Martin de Broes

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»Locker lassen! Ganz locker lassen. Und einmal tief Luft holen - «

Krach!

»So, das war's schon.«

»Aaaaah!«

»Urrrg...«

Die unbeschwerte Ansage kommt von Bruder Martin, das Knacken ist Pal's ausgekugelte Schulter, die der Mönch wieder in ihre richtige Position einrenkt. Der Schmerzensausruf stammt von Pal selber und ich steuere einige peinliche Würgelaute bei. Ansonsten schwenke ich ein kleines Räucherpfännchen und versuche, Bruder Martin nicht im Weg zu stehen. Das Räucherwerk soll böse Einflüsse vertreiben, aber ich vermute, Martin will mich einfach nur beschäftigen und der harzige Duft von Salbei und Wacholder hat durchaus etwas Beruhigendes an sich.

Bei meinem Entschluss, dem Mönch bei der Wundversorgung zur Hand zu gehen, habe ich mir noch eingebildet, tatsächlich etwas Hilfreiches beitragen zu können. Doch der Anblick einer hässlichen Fleischwunde quer über Pal's Rippen hat mich schnell eines Besseren belehrt.

Pal liegt ausgestreckt auf dem Behandlungstisch im Druidenturm und schließt seufzend die glasigen Augen. Ein leicht dümmliches Grinsen überzieht sein rundes Gesicht. Ich habe keine Ahnung, was Bruder Martin ihm vor der Behandlung verabreicht hat, aber ich bin in Versuchung, um das Gleiche zu bitten.

»Er wird doch wieder gesund?«, frage ich mit zittriger Stimme.

»Ich habe mein Bestes gegeben. Alles weitere liegt in der Hand Gottes.« Martin rollt die hochgekrempelten, weiten Ärmel seiner dunklen Kutte herunter. Seine Arme sind muskulös und braungebrannt und zeugen von täglicher, tatkräftiger Arbeit. Ich bin noch immer erstaunt, wie sanft und geschickt seine großen Hände die beachtliche Verletzung verarztet haben. »Pal hatte Glück, dass diese Banditen mit so miserablen Waffen ausgestattet waren. Ein schärferes Schwert hätte eine tiefere Wunde geschlagen. Andererseits heilen glatte Schnitte besser als so ein zerfetzter Hautlappen«, sinniert er weiter.

Na, danke. Jetzt habe ich wieder bildlich vor Augen, was bereits von einem ordentlichen Verband verdeckt wird. Der Mönch nimmt mein zurückhaltendes Schweigen zum Anlass für weiteres Fachsimpeln.

»Die Wundbehandlung mit heißem Öl hat sich bei meinen Erfahrungen im gelobten Land nicht bewährt. Wir haben die Verletzungen dort oft mit verdünntem Wein gesäubert, weil uns das Öl ausgegangen war. Diese haben sich viel seltener entzündet, also bin ich dabei geblieben.«

Ich kann nur zustimmend nicken, denn allein der Gedanke an derartige Behandlungen verursacht mir erneutes Magendrücken. »Ja, Sauberkeit ist das A und O«, füge ich noch lapidar hinzu. Mein Blick gleitet bedeutungsschwanger über den festgetretenen Lehmboden, die offenen Fenster und die an den Wänden hängenden Gerätschaften. Das einfallende Sonnenlicht bricht sich funkelnd in tanzenden Staubpartikeln und beleuchtet den weißen Rauch meiner Räucherglut. Steril ist diese Umgebung garantiert nicht. Aber wenigstens hat Martin seine medizinischen Werkzeuge in einem glühenden Kohlebecken erhitzt und mit Alkohol abgelöscht. So viel ich noch aus Geschichtsbüchern weiß, agiert er erstaunlich fortschrittlich, was für die Menschen hier sicher ein Segen ist. Die Wundauflage unter dem Verband ist mit einem Sud aus blutstillenden Kräutern getränkt. Das hilft allemal besser als eine Kompresse aus getrocknetem Pferdedung oder gehackten Krötenzungen oder was immer ich in irgendwelchen historischen Aufzeichnungen gelesen habe.

»Kommt, meine Liebe. Ihr seid etwas blass um die Nase. Gehen wir einen Moment nach draußen. Pal wird noch ein Weilchen schlummern.«

Nur zu gern folge ich Bruder Martin in den Kräutergarten. Auf einer Bank lassen wir uns nieder und genießen den Sonnenschein. Zahlreiche Blüten verströmen einen intensiven Geruch und es brummt und summt um uns herum. Ich schließe die Augen und atme tief ein. Alles erscheint mir heute um so vieles intensiver. Gerüche, Farben, das Lachen der Kinder. Geradeso, als wolle sich dieser Ort allen meinen Sinnen von seiner besten Seite präsentieren. Dabei bin ich seinem Zauber längst erlegen. Schließlich habe ich hier die schönste Zeit meiner Kindheit verbracht, auch wenn da die Mauern der Burg verfallen und ohne echtes Leben waren.
Bedrückt frage ich mich, ob ich in meiner Zukunft jemals wieder so unbeschwert dieses Fleckchen Erde betreten werde.

Elfenzauber - IIWhere stories live. Discover now