12. Dino

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Sie nahmen sich ein Taxi.

Allesamt blutbefleckt rutschten sie ins Fahrzeuginnere und Amara übermittelte dem Autopiloten die gewünschte Zieladresse.

„Willst du wirklich nicht lieber ins Krankenhaus?", forschte Amara nochmals unsicher nach, doch der fremde Junge winkte ab. „Dann könnte ich mich auch gleich selbst stellen ... autsch." Er berührte mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Kiefer. „Diese verfluchten Dreckskerle. Wenigstens hat es sie noch übler erwischt. Du hast mir nie erzählt, dass deine Mum Kung-Fu beherrscht."

„Das ist mir allerdings auch neu", murmelte Dinora und warf Amara unter ihren Stirnlocken einen fragenden Blick zu.

„Na ja, ich besitze immerhin einen überschiebenen Klonkörper. Klone sind schneller, stärker und resistenter als Menschen, das hilft natürlich im Kampf."

„Trotzdem ...", wisperte das Mädchen und sah sie weiterhin mit Augen an, die nicht glauben konnten, dass ihr Gegenüber wirklich ihre leibliche Mutter war.

Tja ...
Das stimmte auch.

„Shit, Sie sind ganz anders, als Dino Sie beschrieben hat", meinte der Junge, Blue, plötzlich und fokussierte Amara kritisch. „Aber das ändert nichts daran, dass sie eine verdammte Mörderin sind! Dieser Klon, dessen Körper Sie sich einverleibt haben, hat mal gelebt!"

„Ich weiß."

„Und das interessiert Sie nicht? Haben Sie kein schlechtes Gewissen?!"

„Nein", log Amara.

„Wie hast du mich überhaupt aufgespürt?", erkundigte sich Dinora und verschränkte die Arme vor der Brust. „Bist du mir etwa gefolgt?"

„Ich habe eine ... Arbeitskollegin gebeten, deinen Neurolink zu orten", erklärte die Klonin zögernd, da sie sich ja irgendwie erklären musste. Was für ne Scheiße. Wenn Lew erst davon erfuhr, würde er alles andere als begeistert sein.

„Sowas ist illegal", brummte Blue, dessen untere Gesichtshälfte mit getrocknetem Blut verschmiert war.

„Sowie eure Versammlung", konterte Amara geschickt.

„Versammlungen wie diese sollten aber nicht verboten sein. Wir haben niemanden was getan oder anderweitig belästigt."

„Noch nicht", vermutete Amara. „Aber eure Gruppierung ist ja nicht unbedingt bekannt für friedvolle Proteste."

„Aber wir machen das nur, weil uns niemand richtig zuhört! Es passiert so viel Scheiße innerhalb der Sektoren; Klone werden ermordet, Empathen einfach weggesperrt und die, die dafür verantwortlich sind, sichern sich durch ihr Projekt Unsterblichkeit! Sollte nicht eigentlich unsere Generation diejenige sein, die die Zukunft mitgestaltet? Stattdessen werden wir im Höchstfall geduldet. Wie sollen wir nicht die Fäuste ballen, wenn unsere Stimmen immer weniger gehört werden?!"

Amara betrachtete den Jugendlichen voller Mitgefühl. Er hatte absolut recht, dieses neu erschaffene System war den Jüngeren gegenüber total unfair.

„Wie auch immer", murmelte Blue düster. „Ich erwarte nicht, dass jemand wie Sie das versteht. Zwar bin ich Ihnen dankbar für die Rettung, aber unterm Strich repräsentieren Sie sogar noch weit größeren Abschaum, als diese Bullenschweine."

„Blue", sagte Dinora mahnend und er wendete sich ab und blickte die restliche Fahrt über stumm aus dem Fenster.

Die übermittelte Adresse dirigierte sie in einen der heruntergekommensten Sektoren am Rande des besiedelten Gebiets, Sektor 19. Unter den 24 Stadtsektoren, war dies der ärmste.

„Wir sehen uns", sagte Blue zu Dinora und stieg dann aus dem Auto, ohne Amara noch eines Blickes zu würdigen. Sie konnte es gut verstehen, denn schließlich gehörte ihr Gesicht der Frau, Amara Lombardi, die das Projekt_Arche_Noah erst ins Leben gerufen hat.

Arche_Noah_ProjektWhere stories live. Discover now