Kapitel 19

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Meine Hände zitterten als ich den Arm ausstreckte. Jeder Muskel war zum zerreißen gespannt, die Sinne wie bei einem Raubtier geschärft. Das Objekt der Begierde liess ich keine Sekunde aus den Augen, ebenso die Person, die daneben im Bett lag. Die Atmung hatte ich vor einer Weile eingestellt weil ich fürchtete jedes kleinste Geräusch könnte mein Plan zu nichte machen. Fehler durfte ich mir keinen einzigen erlauben!

Die Fingerspitze berührte das kühle Metall, umschlossen es schnell wie ein Grifvogel eine Maus.
Langsam und vorsichtig ließ ich das schimmernde Schmuckstück in meine Hosentasche gleiten. Der kritische Teil war geschafft. Jetzt nichts wie raus hier!

Als ob der Boden aus Lava bestehen würde schritt ich, fast wie ein Flamingo, in Richtung der Tür. Mit jedem Knarzen des alten Holzbodens hielt ich erschrocken inne, wie eine Statue. Zum Glück schlief die Prinzessin wie ein Stein und so konnte ich unbemerkt nach draußen gelangen. Erst als die Tür hinter mir ins Schloss viel, atmete ich erleichtert aus und versuchte meine vor Anspannung wie Parkinson zitternden Glieder zu beruhigen.
Was tat ich hier nur?

Aber jetzt gab es keinen Weg zurück. Ich musste es durchziehen!

Wieder überkam mich dieses Gefühl, welches mich schon seit Stunden schier verrückt machte, dass ich kaum still sitzen konnte. Und die Anderen? Taten rein gar nichts! "Wir schauen morgen weiter." hatten sie gähnend nach Musa's Aussage, Vision könnten auch erst Wochen oder Monate später eintreten, gesagt. Aber ICH wurde das Gefühl nicht los, das es genau JETZT in diesem Augenblick, wo ich käuchend nach dieser irren Aktion an der Wand lehne, geschehen würde. Die Sorge und Angst noch jemanden zu verlieren frass mich fast auf.

Langsam, wie in Zeitlupe, hob ich meinen Rucksack vorsichtig hoch, um die Winx nicht zu wecken. Das wäre fatal!

Erst nachdem ich die WG verlassen hatte, zog ich im Flur hastig meine Schuhe an. Im Schutz einer Säule holte ich mein Handy hervor und hielt es dicht an die Jacke gepresst, um das Licht des Bildschirms etwas abzuschirmen. Gut, sie hatten meine Nachricht gelesen.

Ich tastete nochmals ob die kleine Wölbung in der rechten Hosentasche noch da war, als ich plötzlich ein Geräusch vernahm. Scheisse!

Ich drücke mich noch enger in die Niesche zwischen Säule und Wand und versuchte mich ganz klein zu machen. Warum musste mein Herz nur so laut schlagen?

Schritte waren zu höhren, die immer näher kamen. Ich hielt wieder den Atem am. Geh weiter! Geh weiter! Bloß nicht umdrehen! flehte ich gedanklich, fast wie ein Gebet. Meine Hände waren schweissnass und ich kniff instinktiv die Augen zusammen, als die Schritte direkt neben meinem Versteck waren. Die Neugier siegte aber trotzdem und die Augen öffneten sich einen spaltbreit.

Die Person, die mir den Rücken zeigte, war mittelgroß und hatte eine schlanke Statur, wie es für viele Jugendliche normal war. Etwas stach mir aber sofort ins Auge, sodass ich sofort wußte wer da durch die Gänge schlich.
Nicht viele hatten in Alfea weisse Haare... genaugenommen nur jemand.

"Friya?" Erschrocken fuhr das Mädchen zusammen und drehte sich um "Julia?!" überrascht schaute sie mich an. Ich trat aus meinem Versteck hervor und musterte die Person mir gegenüber. "Was machst du hier?" fragte sie. Die Selbe Frage wollte ich ihr auch gerade stellen und war darum nicht wirklich vorbereitet. Verflucht... was jetzt? "Ähm... nun..." wärend ich fieberhaft mach Worten rang, schaute sie mich prüfend an.

Ein metallenes Geräusch ließ uns beide erschrocken zusammenzucken. "Die Wachmänner von Solaria!" flüsterte Friya alamiert. Schnell duckten wir uns hinter eine Steinbrüstung und späten durch die Lücke des verschnörkelten Musters. Im unteren Stockwerk stapfte ein breitschultriger Soldat, mit klappertem Schwert im Gürtel, den Gang auf und ab. "Ich muss an DEM vorbei" sprach ich meinen Gedanken laut aus. "Es sind noch mehr im ganzen Schloss und Hof verteilt" flüsterte Friya. Verärgert biss ich mir auf die Unterlippe.

Das Mädchen neben mir schien nachzudenken, ehe sie mit einem "Komm, folg mir" aufstand und den Gang entlang lief. Wir schlichen durch das Schloss und bogen, immer wieder ab und liefen Treppen hoch und runter, sodass ich etwas die Orientierung verlor. Friya schien aber genau zu wissen wo lang und entgingen so immer wieder den Wachleuten, die im ganzen Schloss hinter jeder Ecke lauern konnten. Es war, als ob meine Begleitung spürt wo sich die Wachleute befinden würden.

Vor einer unscheinbaren Tür blieb sie stehen und die Tür flog auf. Ein schlichter Raum mit einem Bett, Schreibtisch, leeres Bücherregal und Kleiderschrank befand sich darin. Im Gegensatz zu den wohnlich dekoriert und gemütlich eingerichteten WG Zimmern wirkte dieser Raum wie eine Abstellkammer. "Ist das etwa dein Zimmer?" frage ich fassungslos und blickte mich ungläubig um. Friya antwortete nicht, sondern machte sich am Regal zu schaffen. Auf einmal war ein leises Klick zu höhren und das Möbel gab den Blick auf ein grosses Loch in der Wand preis. Ein Geheimgang!

Sofort erwachte die Entdeckerin in mir und ein breites Grinsen bildete sich auf meinen Lippen "Krass!" entfuhr es mir, schaltete das Licht meines Handy's an und drängte mich an der Schülerin vorbei in den dunklen Gang. Friya folgte mir und mit einem leisen rumpeln schloss sich das Regal wieder.

Jeder andere hätte jetzt sicher die Kriese bekommen, aber ich war als Urban Explorer schon so oft mit Matthias, Philipp und Klaudia in solchen Gängen gestanden. Der Gedanke an meine drei Freunde versetzte mir einen Stich und liess mich schneller vorwärts gehen.
Der Gang musste ja schließlich irgendwo hin führen.

Wir tastete uns der Wand entlang, bis uns kühler Wind empfing und die Sterne am Himmel begrüßten. Wir waren auf dem Schulhof hinter dem Schloss. Schnell rannten wir zur Grundstücksgrenze.

Ich fühlte wieder nach dem Schmuckstück in meiner Hosentasche. Der Zauber funktionierte leider nur ausserhalb der Barriere. Wieder überkam mich dieses eindringliche Gefühl, welches mich zu dieser vermutlich sau dummen Aktion verleiten liess. Ich musste den schützenden Ort der Schule verlassen. Ich hatte keine andere Wahl! Noch einmal tief Luft holend trat mein Fuss hindurch. Als wir durch die Barriere gingen, war ein violett-bläulicher Schimmer um unsere Siluette zu sehen und ein kribbeln auf der Haut zu spüren.

Schnell rannten wir durch den Wald. Irgendwo musste eine verlassene Hütte sein, durch die Stella immer in der Menschenwelt Shoppen ging. Dank unserer Magie fanden wir sie schlussendlich.

Nun standen wir vor der alten, brüchigen Holzhütte, die definitiv schon bessere Zeiten gesehen hatte.
Säufzent drehte ich mich zu meiner Begleiterin um. "Es tut mir lied... aber ab hier muss ich alleine weiter" Ich schaute in die ungläubigen Augen des Mädchens.
"Aber..." wollte sie protestierend einwenden, doch ich unterbrach sie, legte ihr eine Hand auf die Schulter und schaute ihr tief in die Augen. Ihre Worte hatten mich damals sehr berührt. Ich versuchte ihr das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht wertlos war, wie sie von sich selbst dachte, im Gegenteil:
"Du hast mir heute so viel geholfen. Ohne dich hätte ich es nie hier her geschafft. Ich möchte nicht, dass dir etwas passiert" sprach ich zu ihr. Mit grossen Augen schaute sie mich an und nickte nur.

Ich kramte aus der Hosentasche den goldenen Ring hervor und steckte ihn an den Finger. Ein leichtes leuchten ging von ihm aus. Ich hoffte einfach, dass mir Stella eines Tages für diesen Diebstahl verzeihen würde.

Ich legte die Hand mit dem Ring an den Türknauf und dachte ganz fest an Zuhause. Das Holz und verrostete Scharnier ächzte und quitschte leicht, als ich die Tür langsam öffnete. Dunkelheit empfing mich im Innern, doch ich musste einfach auf den Zauber vertrauen... das hatte ich mittlerweile gelernt.
"Julia, nein!" rief mir Friya noch hinterher, doch da war ich schon durch die Tür gegangen.

FATE - Die Macht der ElementeWhere stories live. Discover now