... und Wirrungen

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Lange hat es gedauert, doch nun geht es weiter! Meine Widmung für dieses Kapitel geht an julieundflorianmoore , die mit großer Begeisterung zu meiner kleinen Fangemeinde gestoßen ist und ebenso wie ihr anderen mitfiebert! Viele liebe Grüße! ❤️

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»War es etwa kein guter Plan? Es war ein guter Plan! Es war ein absolut hervorragend durchdachter 1A Rettungsplan!« Innerlich kochend gebe ich Bronwyn nicht die Chance, auf meine rethorische Frage zu antworten. Während sie sich bemüht, mich aus dem seidenblauen Kokon zu befreien, rede ich mir weiter den Frust von der Seele.

»Und hätte es funktioniert? Natürlich hätte es das!«

»Es war schon ein reichlich gewagtes Unterfangen«, brummelt sie nur und rutscht auf den Knien um mich herum. Wir sind allein in ihrer Schneiderstube und ich bin froh, nicht noch die mitleidigen oder gar spöttischen Blicke der anderen Frauen ertragen zu müssen. 

»Jetzt steh endlich still! Der gute Stoff reißt noch.«

»Ich kann nicht stillstehen! Dann platze ich!« Mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen mache ich mich stocksteif, obwohl ich viel lieber schreiend durchs Zimmer stampfen möchte. Was für eine Blamage! Das war der wohl kürzeste Auftritt meines Lebens. Noch nie, nie, niemals bin ich von einer Bühne geflogen! Regelrecht rausschmeißen lassen hat mich dieser arrogante Kerl! Sie tanzt nur für mich! Pah. Ich bin doch nicht sein Tanzpüppchen. Dabei habe ich geglaubt, wir wären uns auf einer tieferen Ebene näher gekommen.

»Du bist noch so jung. Du verstehst die Männer nur nicht.«

»Männer? Was gibt es da zu verstehen? Es muss immer nach ihrem Kopf gehen und mit dem lieber durch die Wand, statt mal dem Rat einer klugen Frau zu folgen!«

Stirnrunzelnd blickt Bronwyn zu mir auf. »Welche kluge Frau?«

Mein empörtes Schnauben bringt sie zum Schmunzeln.

»Hab doch ein wenig Vertrauen zu Lord Rhys. Er wird die Angelegenheit schon zu händeln wissen.«

»Ja. Es hört sich ganz danach an«, antworte ich mit einem bedeutungsvollen Augenrollen. Einige Minuten lauschen wir angespannt dem unverständlichen Krawall aus der großen Halle.

Bronwyn stemmt sich stöhnend in die Höhe und wickelt die blaue Seide sorgfältig auf. »Wird schon gutgehen«, murmelt sie mehr zu sich selbst und streicht über den glatten Stoff.

Ich höre ihre Sorge und werde gleich noch wütender auf Rhys. Warum kann er nicht einfach mal Hilfe annehmen? Wenn er mich hätte tanzen lassen, würden die Männer jetzt vor Begeisterung brüllen und nicht, weil sie sich gegenseitig an die Gurgel gehen.

»Kunst und Kultur sind hervorragende Wege zur Völkerverständigung!« Mit diesem Statement zwänge ich mich in mein Alltagskleid. Die vielen Schnüre und Häkchen rauben mir wie der Herr dieser Burg den letzten Nerv und verheddern und verhaken sich ständig. Ich fauche meine persönlichen Widersacher an und schiebe Bronwyns eingreifenden Hände beiseite. Ich werde mich nicht unterkriegen lassen! Weder von diesen hinterhältigen Kleidungsstücken, noch von einem uneinsichtigen Sturkopf von Ritter.

Vermutlich hat mir Rhys gar nicht richtig zugehört. Möglicherweise habe ich ihn in seinem Zustand auch etwas überrumpelt. Und genaugenommen bekommt die Weisheit vom Miteinander Reden selbst in meinem Zeitalter viel zu wenig Beachtung.

Wie auch immer, ich werde hier nicht einfach tatenlos abwarten. Bevor ich jedoch aus der Kammer stürmen kann, springt Bronwyn erstaunlich behände an mir vorbei und stellt sich mit ausgebreiteten Armen mitten in die Tür.

»Halt! Was soll das werden? Wo willst du hin?« Ihre großmütterliche Autorität bringt meine Entschlossenheit nur geringfügig ins Wanken.

»Diesem Irrsinn ein Ende machen! Ich kläre dieses dumme Missverständnis auf, bevor noch jemand ernsthaft zu Schaden kommt.«

Bronwyn blinzelt mich zweifelnd an und mir wird klar, dass Rhys kein Sterbenswörtchen über mein ungewöhnliches Auftauchen verloren hat. Schämt er sich für mich? Oder ist ihm das Ganze peinlich? Ich weiß ja, wie sehr ihn das Gerede der Leute grämt. Die Gerüchte über seine Verbindung zu dunklen Mächten werden kaum weniger werden, wenn ich jetzt von Beschwörungsritualen in der Beltanenacht und überirdischem Elfenzauber berichte. Trotzdem habe ich die Nase von dieser Scharade gestrichen voll.

»Ich bin weder ein weggelaufenes noch ein entführtes oder sonstwie verlorengegangenes Edelfräulein.« Meine Finger zeichnen kleine Anführungszeichen in die Luft. Bronwyn wird die Geste kaum verstehen, aber meine innere Unruhe schreit nach Bewegung. »Ich bin nur eine fahrende Sängerin auf der Suche nach einem Zuhause.«

»Ach, Mädchen.« Sie ergreift meine flatternden Hände und drückt sie sanft. »Du musst dir keine Erklärung ausdenken. Niemand von uns wird dich fortschicken.«

Mir bleibt der Mund offen stehen und ich beginne zu stammeln. »Aber ... aber ... ich bin wirklich keine Adlige. Ich bin einfach eine durchschnittliche, gewöhnliche Frau.«

»Ja, ja. Wenn du es sagst. Und unserem Lord bist du ganz zufällig im Wald begegnet.«

»Genauso war es! Wir haben uns nett unterhalten und er hat mich mitgenommen.« So langsam verstehe ich, weshalb Rhys sich jegliche Erklärungen erspart. Bronwyns Gesichtsausdruck ist alles andere als überzeugt. Mit einem freundlichen Lächeln, welches mich noch mehr auf die Palme bringt, nickt sie mir zu.

»Genau. Er ist eben ein sehr umgänglicher und gesprächiger Mann.« 

Dass Bronwyn zu solchem Sarkusmus fähig ist, hätte ich ihr nicht zugetraut. Und dass sie mir dabei offen und unschuldig in die Augen sieht, macht mich direkt sprachlos.

»Ja, ist er wohl ... hin und wieder.« Meinen Einwand wischt sie mit einer Handbewegung beiseite.

»Die Geschichte können wir diesem Normannen aber nicht auftischen. Womöglich besteht er auf eine Bestrafung, weil du dich über deinen Stand erhoben hast – auch wenn es natürlich nie in deiner Absicht lag. Denn das würde Lord Rhys niemals zulassen und es gäbe auch wieder Streit.« 

Behutsam und doch unnachgiebig schiebt mich Bronwyn in die Stube hinein und drückt mich auf einen kleinen Schemel. Sitzend bin ich etwas kleiner als sie. Mütterlich nimmt sie mich in die Arme und streicht mir liebevoll über den Rücken. Ihre Fürsorge nimmt meinem Zorn die Luft aus den Segeln. Mein Ärger verfliegt zusehens und ich sinke schniefend an ihre Brust. Doch ich komme nicht zur Ruhe. Ein anderes, viel beängstigerendes Gefühl drückt mir aufs Herz und erschwert mir das Atmen.

»Ich halte diese Ungewissheit nicht aus!« Keine Sekunde kann ich länger stillsitzen. Meine Beine tragen mich zum Fenster und ich versuche, irgendeinen Hinweis auf die gegenwärtige Situation unten in der Halle zu erhaschen.

Vergebens!

Der Burghof ist leergefegt, die großen Türflügel zum Rittersaal sind geschlossen. Die grimmigen Stimmen aus dem Inneren scheinen abzuflauen – oder ist das reines Wunschdenken? Oben auf dem Wehrgang steht eine Parade an wurfbereiten Speeren und ich entdecke Annwyl und Jenni, die mit geschultertem Langbogen und weiten Kapuzenumhängen zwischen den Zinnen hin und her huschen.

»Leih mir bitte deine Haube. Ich will mich nur kurz unauffällig unter die Küchenhelfer mischen.« Mit flehendem Blick wende ich mich Bronwyn zu.

Sie schüttelt missbilligend den Kopf. »Arwen, du bist so unauffällig wie ein buntgeschecktes Pferd in einer Schafherde! Wenn es wirklich zu einem Kampf kommt und du dort auftauchst, wirst du Lord Rhys nur ablenken, weil er sich Sorgen um dich macht.«

»Und was ist mit meinen Sorgen? Muss ich die einfach hinnehmen, weil ich eine Frau bin?«

»Weil du eine kluge Frau bist, wirst du nichts unüberlegtes tun.«

Es ist verdammt schwer gegen seine eigenen Worte anzukommen.

Elfenzauber - IIWhere stories live. Discover now