9. Schuld

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Es war für Amara ziemlich verstörend, eine ältere Version von sich selbst zu beobachten

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Es war für Amara ziemlich verstörend, eine ältere Version von sich selbst zu beobachten. Sie fühlte sich wie eine Zeitreisende, nur, dass sie natürlich nicht in einer anderen Zeitlinie geboren wurde. Sie wurde überhaupt nicht geboren, sondern erschaffen. Von dieser Frau. Amara Lombardi.

„Geht's dir gut?", fragte Dag besorgt, der neben ihr im Lieferwagen hockte und ebenfalls aus dem Fenster starrte.

„Es wird mir gut gehen, wenn ich meinen Teil dazu beigetragen habe, diese gefährliche Frau aus dem Weg zu räumen", erwiderte sie bitter. „Ist das ihre Tochter?"

„Dinora Lombardi. Fünfzehn. Eine normale Oberschülerin, von der keinerlei Gefahr ausgeht."

„Außer sie erkennt nach dem Tausch, dass ich nicht ihre wirkliche Mutter bin. Ich habe schließlich keine Ahnung von ihrem Leben."

Dag schnaubte belustigt. „Welche Fünfzehnjährige erzählt ihren Eltern den Einzelheiten aus ihrem Leben? Da musst du dir keine Gedanken drum machen. Lächle einfach und frag sie wie ihr Tag war. Wahrscheinlich kriegst du keine Antwort und dein Tagessoll an Kommunikation ist erfüllt."

„Ist das wirklich so? Klingt irgendwie traurig."

„Junas Recherchen nach, haben sie kein sehr enges Mutter-Tochterverhältnis zueinander. Solange du ein wenig Interesse heuchelst, wirst du schon nicht auffliegen."

„Wie genau konnte Juna sowas Privates denn Recherchieren?", fragte Amara verblüfft.

„Ganz einfach. Indem sie mit der kleinen Dinora gechattet hat. Du wärst überrascht, was frustrierte Teenager alles bereitwillig Fremden im Netz anvertrauen. Richtig gruslig."

Sie beobachteten, wie das Mutter-Tochter-Duo in das hochmoderne Fahrzeug stieg und sich vom vollautomatisierten Autopiloten zu ihrem gewünschten Zielort chauffieren lassen würden.

„Los geht's", murmelte Dag und startete den Motor. Der erste Stopp war Dinoras Schule, wo Amara sie auch später wieder einsammeln würde; ihre zweite Feuerprobe nach dem erfolgreichen Tausch. Falls er erfolgreich verlaufen sollte. Sie sah dem Teenager nach, der schlechtgelaunt aus dem Schweber gestiegen war und nun mit herabhängenden Schultern den Bürgersteig entlang trottete.

Genetisch betrachtet war dieses Mädchen dort drüben ihre Tochter. Ein ziemlich erschreckender Gedanke ...

Dag fuhr an und Amara beobachtete das Mädchen so lange wie möglich im Rückspiegel, bis sie um eine Ecke bogen und Dinora aus ihrem Blickfeld schwand.

Was bin ich für dich?, dachte sie traurig. Eine völlige Fremde mit dem Gesicht deiner Mutter. Und wenn Lombardi mein Bewusstsein erfolgreich überschreibt, würde ich dich lieben. Einfach so. Obwohl wir faktisch noch nie ein Wort miteinander gewechselt haben - weil ICH dann weg wäre. Ausgelöscht. Und du wurdest nicht einmal wissen, dass ich jemals existiert habe.

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