Kapitel 32 { Zita }

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Siehst du, was du wieder angerichtet hast, Vater?".
Und du, Paolo. Was glotzt du so blöd? Du freust dich doch, dass er weg ist", fluche ich laut aus, während schwere Tränen meine Wangen hinunter rinnen.
So wie Paolo sich ausgedrückt hat, klang es, als hätten wir wer weiß was getrieben. Ich blöde Kuh, habe auch noch rumgedruckst, als wäre genau das passiert.
„Was ich angerichtet habe, mein Liebchen? Würdest du dich nicht so liederlich verhalten, gäbe es diese Unannehmlichkeiten erst gar nicht", kommt es angriffig über die Lippen meines Vaters, während er dort sitzt und sich die übersättigte Plauze reibt.
So erfüllt und befriedigt, wie er auf seinem Platz sitzt, fährt mir gleich der Spruch „Schlechten Menschen, geht es immer gut", durch den Kopf.
Vaffanculo, Bernardo. Ich will diesen Betrüger hier nicht mehr sehen", stellt sich meine Mutter schützend vor mich und bittet Paolo mit einer ausdrucksvollen Handbewegung aus dem Haus.
Ja mach schon", scheucht sie ihn energisch in Richtung Diele.
Damaso und Emilia haben gleich nach dem Fidelio wutentbrannt das Weite gesucht hat, ebenfalls das Haus verlassen, um ihn mir zuliebe aufzuhalten. Dass sie seit einer guten halben Stunde weg sind kann also bedeuten, dass sie Glück hatten ihn rechtzeitig einzuholen, um gerade mit ihm zu sprechen. Anderenfalls kann es aber auch bedeuten, dass er längst über alle Berge ist, so wütend wie er gerade eben war und sie sich jetzt einen schönen restlichen Abend zu zweit machen. Hauptsache weg, von dem teuflischen Fiasko meines Vaters.
Jetzt stehen mein Vater, meine Mutter und ich um Paolo herum, als würden wir Schweinchen mit ihm spielen.
Da hat er gleich die zutreffendste Position für sich gefunden.
Nur ein Schwein taucht hier auf, um noch mehr Schaden anzurichten.
Ich hätte mir denken können, dass mein Vater uns nicht wirklich die Chance gibt, einander kennenzulernen. Dass er Fidelio niemals auf Augenhöhe begegnet wäre, um Bekanntschaft mit ihm zu schließen. 
Ich habe längst gewusst, wie dieser Abend endet und habe es dennoch darauf ankommen lassen.
Mir war klar, dass er Fidelio mit abwegigen Fragen Löchern wird, wie ein Schweizer Käse. Mir war auch klar, dass er sich ihm gegenüber von seiner miserabelsten Seite zeigen wird. Aber damit, dass er Paolo nach allem was war, zurück in unser Haus holt, in die Nähe seiner Tochter, damit habe ich beim besten Willen nicht gerechnet.
Ein Barbar, der alles schlechte mitbringt, dass man an einem einzigen Menschen verabscheuen kann.
Worauf wartest du noch? Verschwinde, Paolo", untermale ich den Wortlaut meiner Mutter, um ihn geradewegs in Richtung Tür zu dirigieren.
Ich begleite hin hinaus", mischt mein Vater sich mit völlig leerem Blick ein.
Paolo, der gerade noch damit gerechnet hat, mein Vater stünde auf seiner Seite, hat sich mit seinen anzüglichen Aussagen, sein eigenes Grab geschaufelt.
Es vergehen unzählige Minuten in denen man sie weder sprechen, noch das Öffnen der Türe hört, lediglich ihre schemenhaften Gestalten blitzen hinter der Milchglasscheibe hindurch.
Erst als ich die schroffe Stimme meines Bruders vernehme, atme ich erleichtert auf und beschließe mich dem Wortwechsel im Flur, auf leisen Sohlen anzuschließen.
Gehst du freiwillig oder muss ich nachhelfen?", kommt es spottend über Damasos Lippen, der sich vor  Paolo aufbäumt und ihn mit einem Mal zusammenzucken lässt.
Ich geh ja schon, bleib locker", entgegnet Paolo ihm verängstigt.
Ich bin so locker, wie man nur locker sein kann. Sonst hättest du dir schon längst wieder eine gefangen und jetzt zisch ab", erwidert Damaso konternd mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen.
Ich schmunzle, als er mir ein brüderliches Zwinkern rüberwirft, ganz nach dem Motto „Dein großer Bruder regelt das".
Bitte denk über uns nach, Amore", erwidert er beklommen, schaut mir schuldbeladen ein letztes Mal in die Augen und tritt langsam die Stufen nach unten herab.
Paolo, ich denke ich habe dir gerade deutlich genug gezeigt, dass du in unserem Haus nichts mehr verloren hast", fügt mein Vater mit unbewegter Miene hinzu und verzieht dabei seine Augen zu schmalen Schlitzen.
Ich würde zu gern wissen, wovon er spricht, aber ich bin viel zu erstaunt darüber, dass er in diesem Augenblick auf meiner Seite steht.
Ich hasse diesen Namen!", fluche ich ihm hinterher, es fühlt sich göttlich an, es endlich auszusprechen.
Sollte mich jemals wieder ein Mann Amore nennen, trete ich ihm gewaltig in die Eier.
Mit dem Kosenamen bin ich fertig, bis ans Ende meiner Tage.
Generell, bin ich fertig mit Männern, in meinem Leben. Männer wurden doch nur erfunden, um uns Frauen, das Leben zur Hölle zu machen.
Mein Vater, der Höllenfürst höchstpersönlich. Paolo, der böse Wolf im Schafskostüm, der seine eigenen aufgestellten Regeln bricht. Zum Schluss Fidelio, der Badboy, der gekränkt die Flucht ergreift, weil er denkt Jungfrau Maria hat es mit ihrem Ex getrieben. Dabei sollte er sich an die Nase fassen, mit seinen unzähligen Sgualdrinas, die ihm den Hof machen.
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
Im Augenblick weiß ich nur, dass meine größte Angst ist, Fidelio zu verlieren; noch bevor es richtig mit uns angefangen hat.
Was ist Donnerstag passiert, Felizitas?".
Ah, daher weht also der Wind. Ich habe tatsächlich gedacht, mein Vater hätte sich aufrichtig auf meine Seite geschlagen. Dabei geht es ihm nur wieder darum, dass ich meine heilige Unschuld vor der Ehe hätte verlieren können. Vater's übliche Egoprobleme.
Die Tatsache, dass ich schon lange nicht mehr sein keines Mädchen bin, sondern eine erwachsene Frau, die sich nach und nach von ihm abwendet; ohne dass er etwas dagegen unternehmen kann.
Paolos Betrug hatte nicht ausgereicht, ihn nicht wieder in unser Haus zu holen; in meine Nähe. Aber Vaters Vorstellungskraft, Paolo hätte seine Tochter vor dem Bund des Lebens angerührt, hat ihn gleich auf den Scheiterhaufen katapultiert.
Mehr, als das er mich geküsst hat, ist nicht passiert, Vater", erwidere ich verlegen, wobei ich ermattet mit den Augen rolle.
Es gibt Dinge, die muss man seinem Vater mit achtzehn Jahren einfach nicht mehr sagen. Selbst wenn etwas zwischen mir und Paolo passiert wäre, dass übers Küssen hinaus geht, denkt er wirklich, ich würde es ihm erzählen?
Weshalb sollte ich dir Glauben schenken? Deinem aufständischen Verhalten nach zu urteilen, machst du scheinbar vor Nichts und Niemandem mehr Halt. Nicht mal vor diesem volltätowiertem Casanova".
Er setzt sich ruhevoll die Lesebrille auf die Nase, eventuell mit der Intention, mich anschließend besser durchschauen zu können.
Wenn ich ihn so betrachte, sieht er eher aus wie ein gnadenloser Mafioso und nicht wie ein frommer Kirchengänger, wie er vorgibt zu sein.
Von seiner immensen Rigorosität, könnte sich der ein oder andere Mafiote eine Scheibe abschneiden.
Für mich ergibt sein widersprüchliches Verhalten, schon lange keinen Sinn mehr.
Auf der einen Seite züchtig er mich und will mir das Buch Gottes mit Besessenheit eintrichtern. Auf der anderen Seite tut er all diese hässlichen Dinge, die unser Vater im Himmel, gewiss nicht duldet.
Vater, es gibt noch ein paar wenige Dinge im Leben, bei denen musst du mir womöglich einfach vertrauen. Wenn ich mich bisher beherrscht habe, dann werde ich es ganz sicher nicht tun, nachdem er mich betrogen hat", erkläre ich ihm guten Mutes, dass er endlich von diesem mir unangenehmen Thema ablässt.
Cretino, du würdest dich am liebsten gleich mit unter die Decke legen", flucht meine Mutter und schlägt ihre Hände theatralisch über dem Kopf zusammen.
Der Junge trotzt vor bösem Blut, das habe ich im Gefühl, Giovanna. Sein Gesicht ist mir nicht unbekannt, das hab ich schon mal irgendwo gesehen", entgegnet er Mom grübelnd, während er sich mit den Fingern durch die Schifferskrause fährt.
Seinem Vater gehört das Weingeschäft „Morelli", der Name mit dem er sich vorhin vorgestellt hat. Hörst du nicht zu?", erwidert meine Mutter, wie immer im Bilde.
Der Morelli? Der Morelli von der Plörre die du täglich in dich hinein stemmst?", fragt er, als würde es ihm wie Schuppen von den Augen fallen.
Aber auch nur, weil du anders nicht zu ertragen bist, Cazzone!", beschwert sie sich pikiert.
Damaso und Emilia schmunzeln über die ewigen Sticheleien meiner Mutter. Wahrscheinlich gibt er meiner Mom kein Kontra, weil er ewig in ihrer Schuld damit stehen wird, dass sie wegen ihm ihre Familie zurück gelassen hat.
Ich nutze den Moment der Stille, um langsam und unauffällig in Richtung Diele abzurücken.
Ich halte es nicht länger aus und muss unbedingt Fidelio schreiben; versuchen mich ihm zu erklären.
Wo willst du hin, Signorina?".
Mit einem schweren Seufzen, drehe ich mich ein letzten Mal zu meinem Vater um.
Ich will in mein Zimmer, ist das auch verboten?", kommt es beklommen über meine Lippen, ehe ich mich wieder in Bewegung Sätze.
Jetzt seufzt mein Vater gekünstelt, als wäre er es, der es schwer im Leben hat.
Er war leider schon weg, tut mir leid", flüstert Damaso im vorbeigehen. 
Ich nicke reserviert und verschwinde schnellen Schrittes in meinem Zimmer.
Ich werfe mich ermüdet auf mein Bett, vergrabe mich in dem Berg an Kissen und zücke mein iPhone aus der Nachtkommode.
Für einen kurzen Augenblick, ist da dieser Hoffnungsschimmer in mir, dass er mir vielleicht eine Nachricht hinterlassen hat. Der Silberstreifen am Horizont verblasst jedoch, als lediglich Paolo mir eine Nachricht auf dem Display zurückgelassen hat.

Warum zur Hölle hat dein Vater eine Knarre unter eurem Schuhschrank versteckt?!"

Ich schüttele fassungslos mit dem Kopf, als ich seine Nachricht lese. Auch wenn mein Vater in meinen Augen eine Bestie in Menschengestalt ist, traue ich ihm nicht zu, dass er weiß, wie man eine Schusswaffe überhaupt abfeuert; geschweige denn dass er je eine besessen hat.
Paolo muss kreativer werden, um meine Beachtung zu finden.
Ich lasse seine Nachricht vorerst unbeantwortet, denn für heute habe ich genug von den kranken Spielchen meines Erzeugers.
Das einzige Ziel, dass ich in diesem Augenblick verfolge, ist es in Erfahrung zu bringen, wo Fidelio steckt.
Noch vor dem Abendessen habe ich mir vorgestellt, wie ich mich anschließend aus dem Haus schleiche, um den restlichen Abend mit ihm zu verbringen. Jetzt gibt es keine Spur von ihm und ich habe keinen Blasen Schimmer, wo er sich aufhält.

Fidelio, bitte melde dich. Gib mir wenigstens die Chance, es dir zu erklären. Zwischen Paolo und mir, lief nichts. Zumindest nicht das, was du scheinbar vermutest. Ich hätte es niemals gekonnt, weil ich nur dich in meinem Kopf habe".

Ein Haken.
Lediglich ein einziger Haken, der neben meiner Nachricht an ihn erscheint.
Ich versuche es mit einem Anruf, doch gleich nach dem ersten Piepton, erklingt seine Mailbox.
Hallo, hier ist Melitta, haben Sie noch alle Tassen im Schrank?".
Auch wenn mir gar nicht nach Spaß zu mute ist, schmunzle ich über seine dämliche Mailboxansage.
PIEP.
Ähm, hey.. Hier ist Zita. Ich weiß nicht, ob du deine Mailbox überhaupt abhörst, aber solltest du das hören, dann ruf mich bitte zurück", spreche ich nach dem Signal, ehe ich auflege.

Stündlich wache ich auf, um nachzusehen, ob er sich in der Zwischenzeit gemeldet hat.
Nichts.
Mittlerweile ist es mitten in der Nacht.
Inzwischen sind es nun zwei Haken neben meiner Textnachricht, die dafür sprechen, dass er sein Handy zwischenzeitlich eingeschaltet haben muss.
Paolos Worte, lassen mich nicht locker, sodass ich mich gegen drei Uhr mit meiner Handytaschenlampe aus dem Zimmer schleiche, um nachzusehen, wie viel Wahrheit in seiner seltsamen Nachricht steckt.
Ich knie auf dem Vorleger im Flur, um unter unserem Schuhschrank nach zu sehen.
Vor Schreck zucke ich augenblicklich zusammen, als ich tatsächlich eine Waffe auf dem Querbalken des Holzgerüsts entdecke.
Gleich daneben mehrere Ladungen Munition.
Was zur Hölle hat es mit dieser Waffe auf sich?
Ist mein Vater ein Krimineller? Wie weit würde er gehen, wenn es darum geht mich in seine Obhut zu nehmen?
Paolo hatte nicht gelogen, so viel steht fest.
Hat mein Vater ihm tatsächlich mit einer Waffe gedroht, bevor er das Haus verlassen hat?
Ich drehe den Colt behutsam in meiner Hand, und betrachte die Gravur auf der Griffschale.
Cosa Nostra" steht dort in kleinen kursiven Buchstaben geschrieben.
Die Cosa Nostra?
Ich bringe mit Cosa Nostra nur eine einzige Sache in Verbindung und zwar eine der bedeutsamsten Mafiagruppierungen Italiens.
Ein heisser Schauer durchzuckt meinen Körper und unzählige infrage kommende Antworten gehen mir in diesem Augenblick durch den Kopf.
Meine Hände die ich fest um die Waffe gelegt haben, zittern unkontrollierbar; während sich Schweißperlen auf meinem Dekolleté bilden.
Was zur Hölle machst du da?", ertönt es mit beißender Stimme aus dem Hintergrund.
Fremdgesteuert entgleitet mir die Waffe und fällt mit einem dumpfen Donnerschlag zu Boden.

Just like the guys in my books Where stories live. Discover now