Bühne frei!

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Dieser verfluchte kif!

Rhys kniet vor Dafydds Kleidertruhe und wühlt sich zähneknirschend durch den Inhalt.

Nie im Leben hätte er nüchtern Arwens aberwitziger Idee zugestimmt!

Er zieht eine dunkelblaue Tunika hervor und legt sie wieder zurück. Dann begutachtet er den goldverbrämten Umhang, und wirft ihn ebenfalls auf den aussortierten Haufen.

Na gut, gesteht er sich widerwillig ein, nach diesem Kuss hätte er allem zugestimmt, was auch immer sie von ihm verlangt hätte. Aber er wäre wenigstens rechtzeitig auf den Gedanken gekommen, sich ihren Plan erklären zu lassen! Jetzt empfängt er Roderick völlig ahnungslos. Noch dazu hat sie ihm das Versprechen abgerungen, den "Besuch" zuvorkommend und gastfreundlich zu behandeln.

›Du brauchst einen normannischen Verbündeten, egal wie abwegig dir das jetzt vorkommt!‹ Geradezu beschwörend hat sie auf ihn eingeredet. Gänzlich unsinnig erscheint ihm ihr Anliegen nicht. Auch wenn er dem Fürsten von Gwynned einen Treueeid geleistet hat, so herrschen hier in den Grenzlanden eigene Gesetzmäßigkeiten. Ebenso, wie die Giffards als Marcher-Lords ihre Freiheiten gegenüber der englischen Krone haben.

Wütend knallt Rhys den Deckel der Truhe zu. Er wird sich nicht wie ein Pfau ausstaffieren, wenn er mit diesem Natterngezücht an einem Tisch sitzt. Wo, zum Henker, ist eigentlich sein schöner waldgrüner Umhang abgeblieben?

»Mylord?« Owain steht in der Tür und tritt angespannt von einem Fuß auf den anderen. »Giffard ist auf die Bedingungen eingegangen, die wir ihm signalisiert haben. Er ist mit lediglich fünf Männern zum Tor gekommen.«

»Gut, lass ihn rein.« Rhys stemmt sich in die Höhe. »Aber behaltet den Rest im Auge! Ach, und Owain - lass dir viel Zeit. Zeig ihm die Ställe. Frag, welches Futter seine Pferde brauchen. Reiche ihnen etwas zur Erfrischung ...« Er wedelt in Ermangelung weiterer Ideen nur mit den Händen. Himmel! Arwen stellt sich das so einfach vor. ›Halt ihn bloß ein wenig hin.‹ Als ob er Ahnung von höfischer Etikette hätte!

»Einen Kübel Ochsenpisse?«, schlägt Owain hilfsbereit vor.

Rhys erspart sich eine Antwort und misst seinen Wachhauptmann mit einem giftigen Blick. Der zieht die Schultern hoch und stapft grummelnd davon. Nachdenklich sieht ihm Rhys hinterher. Alle wissen, warum Roderick aufgetaucht ist und keiner seiner Untertanen ist gewillt, eine eventuelle Forderung nach Arwens Herausgabe zu unterstützen. Niemand hier glaubt an diese Mär von der Entführung. Jeder einzelne seiner Männer hat ihm das versichert. Diese Vertrauensbekundungen haben Rhys ganz verlegen gemacht. Die Krönung zum Schluss war Martin, der ihn beinahe väterlich in die Arme nahm. »Alles wird gut«, meinte der Mönch und drückte ihm ein Beutelchen Pfefferkörner und frisches Minzkraut in die Hand.

Notgedrungen kaut Rhys nun darauf herum und hofft, dass ihm die Schärfe nicht nur das Wasser in die Augen sondern vor allem den Nebel aus dem Kopf treibt.

Unterdessen sind die Frauen geschlossen wie ein Zugvogelschwarm mit Arwen im Wohnturm verschwunden. Wenn er nur wüsste, wie sie Roderick von diesem falschen Vorwurf abbringen will. Ob sie ihre übernatürlichen Verwandten um Hilfe bittet? Allerdings erscheint es ihm eher, als würde sie ihre Herkunft mehr und mehr vergessen. Er selbst hat von den Elfen seit geraumer Zeit nichts gesehen oder gehört. Seine Versuche, Kontakt herzustellen um diesen unseligen Handel rückgängig zu machen, sind kläglich gescheitert. Mit Grausen denkt er an das anstehende Beltanefest.

Das Klappern von Pferdehufen schallt aus dem Hof herauf und reißt ihn aus seinen Grübeleien. Mit raschen Schritten eilt Rhys in seine eigene Kammer, legt ein leichtes Kettenhemd und den Wappenrock in seinen Farben an und gürtet sich Dolch und Schwert um. Für einen förmlichen Empfang tut dies Genüge und sollte Giffard ihm dumm kommen, wird er ihn eben ganz höflich zum Gehen auffordern.

☙❧

»Wir brauchen Tücher, Schleier, Stoffe, Hauptsache sie sind leicht und luftig. Außerdem alles, was glänzt, glitzert und klimpert. Muschelketten, Glasperlen, Anhänger, Zierrat.«

Nur in meiner Unterwäsche stehe ich in der Kemenate und erteile befehlsstabmäßig Anweisungen. »Moira, bereitest du bitte ein paar Häppchen für die Gäste?«

Die Köchin bläst die Backen auf. »Die Schüssel Entengrütze kann Hywel allein ausschenken. Ich will hier nichts verpassen!«

Ich verkneife mir ein Augenrollen und lege bittend die Hände aneinander. »Du musst uns Zeit verschaffen. Wenn sie erst einmal etwas zu schnabbern und zu trinken haben, fällt das Warten leichter. Außerdem wollen wir das Bündnis mit den Normannen aufrechterhalten. Sonst war Rhys' verlorene Kindheit ein völlig nutzloses Opfer.« Meine mahnenden Worte zeigen Erfolg. Auch wenn sie missmutig vor sich hin brabbelt, begibt sich Moira auf den Weg in ihr Reich.

Durch den ganzen Trubel fühle ich mich zurückversetzt in meine Zeit beim Laientheater. Heute kommt noch eine gehörige Portion Improspiel dazu, denn ich muss mir Text und Rolle aus dem Stegreif zurecht basteln. Das aufgeregte Geschnatter der Frauen um mich herum verstärkt meine Anspannung und entfacht gleichzeitig diese kribbelnde Aufregung, die jeder Bühnenauftritt mit sich bringt. Noch dazu, da ich mit dieser Show heute den Menschen hier echt etwas zurückgeben kann. Es geht um viel mehr als um den reinen Unterhaltungseffekt. Ich kann ihnen zu einem Stück Sicherheit und Frieden verhelfen.

Wenn alles glattgeht.

Doch mir bleibt keine Zeit für bange Gedanken. Schon sind die ersten zurück und breiten ihre Schätze vor mir aus. Bronwyn habe ich mein Vorhaben bereits in groben Zügen erklärt und sie macht sich sofort ans Auswählen des Brauchbaren.

»Hier ist die Kohle.« Eirlys drängelt sich zu mir durch und reckt mir mit schwarzen Fingern mehrere kleine Holzkohlestückchen entgegen. »Danke, mein Engelchen.« Ich drücke ihr einen Schmatzer auf den Lockenschopf und greife nach dem kleinen Handspiegel. Mangels Kajal mit der Kohle einen Lidstrich zu ziehen, gelingt mir sogar halbwegs. Er ist nur ein bisschen verwackelt, da Bronwyn ununterbrochen an mir Maß nimmt und herumzupft.

»Halt still, Mädchen!«, schimpft sie mich auch gleich. »Sonst steche ich dich noch.«

»Es muss kein Meisterwerk werden«, beschwichtige ich die eifrige Näherin.

»Aber halten soll es schon, oder? So was verrücktes habe ich mein Lebtag noch nicht gemacht.« Bronwyn wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Aedyth und Jenni reichen ihr die nächsten Teile, auch Maliks wunderschöne türkisblaue Seide ist darunter. »Schneidet mir ja nichts auseinander! Das können wir alles wieder verwenden.« Sie wickelt mich in einen hauchzarten Kokon und verzieht zweifelnd das Gesicht. »Wollen wir nicht doch lieber Bruder Martin alles erklären lassen?«

»Nein!«, sage ich mit Nachdruck. »Diese Geschichte wird ewig an Rhys hängenbleiben, aber ich sorge dafür, dass sie zu einer Legende wird!«

Elfenzauber - IIWhere stories live. Discover now