Kapitel 12 - Ein überraschender Austausch

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Cana blickte zum wiederholten Male auf ihre Armbanduhr. Dann seufzte sie, stützte erneut ihr Kinn auf ihre Handfläche und blickte aus dem Fenster, hinter dem die grüne Landschaft an ihr vorbeizog. Trotz der Tatsache, dass ihr Auftrag sie nur in den Nachbarort führen sollte, dauerte die Reise zurück länger als erwartet. Was an dem unglücklichen Zufall lag, den Zug mit der überraschenden Notbremsung mitten auf der Strecke zu erwischen. Ein junger Mann hatte die Notbremse panisch betätigt, da bei seiner Partnerin die Wehen angefangen hatte. So also hatten sie einen halbstündigen Stopp einlegen müssen, um auf das Auto der Zuggesellschaft zu warten, welches die werdenden Eltern direkt nach Magnolia ins Krankenhaus gebracht hatte.

Nun war es anstatt dem geplanten Nachmittag der frühe Abend geworden, was ihre Rückkehr betraf. Cana war mehr als nur ein bisschen unruhig, weil der Auftrag viel länger gedauert hatte als ursprünglich geplant. Sie würde sich irgendwie anders arrangieren müssen, wenn sie weiterhin auf Aufträge gehen wollte. Ein leises Seufzen entwich ihr. Hoffentlich war Lexy so vertieft in ihre Beschäftigungen, um die verspätete Stunde nicht zu bemerken.

„Es wird besser werden. Jedes Mal, wenn Sie beruflich Ihre Familie für eine Zeit zurücklassen müssen", ertönte eine männliche Stimme vom Sitz gegenüber und sie blickte ihren unverhofften Gesprächspartner überrascht an. Ein breitschultriger Mann im mittleren Alter, gekleidet in einen dunkelblauen Anzug samt hellgrauer Krawatte und weißem Hemd, der einen schwarzen Aktenkoffer auf seinem Schoß hatte.

„Jeder bekommt diesen ganz bestimmten Blick, wenn er an die Menschen denkt, die ihm am meisten am Herzen liegen", führte ihr Gegenüber weiter auf.

Cana verstand nun auch, was er damit ausdrücken wollte. Sie rang sich ein halbherziges Lächeln ab, doch der Mann schüttelte nur verständnisvoll den Kopf.

„Man gewöhnt sich nur allmählich daran. Irgendwann entscheidet man sich, für eine Zeit die Reisen aufs Minimum zu beschränken, damit man mehr von seinem Partner und seinem Nachwuchs hat", führte er aus.

„Wenn es nur so einfach wäre", entwich es Cana. Im nächsten Moment hätte sie sich dafür schlagen können. Sie vermied Smalltalk mit anderen Reisenden so gut es ging. Doch irgendwie hatte es dieser Mann geschafft, sie aus ihrer Reserve zu locken, um sie zu einer Reaktion zu bewegen.

Er nickte nachdenklich, dann fiel sein Blick auf ihre kleine Tasche, in die definitiv nicht mehr passte als ein paar Utensilien, um den Tag problemlos zu überstehen. Ein kurzes Stirnrunzeln, dann erhellte sich sein Gesicht urplötzlich.

„Magier, nicht wahr? Ansonsten wäre Ihr Gepäck weitaus umfangreicher als diese kleine Tasche."

Langsam nickte Cana, sich innerlich an einen weit entfernten Ort wünschend, an dem sie nicht mit unaufhörlichen Fragen gelöchert wurde.

„Nun, dann ist das natürlich ein anderes Thema. Sie durchqueren notgedrungen ja das gesamte Königreich, um Ihre Aufträge erledigen zu können. Sagen Sie, haben Sie und Ihr Partner schon eine Möglichkeit gefunden, ihren Nachwuchs tagsüber in Ihrer Abwesenheit versorgt zu bekommen?"

„Es gibt keinen Partner", entgegnete Cana ausdruckslos, doch das schien ihren ungewollten Gesprächspartner nicht im Mindesten zu verunsichern. Ein kleines Schulterzucken war seine einzige Reaktion darauf, während er im nächsten Moment in seiner Tasche kramte. Aus dieser holte einen kleinen Block sowie einen Stift.

„Da Fairy Tail die einzige nennenswerte Magiergilde ist, die in dieser Richtung des Zuges liegt, gehe ich stark davon aus, Sie sind ein Teil davon?" In Windeseile hatte er ein paar Dinge auf das oberste Blatt des Blocks gekritzelt, riss ihn ab und hielt ihn ihr einladend hin.

„Meine älteste Tochter ist in der Vorschule in Magnolia angestellt, sie bieten mittlerweile auch eine Betreuung nach dem morgendlichen Unterricht an. Hier ist die Adresse der Vorschule. Sie hat letzte Woche beim Familientreffen erwähnt, zwei Familien hätten ihre Anmeldung kurzfristig zurückgezogen, deshalb seien unverhofft drei Plätze frei. Falls Ihr Nachwuchs zwischen fünf und sieben Jahren alt ist, sollte es kein Problem sein, ihn in einer der beiden unvollständigen Gruppen unterzukommen."

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