Kapitel 61 { Maja }

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Es ist das erste Mal, dass ich das Gefühl nicht loswerde, dass dies ein Abschied für immer werden könnte.
Ich sage könnte, weil da immer noch dieser beschissene Funke Hoffnung in mir glimmt und egal wie oft ich darauf herumtrampele, die Glut will nicht erlischen.
Innerlich sträubt sich alles in mir, ihm diesen Gefallen zu tun, einfach locker zu lassen, endlich aufhören um diese aussichtslose Liebe zu kämpfen. Aber ein Fidelio Morelli gewinnt immer und er tut es in diesem Augenblick schon wieder.
Ich fühle mich völlig ausgelaugt, kraftlos, um weiter an etwas festzuhalten, dass mich unbarmherzig in Stücke reißt, bis es mich gänzlich zu Fall bringt. Das Einzige, dass ich jemals wirklich von ihm hören wollte ist, dass es nie bloß eine Einbildung war, dass da mehr zwischen uns war, als er selbst je vermutet hätte.
In den letzten Tagen hat es sich zwischen uns viel zu perfekt angefühlt, aber mir war gleich klar, dass es wie immer, einen Haken haben wird.
Jetzt weiß ich es endlich, dass mich mein Gefühl, dieser Instinkt den jede Frau besitzt, nicht getäuscht hat. Er erwidert diese Gefühle für mich, gesteht es sich endlich ein, dass in ihm mehr steckt, als dieser mit dem Schwanz denkende Teil.
Ich habe mich immer gefragt, wie es sich wohl anfühlen mag, wenn er meine Liebe erwidert.
Ich habe mir vorgestellt, dass es sich wie ein erleichterndes Aufatmen anfühlt, dass die schweren Steine die sich um mein Herz gebildet haben beginnen zu bröckeln und die Abertausenden Schmetterlinge in meinem Bauch anfangen zu flattern, da sie nun endlich Platz dazu haben.
Aber nein, so fühlt es sich ganz und gar nicht an.
Es fühlt sich so an, als würde jemand den Strick um meinen Hals noch fester ziehen und als würde jemand eine weitere zentnerschwere Ladung Kiesel in meine Magengrube kippen, um die beflügelten Tierchen darunter gänzlich zu begraben.
Was wäre, wenn er zu dieser Erkenntnis gekommen wäre, bevor dieses Mauerblümchen in sein Leben getreten ist?
Wären wir dann von nun an zusammen, wie ein stinknormales Paar?
Würden wir nun diese simplen Dinge tun, die ich mir seit jeher erträumt habe?
Gemeinsam durch den Park schlendern, während die Sonne unsere Nasenspitzen kitzelt und dabei genüsslich ein Eis essen, dass wir uns womöglich teilen, so wie es sich klischeehaft gehört?
Würden wir unseren Eltern sagen, dass es uns von nun an nur noch im Doppelpack gibt und ab diesem Zeitpunkt jeden weiteren Schritt in unserem Leben gemeinsam gehen?
Würden wir jeden Tag telefonieren, sobald sein Studium begonnen hat, weil wir uns so sehr vermissen, dass es schmerzt?
Wäre er in der Lage dazu, auf all die anderen Frauen aus seinem Umfeld zu verzichten, weil er mich haben kann?
Bei der Vorstellung, dass als das hätte Realität werden können, schmerzt es gleich noch viel mehr in meiner Brust.
Lieber bleibe ich bei der Version, dass er sich niemals für mich ändern würde, selbst wenn er in der Lage wäre, diese Gefühle zu erwidern.
Dass er mir immer wieder das Herz brechen würde und ich mir nie gewiss darüber sein könnte, dass er bei mir bleibt, sondern mich eher verlassen würde, wenn sich ihm ein attraktiveres Wesen in den Weg stellt.
Er verkauft seine Seele an die Mafia, hintergeht seine Familie und verzichtet auf mich, die immer an seiner Seite stand, um mit ihr, diesem Aschenputtel zusammen zu sein.
In einem Moment ist es die Trauer, die meinen gelähmten Körper durchfährt, wie ein Luftstrom.
Im nächsten Moment aber ist es Zorn und die Versuchung sein fragiles Kartenhaus zu Fall zu bringen.
Was wäre, wenn ich ihr von unserer gestrigen Liaison erzählen würde?
Wie er mich erbarmungslos und hart auf dem Tisch gefickt hat, während dieses schillernde Schmunzeln über seine Lippen gehuscht ist?
Wie wir die letzte Nacht zusammen verbracht haben und er mich so fest in seinem Arm hielt, als wäre ich der letzte Halt, den er in seinem Leben hat?
Wenn ich alles was ich weiß, seinem Vater stecken würde, ihm sein Versteckspiel offenbaren würde?
Nichts wäre dann, es würde rein gar nichts an meiner Situation enden.
Ich bin kein Racheengel, auch wenn ich mit meinen blonden ungestümen Locken gewiss wie einer aussehe.
Ich bin leider so verdammt gutmütig, dass ich das Wohl anderer immer über meins stelle, um auf mein eigenes Glück zu verzichten.
Lieber leide ich und gehe diesen schweren steinigen Weg, als dass ein anderer diesen innerlich zerberstenden Schmerz verspürt.
Noch immer liege ich in seinem Bett, genau an der Stelle, auf der er mich gefühllos zurückgelassen hat.
Ich vergrabe meine Nase tief in seinem Kopfkissen, nehme seinen Duft in mich auf wie eine Droge und stelle mir vor, dass er immer noch hier neben mir liegt.
Ich bereue es, dass ich die letzten Stunden geschlafen habe, dass ich innerlich so zufrieden und glücklich war, aber zeitgleich so erschöpft und müde, dass ich einfach nichtsahnend in seinen starken Armen geruht habe.
Wäre ich wach geworden, dann hätte ich gesehen, dass all diese Gedanken ihn plagen und hätte ihm gut zureden können. Er hätte diese Entscheidung nicht getroffen, denn ich hätte alles in meiner Macht stehende dafür getan, dass er sich nicht gegen uns entscheidet.
Wie lange hat er heute Nacht neben mir gelegen und darüber nachgedacht, wie er diesen Schlussstrich am einfachsten zieht?
So schwach kenne ich ihn nicht, dass er meinen paralysierten Zustand ausnutzt, um mich ohne mit mir darüber zu sprechen, zu verlassen.
Scheinbar bin ich ihm nicht mal so viel wert, um's mir ins Gesicht zu sagen, dass ich nicht länger ein Teil seines Lebens bin.
Ich schließe meine Augen, während sein unwiderstehlicher Duft immer weiter in meine Nase strömt, bis er mein Hirn erreicht und meine schwankende Schutzmauer gänzlich zu Fall bringt.
Ich weine, ohne Rückhalt und so bitterlich, dass mein lautstarkes Japsen den Raum durchflutet.
Ich knie mich aufs Bett und schlage so lange auf dieses verdammte Kissen ein, bis der Schmerz in mir erstickt.
Die Knopfleiste zerreißt und ich schlage weiter so fest auf das Kissen ein, bis überall um mich herum, weiße Federn durch die Luft gleiten.
Ich werde aus meinem tobsüchtigen Rausch gerissen, als es hinter mir an der Tür klopft, doch als mein entsetzter Blick auf diese fällt, ist es schon zu spät.
Es ist seine Mutter, die gemeinsam mit Rosalia an der Hand im Türrahmen steht und mir einen verdutzten Blick zuwirft.
Wann wirst du endlich damit aufhören?", kommt es ruhevoll über ihre Lippen, während ein schweres Seufzen ihre Lippen verlässt, als sie einige Schritte auf mich zu macht.
Womit aufhören?".
Ich wedele nervös mit den Händen in der Luft, um die letzten Federn zu Fall zu bringen, als sie sich zu mir auf die Bettkante setzt.
Damit, dich so behandeln zu lassen, Maja. Ich beobachte das mit euch nicht erst seit gestern und ich weiß wie sehr es schmerzt, wenn Liebe nicht erwidert wird. Ich liebe meinen Sohn, aber in einigen Hinsichten, ähnelt er verdammt seinem Vater".
Mich überrascht es, dass sie dem verwüsteten Bett keinerlei Beachtung schenkt und mir stattdessen einfühlsam in die Augen sieht.
Als mir Rosalia mit den Worten: „Mama, ist Maja traurig?", in die Arme fällt, laufen weitere unaufhaltsame Tränen, meine Wangen hinunter.
Sie legt ihren Kopf auf meinen Schoß und ich streiche ihr durch ihr engelsgleiches Haar, als ich völlig geknickt mit den Schultern zucke.
„Er ist nicht so...wie er sich immer gibt. Ich habe mein Bestes gegeben, aber...".
Aber es war scheinbar nie genug, ich weiß...".
„Und was soll ich nun tun, Ginevra?".
„Du tust gar nichts mehr, mio cuore. Ich hab das alles schon etliche Male durch und egal was du tust, es wird dich nie an dein Ziel bringen. Lass ihn ziehen und bleib dir selbst treu. Du bist eine unglaubliche junge Frau und wenn mein Sohn das nicht sieht, dann ist er ein Esel. Früher oder später wird er vielleicht merken was er an dir hatte und dann liegt es an dir, ob es zu spät dafür ist".
Auch wenn ihre Worte die klaffende Wunde in meinem Herzen niemals heilen werden, fühlen sie sich an wie ein Pflaster, dass sich für einen Augenblick schützend darüber legt.
Ich nicke wortlos und erwidere ihre Umarmung, als sie mir ihre Arme einladend entgegenstreckt.
Ich wusste ja gar nicht, dass du so...explosiv sein kannst", kommt es mit einem Kichern über ihre Lippen, als sie mir eine Feder aus den Haaren zupft.
Er bringt mich echt um den Verstand", erwidere ich und kann es nicht verbergen, dass auch mir ein dezentes Lächeln über die Lippen huscht.

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