ich an den Armen gepackt und in eine menschenleere Nebengasse gezerrt. Ich wurde mit einem Ruck herumgewirbelt und landete mit einem heftigen Aufprall an einer Mauer. Schmerzerfüllt kniff ich die Augen zusammen und ließ aufgrund dessen sogar mein Handy fallen. „Was sollte das neulich bei der Afterparty?! Wolltest du mich unbedingt zum Gespött aller machen?! Und sieh dir an was du mit meinem Gesicht angestellt hast!!" Überrascht öffnete ich die Augen und ließ meinen Blick über Takumis Gesicht wandern, der wütend die Stirn in Falten gelegt hatte. Seine linke Gesichtshälfte war von einigen blau- und lilafarbenen Hämatomen überzogen und er hatte eine aufgeplatzte Lippe. „Sag mal hast du sie noch alle mich dermaßen zu erschrecken?!", meckerte ich und versuchte ihn von mir wegzustoßen. Doch er verstärkte lediglich seinen Griff, wodurch ich, wegen des plötzlich aufwallenden Schmerzes zusammenzuckte und meinen Widerstand aufgab. „Deinetwegen mussten sämtliche Fototermine und Interviews für die nächsten Tage abgesagt werden!" „Sag mal geht's noch?! Du hast mich betrogen, schon wieder! Und dich interessieren nur die dämlichen Termine, die wegen deines verunstalteten Gesichts ausfallen müssen?! Du tickst doch nicht mehr ganz richtig!", schrie ich ihm in ebenso lautem Ton entgegen und blickte ihn wütend an. „Es war nicht meine Absicht, dass du es auf diese Art und Weise erfährst. Ich war verletzt nach unserem Streit und da hat sie sich zufällig gemeldet und... ist ja auch egal. Jedenfalls hast du nicht sehr lange getrauert, nachdem du es herausgefunden hattest nicht wahr? Nur einen Tag später habe ich dich Arm in Arm mit eurem Bassisten gesehen.", versuchte er sich herauszureden. „Auf diese Art und Weise?! Du meinst wohl, dass ich es überhaupt erfahren habe tut dir leid. Denn wenn es nach dir gegangen wäre, hättest du nichts gesagt und alles einfach so weiter laufen lassen!" Diesmal schaffte ich es ihn von mir wegzustoßen, da er seinen Griff etwas gelockert hatte. „Shin ist ein sehr viel besserer Mann als du und das, obwohl er noch so jung ist. Deinetwegen habe ich ihn sehr verletzt, nachdem du bei mir aufgetaucht warst und wir miteinander geschlafen hatten. Ich dachte, wenn das damals wirklich so abgelaufen ist, wie du es geschildert hast, dann habe ich dir Unrecht getan. Ich wollte es wieder gut machen, indem ich dir noch eine Chance gebe, aber sowas passiert mir garantiert nicht noch einmal... Ich werde dir nie wieder mein Vertrauen schenken und ich will nichts mehr mit dir zu tun haben! Halte dich in Zukunft fern von mir!", rief ich ihm noch entgegen, bevor ich aus der Seitenstraße direkt in Richtung Park rannte.

Völlig außer Atem kam ich bei Shin an, der sofort auf mich einredete: „Wo warst du denn? Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, als ich dich nicht auf deinem Handy erreichen konnte. Hattest du nicht schon vor einer halben Stunde Feierabend?" Ich erzählte ihm von meiner Begegnung mit Takumi und dass mein Handy vermutlich kaputt gegangen ist, als es mir aus der Hand fiel. Da es noch immer in dieser Seitenstraße liegt, konnte ich es allerdings nicht genau sagen. Ich würde mir irgendwann ein Neues besorgen. „Was hat er getan?! Der Kerl hat sie doch nicht mehr alle... Du läufst nicht mehr alleine durch die Stadt. Nächstes Mal hole ich dich direkt von der Arbeit ab und vielleicht wäre es auch von Vorteil, wenn wir uns eine neue Wohnung suchen. Immerhin weiß er auch wo du wohnst..." „Beruhige dich, wegen ihm werde ich ganz sicher nicht umziehen. Und es ist völlig unmöglich, dass du rund um die Uhr in meiner Nähe bist. Ich habe ihm sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich von mir fern halten soll", erwiderte ich, als sich ein Lächeln auf meine Lippen schlich wegen seiner Reaktion. „Und du glaubst er hält sich daran? Warum lächelst du, dass ist überhaupt nicht zum Lachen?!" Er zog die Stirn in Falten und blickte mich ungläubig an. Noch immer lächelnd legte ich meine Arme um ihn und legte meinen Kopf an seiner Brust ab, während ich antwortete: „Weil ich dein Verhalten gerade unglaublich süß finde. Würdest du wirklich so weit für mich gehen? In eine andere Wohnung umziehen und mich täglich von der Arbeit abholen?!" Er erwiderte die Umarmung und drückte mich fest an sich. „Ja natürlich. Ich hab's dir doch gesagt oder? Wenn du meine Freundin wirst, werde ich im Gegenzug dein Beschützer." Mein Lächeln wurde noch etwas breiter, bevor ich den Kopf anhob und auf die Zehenspitzen ging, um meine Arme in seinen Nacken legen zu können und ihm einen sanften Kuss zu geben. Shin drückte mich noch fester gegen sich und erwiderte den Kuss, bevor er seine Zunge über meine Unterlippe wandern ließ und ich ihm bereitwillig meinen Mund öffnete. Nach einem leidenschaftlichen Zungenkuss lösten wir uns voneinander, während wir uns gegenseitig in die Augen blickten. „Ich werde es nicht zulassen, dass er dir je wieder etwas antut..." Er gab mir noch einen zarten Kuss auf die Stirn, bevor wir uns auf den Weg zur Bandprobe machten.

Nachdem in den darauffolgenden Tagen meine Fäden gezogen worden waren, verbrachte ich jede freie Minute in dem Proberaum um das wieder aufzuholen, was ich in den letzten Tagen nicht üben konnte. Shin musste heute länger arbeiten, weshalb er mich nicht begleiten konnte. Er hatte es sich tatsächlich zur Aufgabe gemacht mich überall hin zu begleiten und ich fand das auch total lieb von ihm aber..., manchmal tat es auch einfach gut alleine zu sein. Hin und wieder brauchte ich meinen Freiraum um mich auf die Dinge konzentrieren zu können, die ich mir vorgenommen hatte. Ich liebe Shin wirklich über alles, aber genau da lag das Problem, wenn wir die ganze Zeit zusammen waren. Ich konnte dann nur noch an ihn denken und ließ mich von allem anderen ablenken. Selbst jetzt dachte ich schon wieder an ihn... Ich schüttelte diese Gedanken ab und konzentrierte mich wieder auf das, was ich gerade tat. Wir hatten ein neues Lied komponiert, das wir bei unserem Auftritt spielen wollten, der bereits übermorgen stattfand und bei dem der Produzent der Plattenfirma dabei war. Ich durfte den anderen kein Klotz am Bein sein und spielte noch einmal die Passagen, die mir besonders schwer fielen, als plötzlich die Tür aufging. „Hallo Natsuki. Du bist ja schon wieder so früh hier", begrüßte mich Yasu und zog seine Jacke aus. Ich begrüßte ihn ebenfalls und sagte lachend: „Ja, schließlich habe ich einiges nachzuholen wegen meiner unfreiwilligen Auszeit. Es hapert noch an einigen Stellen unseres neuen Songs." Yasu zog die Augenbrauen nach oben und ging dann zum Schlagzeug. „Du hast Schwierigkeiten beim Spielen eines Songs? Ein Genie wie du? Das kann ich irgendwie nicht glauben." Lachend fasste ich mir an den Hinterkopf und erwiderte: „Es ist aber so. Ich wurde dazu erzogen perfekte Ergebnisse abzuliefern und naja, das hat sich in meinem Leben einfach so etabliert. Zumindest wenn es um die Musik geht..." Er warf mir einen mitfühlenden Blick zu und gab mir abschließend den Tipp mich nicht zu überarbeiten, bevor die anderen den Raum betraten und wir mit der Probe begannen. Das Zusammenspiel funktionierte bis zum Ende des Tages sehr gut, weshalb wir dem Auftritt alle positiv entgegenblickten.

Unser Gig war ein voller Erfolg, das Publikum tobte und ging zu unserer Musik total ab. Im Anschluss trafen wir uns mit dem Produzenten von Gaia in einem der Nebenräume und er teilte uns seinen Eindruck von unserem Auftritt mit. Dass er großes Potential in unserer Band sieht und sich Nanas einzigartige Stimme in Kombination mit unserem guten Zusammenspiel gut vermarkten lassen würde. Er bot uns den Vertrag nun ganz offiziell an und nachdem wir schon zuvor alles ausführlich miteinander diskutiert hatten, stimmten wir zu uns von der Plattenfirma vermarkten zu lassen. Unser Debüt ging reibungslos über die Bühne, wir gewannen immer mehr Fans dazu und schon bald sollte unsere erste Single veröffentlicht werden. Wir waren täglich zum Proben im Studio und verbrachten sehr viel Zeit damit, unseren neuen Song aufzunehmen und für Fotos zu posieren, die das Cover schmücken sollten. Als Shin jedoch eines Tages den Fernseher einschaltete, wurde gerade über unsere Band berichtet und darüber, dass Nana eine Affäre mit dem Gitarristen von Trapnest, Ren Honjo habe. Dies belegten mehrere Bilder, die offenbar von einem Paparazzi aufgenommen wurden. „Wie sind die denn an diese Bilder gekommen? Nana und Ren haben die ganze Zeit so höllisch aufgepasst, dass sie nicht erwischt werden. Das wird ein schlechtes Licht auf uns werfen, denn so wie die das darstellen, benutzt Nana ihn nur um sich und die Band ins Rampenlicht zu rücken...", beschwerte ich mich kopfschüttelnd. „Ja du hast recht, schon bald wird es von Reportern nur so wimmeln. Diese Paparazzi müssen ihnen Tag und Nacht gefolgt sein, um an solche Fotos ranzukommen", stimmte Shin zu und verfolgte weiterhin aufmerksam den Bericht, ebenso wie ich. „Ausgerechnet jetzt, da es so gut läuft für uns... Das ist schon merkwürdig, es wirkt gerade so als hätte jemand ganz gezielt nach etwas gesucht, dass unsere Band in Verruf bringt", murmelte ich und schreckte aus meinen Gedanken auf, als es an der Tür klingelte. Shin und ich wechselten einen kurzen Blick, bevor er zur Tür ging und diese zögernd öffnete. Davor stand ein Mitarbeiter unserer Plattenfirma und forderte uns auf das Nötigste zusammenzupacken und mit ihm zu kommen. Auch er vermutete, dass es vor unserer Wohnung bald von Reportern nur so wimmeln und sie alles versuchen würden, um an Informationen zu kommen. Wir wurden zusammen mit Nana, Yasu, Nobu und Hachi in eine Unterkunft gebracht, die der Plattenfirma gehörte und in der noch andere Künstler lebten, die vor den Medien untergetaucht waren. Die Zimmer waren klein und nur spärlich eingerichtet. Lediglich ein Schreibtisch und ein Bett standen darin. Es drang nur wenig Licht von draußen durch die kleinen Fenster herein und es gab nur ein Gemeinschaftsbad pro Stockwerk. Schon krass wie schnell man im Showbusiness sinken kann... An einem Tag ist noch alles in Ordnung und am darauffolgenden versinkt alles im Chaos wegen ein paar dummer Fotos, die von einem Paparazzi geschossen wurden...

Achterbahn der Gefühle (Shinichi Okazaki x OC)Where stories live. Discover now