Kapitel 5

212 14 17
                                    

Ich sass auf einem Stuhl in einem langen Gang und starrte die weisse Wand gegenüber an. Ich war relativ schnell wieder aus dem Spital entlassen worden.

Als mich die Rettungssanitäter apathisch am Boden gefunden hatten, haben sie mich auch ins Krankenhaus gebracht. Die Ärzte haben aber nur eine Quetschung der Rippen, ein paar kleine Schürfwunden und einen Schwächeanfall festgestellt. Nachdem sie mich eine halbe Stunde an die Infusion gehängt hatten, ließen sie mich gehen. Ich wollte aber nicht nach Hause ohne zu wissen, was mit Matthias ist. Und so wartete ich vor seinem Zimmer.

Da setzte sich plötzlich eine Krankenschwester neben mich. "Er hat grosses Glück gehabt" sprach sie. Ich schluckte und schloss die Augen. "Du hast genau richtig reagiert. Ohne dich wäre er gestorben." Er lebte also! Ich schaute die Frau von der Seite an. War da nicht eben ein violettes Flackern in den Augen, ähnlich wie bei Avatar - der Herr der Elemente... nur eben violett? Oh Mann, die Medikamente verursachen anscheinend Halluzinationen.

"Du stehst ihm sehr nahe." stellte die Ärztin - oder Psychologin oder was auch immer sie war, fest. "Der Verlust von ihm hätte schwerwiegende Konsequenzen für dich und vor allem für deine Umgebung gehabt" Keine Ahnung was sie damit meint, aber dabei stellte sich mir eine andere Frage "Was ist überhaupt passiert?" - "Ein alkoholisierter und unter Drogeneinfluss stehender LKW Fahrer ist mit überhöhter Geschwindigkeit in den Kreisverkehr gefahren und direkt seitlich in den Bus gekracht. Der Busfahrer hätte keine Chance gehabt auszuweichen" erzählte die Frau. Ich war geschockt. "Und wie geht es den anderen Fahrgästen?" Sie lächelte "Es gab keine weiteren Verletzte. Hättest du kein elektromagnetisches Schild errichtet hätte es viele Tote und Schwerverlezte gegeben." Ich starrte sie an. Was soll das den bitteschön heißen?

Ich hatte aber keine Zeit darüber nachzudenken, denn da wurde die Tür von Matthias Zimmer geöffnet und der Arzt trat mit mehreren Krankenschwestern auf den Gang. Ich eilte sofort zu ihm "Wie geht es ihm?" fragte ich sofort. "Er hat ein schwere Gehirnerschütterung und mehrere gebrochene Knochen. Er hatte ausserdem Anzeichen der Folge eines kürzlichen Herzstillstandes." der Arzt starrte mich an. "Sind Sie die junge Frau, die neben ihm am Boden gelegen hat? Haben Sie einen Defibrilator benutzt?" Ui, was soll ich jetzt sagen? "Ehm... ja, hab ich" Was soll ich sonst sagen? Dass Blitze aus meinen Händen gekommen sind und ich diese durch seinen Körper gejagt habe?

Dann lande ich sicher in der Psychiatrie.
Wobei ich mir nicht einmal sicher bin ob das wirklich passiert ist. Vielleicht geht gerade meine Fantasie mit mir durch und ich habe wirklich im Eifer des Gefechts den Defibrilator aus dem erste Hilfe Kasten genommen.

Der Arzt wirkte auf einmal so abwesend.
"Nun gut, Sie haben dem Fahrer jedenfalls das Leben gerettet. Ich muss dann weiter." Er drehte sich um und wollte gehen. "Moment!" rief ich "Darf ich zu ihm?" Der Arzt drehte sich verwirrt um "Ehm ja, ja gehen sie nur." Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und ging schnell an der Ärztin von vorhin vorbei, die den Arzt anstarrte und öffnete vorsichtig die Tür.

Der Anblick der sich mir bot, zerriss mir das Herz. Das erste was mir auffiel, war das eingefallene, schier gealterte runde Gesicht des Mannes, der im Krankenbett unter einer riesigen weissen Decke lag. Sein Kopf war mit Bandagen eng umwickelt. Fast wie eine Mumie im Sarkophag. Nur wenige schwarze Haarsträhne lugten hervor. Ein druchsichtiges Schläuchen steckte ihm in der Nase und versorgte ihn mit Sauerstoff. Ein Gerät piepte regelmäßig. Er wirkte so zerbrechlich. Nichts war mehr von dem fröhlichen, neugierigen und aufgeweckten, blaugrauen Augen übrig.

Ich schluckte. Mein Hals war plötzlich so trocken. "Matthias?" flüsterte ich. Es dauerte eine Weile, bis er mich erkannte. Er versuchte zu lächeln, was ihm nur halbwegs gelang und anscheinend viel Kraft kostete.

Ich schnappte mir einen Stuhl, setzte mich zu ihm ans Bett und nahm vorsichtig seine Hand, an dessen Zeigefinger ein Sauerstoffsättigungsgerät angeschlossen war. Die Hand hatte jetzt wieder eine gewisse Körperwärme und wirkte nicht mehr wie der Tod. "Wie... geht... es dir?" seine Stimme war so matt und leise, dass ich mühe hatte seine Worte zu verstehen. Das Sprechen schien ihm unglaublich schwer zu fallen.

"Nur eine Rippenquetschung weil ich auf die Stange gefallen bin. Sie haben mir Schmerzmittel gegeben. Ansonsten geht's mir gut." Ich bemühte mich langsam zu sprechen, damit er mir folgen konnte.

Es klopfte an die Tür und Klaudia betrat in Begleitung von Philipp das Zimmer. Sie kam sofort zu mir geeilt und umarmte mich fest "Oh Gott, wir haben uns solche Sorgen gemacht als du uns von dem Unfall geschrieben hast" die Frau mit schulterlangem dunkelblonden Haaren warf dem Mann im Bett einen besorgten Blick zu.

"Hi Kumpel" Philipp war zu ihm ans Bett getreten. "Hi" brachte der Angesprochene mühsam hervor. Nervös fuhr sich der grosse Mann im weissen Hemd über den Dreitagebart. Keiner wusste was sonst noch sagen soll oder wo man hinstarren sollte. Allen Beteiligten war die Situation sichtlich unangenehm.

Philipp brach das Schweigen und räusperte sich "Ehm... Julia wie schaut es wegen Samstag aus?"
"Philipp!" Klaudia boxte ihm mit dem Ellenbogen in die Seite und funkelte ihn warnen an. Auch ja stimmt, wir wollten am Wochenende ein stillgelegtes und verlassenes Hotel besichtigen. "Geh..." kam es leise vom Bett.

"Was?" alle starrten den Verletzten an.
"Bringt... schöne...Bilder mit!" verlangte dieser. Ich stürzte zu ihm ans Bett "Nein!" protestierte ich. Wie kam er nur auf die bescheuerte Idee, das ich JETZT mehrere Kilometer an einen anderen Ort fahre und genau das mache, was er ebenso liebt wie ich, wärend er hier verletzt und geschwächt im Bett liegt? Nein, das kommt nicht in Frage!

Ich kniete mich neben ihn, sodass wir auf Augenhöhe waren.
Er rang sich ein Lächeln ab "Ist okay... geh!" flüsterte er "ich... komm... schon zurecht." Ich zweifelte an seinen letzten Worten. Er sah echt nicht gut aus... Was wenn sich sein Zustand verschlechterte? Was wenn seine Verletzungen doch zu schwer waren und er die Nacht nicht überlebte? Wenn das also sein letzter Wille war...

Ich seufzte und schaute Philipp an "Okay... ich komm mit"
Da öffnete sich die Tür und eine Krankenschwester kam hinein "Ich muss Sie jetzt bitten zu gehen. Er braucht viel Ruhe" sprach sie. Verständlich, trotzdem lasse ich ihn ungern hier alleine zurück. Philipp schien das zu merken und schob mich hinaus in den Gang.
Klaudia folgte uns, drehte sich aber nochmals zum Busfahrer um "Wenn du etwas brauchst sag Bescheid" doch da war er schon eingeschlafen.

Wir verließen das Krankenhaus und liefen zum Parkplatz.
"Wir bringen dich nach Hause" sagte Philipp und öffnete die hintere Wagentür als wir beim Auto ankamen. Ich kletterte auf die Rückbank des silbernen Kombis und die Beiden stiegen ebenfalls ein. Die restliche Fahrt verbrachten wir schweigend.

Das alles war so surreal. Noch vor ein paar Stunden ärgerte ich mich über meine Mitschüler und jetzt hatte ich einen schweren Busunfall einigermaßen glimpflich überstanden, wo hingegen einer meiner besten Freunde schwer verletzt ist. Echt krass! Stranger kann es echt nicht mehr werden...

FATE - Die Macht der ElementeWhere stories live. Discover now