2. Synchronisatonsprobleme

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Das biometrische Prüfsystem bestand aus einem Augenscan. Amara beugte sich vor und wartete auf den Abgleich.

Der Bildschirm neben dem Scanner leuchtete grün auf und eine elektronische Frauenstimme bestätigte freundlich ihre Identität: „Amara Lombardi. Zutritt gewährt."

Die Schleuse öffnete sich zischend und Amara trat in einen eckigen Durchgang.

„Du weißt, was du als Nächstes machen musst?", fragte Lew.

„Ich habe weniger als zwanzig Minuten, bis die vollständige Überprüfung des Systems abgeschlossen ist, welche die Fehlerquelle ermittelt", antwortete die Klonin nüchtern. „Bis dahin muss ich in die Cloud eingedrungen sein, den Code ausfindig machen und mich in den Abschnitt C des Fuhrparks begeben haben."

„Sobald dem System auffällt, dass zwei Amaras sich gleichzeitig an unterschiedlichen Orten aufhalten, wird es alles abriegeln", betonte Lew überdeutlich.

„Nicht, dass wir dir irgendwelchen Stress machen wollen", witzelte Juna flach und im nächsten Moment hörte sie das saugende Geräusch eines Strohhalms.

Diese ganze Neurolinksache war ihr immer noch nicht ganz geheuer. Es war, als hätte sie ein schlecht eingestelltes Radio in ihren Kopf implantiert bekommen - es rauschte von Zeit zur Zeit und die Qualität der Stimmen variierte sehr stark. Einzig Junas Stimme schien nie viel von ihrer Klarheit einzubüßen - doch womöglich hing dieses Phänomen auch mit ihren empathischen Fähigkeiten zusammen.

So oder so, sie bekam Kopfschmerzen davon.

Und allein die Vorstellung, dass drei andere Personen alles mitbekamen, was sie sah und hörte, ohne körperlich anwesend zu sein, trug auch nicht unbedingt zu einer inneren Gelassenheit bei.

„Sie ist nervös", kommentierte Juna jetzt auch noch unverhohlen ihren Gefühlszustand.

„Kein Wunder", blaffte Dag. „Wir hätten sie niemals hierzu überreden dürfen - Lew, das ist alles deine schuld!"

„Niemand musste mich hierzu überreden", widersprach Amara grimmig. Ihre schnellen Schritte klickerten über metallischen Untergrund und kamen ihr selbst verstörend laut vor. „Ihr habt mich nicht nur vor der Auslöschung bewahrt, hierdurch erhalte ich außerdem noch die Chance mich an denen zu rächen, die mir das antun wollten. Und anderen wie mir antun werden."

Sie erreichte das Ende der Schleuse, durch die sie in einen stählernen, fensterlosen Korridor gelangte. Auch hier spendeten an Decke und Wänden verlaufende Neonröhre künstliches Licht. Alles war erleuchtet und verbannte jede Dunkelheit. Ein schauriges Gefühl breitete sich in Amara aus; es erinnerte sie an die ebenso grell ausgeleuchteten Untersuchungsräume ihrer Kindheit zurück. Die Klonin schluckte schwer und verdrängte schnell die unliebsame Erinnerung.
Jetzt war nicht die Zeit dafür, sie musste sich konzentrieren.

Die Cloud musste in unmittelbarer Nähe sein, doch weiter als auf diese Etage hatten sie den genauen Aufenthalt nicht eingrenzen können.

„Was jetzt?"

„Schließ die Augen", orderte Lew knapp. „Die Cloud ist organisch. Sie ist dahingehend programmiert, dass du aus kurzer Distanz ein Signal wahrnehmen müsstest - wie ein kalter Schauer."

Amara spürte es. Ein Hauch von fremdartigen in ihren Gedanken, der, wie Lew sagte, kalte Schauer durch ihren kompletten Körper hindurchjagte.

„Je näher du der Cloud kommst, desto intensiver wirst du es fühlen."

„Heilige Scheiße", sagte Juna fröstelnd. „Davon bekommt man ja Gänsehaut!"

Amara konnte der Beta-Empathin nur zustimmen. Trotzdem fehlte ihr die Zeit, um zimperlich zu sein. Sie musste sich beeilen, bevor dem System der Fehler auffiel.

Arche_Noah_ProjektWhere stories live. Discover now